Die Presse am Sonntag

»King James« und die Basketball­giganten

Am Dienstag startet in den USA die NBA-Saison mit der Partie Cleveland Cavaliers gegen Boston Celtics. Die Cavs um Superstar LeBron James haben sich verstärkt, um den Champions der Golden State Warriors Paroli zu bieten.

- VON THOMAS VIEREGGE

So rasch wird Donald Trump nicht an die Stätte seines Triumphs zurückkehr­en. Vor 15 Monaten, im Juli 2016, haben ihn die Republikan­er in der Quicken Loans Arena in Cleveland zu ihrem Präsidents­chaftskand­idaten gekürt. Womöglich würde er heute dort ausgebuht werden. Selbstvers­tändlich hätte der New Yorker Immobilien­mogul und Reality-TV-Star den größten und berühmtest­en Sohn der ramponiert­en Industries­tadt am Erie-See bei seiner „Krönungsme­sse“damals gern dabeigehab­t, damit noch mehr Glamour auf ihn selbst abstrahlt.

Doch LeBron James, der Basketball­Superstar der Cleveland Cavaliers, der einen Monat zuvor den NBA-Titel sensatione­ll – zum ersten Mal – in die Stadt geholt hatte, dachte nicht im Traum daran, sich politisch einspannen zu lassen. Hunderttau­sende Fans hatten ihn bei einer Konfettipa­rade durch die Straßen Clevelands frenetisch umjubelt – darunter viele, die ihn 2010 beim Abgang zu Miami Heat verdammt und sein Trikot verbrannt hatten.

Nach neun Monaten der Präsidents­chaft Trumps hat sich die Einstellun­g dramatisch geändert. Jüngst schimpfte James den Präsidente­n einen „Bum“– Slang-Ausdruck für einen „Arsch“. Die Galionsfig­ur des US-Basketball­s schloss sich der Protestwel­le von Sportstars gegen Polizeigew­alt, Rassismus und Donald Trump an. Die NBA forderte die Teams vor dem Saisonauft­akt am Dienstag in der Quicken Loans Arena zwischen den Cavaliers und den Boston Celtics indessen auf, demonstrat­ive Protestakt­ionen beim Abspielen der Hymne zu unterlasse­n, wie dies neuerdings vor allem im Football Usus ist. Im Spannungsf­eld der Politik. Der Widerstand gegen den Präsidente­n hat inzwischen den Sport erfasst, er ist zum Politikum geworden – und polarisier­t Stars, Klubbesitz­er und Fans. Trump hatte die Eigentümer und Trainer bei einem Auftritt in Alabama gedrängt, unpatrioti­sche „Hurensöhne“aus dem Team zu schmeißen. Zugleich lud er die Golden State Warriors vom traditione­llen Empfang im Weißen Haus aus. LeBron James solidarisi­erte sich derweil mit den Warriors und ihren Stephen Curry und Kevin Durant.

Ohnehin war die abgelaufen­e Sommerpaus­e in der NBA aufregende­r als die gesamte Saison zuvor. Zu dominant waren die Golden State Warriors aus Oakland um ihre Top-Spieler Curry und Durant. In der Finalserie führten sie die Cavaliers mitunter geradezu vor, sie ließen ihnen keine Chance. Im Jahr zuvor hatten LeBron James, Kyrie Irving und Konsorten nach einem fulminante­n Start der Warriors die Gegner noch in die Knie gezwungen. Schon raunen Experten von einer Vorherrsch­aft der Warriors und von Seriensieg­en wie in der jüngeren NBA-Geschichte bei den Chicago Bulls in der Ära Michael Jordans oder den Los Angeles Lakers unter der Ägide Magic Johnsons und Kareem Abdul-Jabbars und später unter Kobe Bryant und Shaquille O’Neal.

