Nikons eierlegende Wollmilchsau
Kaum ein Hersteller leidet so unter der Kamerakrise wie Nikon. Doch jetzt überraschten die Japaner mit der D850. Eine bemerkenswerte Kamera, wie unser Test zeigte.
Ausgerechnet im Jubiläumsjahr kamen die schlechten Nachrichten: Mitte Februar, als man gerade die 100-JahrFeiern vorbereitete, schockte Nikon die Anleger mit der Warnung vor „außergewöhnlichen Verlusten“. Wie zur Bestätigung sagte das japanischer Unternehmen eine neue Kameraserie ab (DL), die eigentlich schon im Juni 2016 auf den Markt hätte kommen sollen.
Man machte sich schon Sorgen um die Kameramarke, mit der ganze Generationen von Pressefotografen Geschichte festhielten. Kein anderer Hersteller leidet so sehr unter dem Wandel der Fotografie weg von traditionellen Kameras hin zu Handys wie Nikon.
Doch jetzt bringen die Japaner mit der D850 eine digitale Vollformatkamera auf den Markt, die einer eierlegenden Wollmilchsau ziemlich nahe kommt: Eine ideale Auflösung für Landschaftsfotos (46 Megapixel), eine gute Bildgeschwindigkeit für Sportfotos (mit Batteriegriff neun Bilder pro Sekunde), ein gutes Gewicht für einen Reisefotografen (915 Gramm) und das zu einem Preis, der für eine Kamera mit diesen Features deutlich unter Konkurrenzprodukten liegt (3799 Euro). Geringes Rauschen. In der Theorie lesen sich die Spezifikationen also recht beeindruckend. Und in der Praxis?
In unserem Test enttäuscht die Nikon D850 nicht. Die Bildqualität ist ausgezeichnet mit sehr geringem Rauschen. Bilder mit ISO 3200 sind mehr oder weniger rauschfrei, ISO 6400 sind kein Problem, ISO 12.800 liefert durchaus brauchbare Fotos und selbst Aufnahmen mit ISO 25.600 kann man verwenden, wenn man die 46-Megapixel herunterrechnet (die maximale Empfindlichkeit lässt sich in den Sondereinstellungen noch auf ISO 102.400 erweitern, die man in der Praxis freilich selten verwenden wird). Möglich macht das geringe Rauschen ein rückwärtig beleuchteter Sensor – eine Technik, auf die auch Lieferant Sony bei seinen Kameras setzt.
Bei der D850 hat Nikon, wie bei den anderen Modellen der 800er-Serie, auf einen Tiefpassfilter verzichtet. Das bringt sehr detailreiche Aufnahmen – wenn man will, sieben pro Sekunde mit einer Auflösung von 46 Megapixel. Nimmt man den optionalen Akkugriff dazu, sind es sogar neun – mehr Fotos pro Sekunde schafft bei dieser Auflösung keine andere Kamera.
Interessant wird, wie Nikon das Problem des Spiegelschlags gelöst hat, wenn man mit dieser Bildfrequenz fotografiert (der Batteriegriff stand uns im Test nicht zur Verfügung). Bei dieser Auflösung können die Vibrationen des Spiegels zu leichten Unschärfen führen (Canon kennt das Problem). Die sieht man bei 100-Prozent-Ansicht am Monitor recht schnell: Denn dann hat das Bild (8256 x 5504 Pixel) eine Größe von etwa drei mal zwei Metern.
Der ausgezeichnete Autofokus machte es jedenfalls schwer, unscharfe Fotos zu produzieren. Das System mit 153 Feldern (99 Kreuzsensoren) wurde aus dem Topmodell D5 übernommen. Die Scharfstellung arbeitete in unserem Test schnell und vor allem sehr präzise, auch unter schlechten Lichtverhältnissen