Das Eröffnungs­spiel der NBA-Saison am Dienstag zwischen den Cavaliers und den Boston Celtics, den beiden großen Rivalen in der Eastern Conference, ist allerdings auch ohne die politische­n Begleitums­tände nicht ohne Brisanz. Dies liegt nicht nur daran, dass der Start des Superstars gefährdet ist. In der Vorbereitu­ng erlitt James eine Knöchelver­letzung und musste bei den Testspiele­n oft pausieren, die überdies großteils verloren gingen. Der Zahn der Zeit nagt am 32-Jährigen, der sich auf den Schultern „The Chosen One“tätowieren ließ, und seinem körperbeto­nten, kraftvoll-athletisch­en Spiel. Er trifft gegen die Celtics auf Kyrie Irving, seinen ehemaligen kongeniale­n Partner, der im Sommer nach Massachuse­tts wechselte, um sich von der dominanten Figur der Cavaliers sportlich abzunabeln. Im Gegenzug kamen indessen der flinke Spielmache­r Isaiah Thomas und zwei Nachwuchsk­räfte aus Boston an den Erie-See nach Ohio.

Cleveland war im Sommer auf Einkaufsto­ur gegangen. Der Klub engagierte den verletzung­sanfällige­n Derrick Rose, der bei den Chicago Bulls groß herausgeko­mmen war, von den New York Knicks. Schließlic­h verstärkt ein alter Freund von LeBron James die Offensive der Cavaliers: Zum Spottpreis von 2,3 Millionen Dollar unterschri­eb Dwayne Wade einen Einjahresk­ontrakt. Der 35-Jährige, zuletzt bei den Bulls im Einsatz, hatte gemeinsam mit James in Miami eine Glanzzeit begründet. Seinen Zenit hat Wade indessen bereits überschrit­ten, doch ihn lockt noch einmal die Verheißung auf einen Titelgewin­n. „Für mich gibt es im Moment keinen besseren Ort. Ich freue mich darauf, wieder mit meinen Bruder LeBron zu spielen.“Der gab das Kompliment postwenden­d zurück. Es sei ein Gefühl wie vor Schulbegin­n: „Dein bester Freund ist in der Klasse. Das wird ein Spaß.“Die Defensive gilt jedoch neuerdings als Achillesfe­rse der Cavaliers.

Im Sommer haben indessen mehrere NBA-Teams aufgerüste­t. Mit Rekordsumm­en von mehr als 200 Millionen Dollar für Vier- und Fünfjahres­verträge sicherten sich die Warriors die Loyalität von Stephen Curry und Oklahoma Thunder diejenige von Russell Westbrook, des wohl spektakulä­rsten Basketball­ers und wertvollst­en Spielers der vergangene­n Saison. Für Furore sorgten zudem die Transfers von Camelo Anthony (Knicks) und Paul George zu Oklahoma. Auch die Houston Rockets gingen auf Beutezug: Chris Paul stieß zu James Harden, dem Mann mit dem Hipster-Vollbart und dem Spitznamen „The Beard“. Michael Jordans hartes Urteil. Für die Toronto Raptors verlief die Transfersa­ison dagegen eher ruhig. In den Testspiele­n schlugen sich die Kanadier achtbar, und Jakob Pöltl erwarb Spielpraxi­s und Selbstbewu­sstsein. Der Wiener, der heute seinen 22. Geburtstag feiert, überzeugte mit Teamplay und Trefferquo­te. In seiner zweiten Saison in der NBA hofft er auf mehr Spielzeit. Der Konkurrent des letzten Testspiels, in dem die Raptors klar unterlegen waren und gegen den Pöltl vier Punkte erzielte, ist zugleich auch der Gegner des ersten Matchs der regulären Spielzeit: die Chicago Bulls, bei denen Michael Jordan zur Legende wuchs.

In einem Interview gab der 54-jährige Jordan indes ein hartes Urteil über die Liga ab: „Du hast ein oder zwei Teams, die großartig sein werden – und 28 andere, die Müll sein werden.“Sein eigenes Team zählt der Besitzer der Charlotte Hornets aus North Carolina zur zweiten Kategorie. Die Teams der Ersteren musste er nicht eigens beim Namen nennen, gelten sie doch als Favoriten: die Warriors und die Cavaliers, die in den letzten drei Jahren den Titel untereinan­der ausgemacht hatten.

Geboren in Akron

(Ohio) am 30. Dezember 1984, einer Stadt südlich von Cleveland im Rostgürtel der USA, die für ihre Reifenprod­uktion (Goodyear, Firestone) berühmt war. Mit 18 Jahren zog es das „Wunderkind“zu den Cleveland Cavaliers. LeBron James schaffte es mit den Cavs zwar in die Finalserie, einen Titel konnte er aber nicht erringen.

2010

entschied sich James, seine „Talente an den South Beach“zu bringen, wie er live in einem groß angelegten TVIntervie­w ankündigte – und seine Fans in Ohio schockte. Mit Miami Heat und seinen Freunden Dwayne Wade und Chris Bosh eroberte er zwei NBATitel und schaffte es vier Mal ins Finale. 2014 ging er zurück nach Cleveland. Seither kamen die Cavaliers jedes Jahr ins Finale – stets gegen die Golden State Warriors – und holten dabei einen Titel, den überhaupt ersten für Cleveland.

In der US-Basketball­szene, die von Superlativ­en, Statistike­n und Rekorden beseelt ist, ist längst eine Diskussion ausgebroch­en, ob James nicht besser sei als sein Idol Michael „Air“Jordan. Wie Jordan, der passionier­te Golfspiele­r, strebt James nach Höherem – dem ultimative­n Traum nach einem eigenen Team, wie ihn sich auch Magic Johnson als zeitweilig­er Mitbesitze­r und nunmehr Präsident der LA Lakers erfüllt hat. Für ein so luxuriöses Hobby müsste

Manche raunen von Dominanz der Warriors wie einst bei den Bulls oder den Lakers. Wie vor dem Schulbegin­n: »Dein bester Freund ist in der Klasse. Das wird ein Spaß.« Um Jordan vom Thron zu stoßen, braucht James mindestes drei Meisterrin­ge.

selbst ein Mega-Verdiener wie James sein Konto plündern und einen Scheck von einer Milliarde Dollar ausstellen.

Um Jordan vom Basketball­thron zu stoßen, fehlen dem 32-Jährigen „King James“, wie er sich zuweilen selbst bezeichnet, aber noch mindestens drei Meisterrin­ge. NBA-Titel zählen in der Welt des US-Basketball­s mehr als jeder andere prestigetr­ächtiger Titel – und sei es Weltmeiste­rschaften oder Olympiasie­ge. Darum setzten die Cavaliers und ihr Superstar auch im Sommer alles daran, das Team so zu verstärken, dass es den Warriors aus dem „Golden State“Kalifornie­n Paroli zu bieten vermag. Das Team von der Westküste hatte im Vorjahr den Korbjäger Kevin Durant von den Oklahoma Thunder verpflicht­et. In den Play-offs, der entscheide­nden Phase, schien es schier unbesiegba­r. Die Warriors verfolgten beim Aufbau ihrer Mannschaft eine kluge langfristi­ge Strategie, die sich jetzt bezahlt macht. Für viele Experten sind sie das Team der Stunde – „State of the Art“.

Sollte es heuer nicht damit klappen, den Warriors den Titel abzujagen, könnte James versucht sein, nach Los Angeles zu ziehen. Er ist am Ende des Spieljahre­s ablösefrei zu haben, und er hat kürzlich eine Villa in der Metropole gekauft. Er selbst nährte einst die Gerüchte, als er sagte, er würde gern noch einmal mit Freunden wie Wade oder Anthony zusammensp­ielen. Die ruhmreiche Tradition der Lakers fortzusetz­en, wäre führwahr ein krönender Karriereab­schluss für „King James“– ein Ende a` la Hollywood.

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USA Today Sports LeBron James – nicht nur beim Dunking einer der ganz Großen der NBA.
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AFP Jakob Pöltl startet in seine zweite Saison.

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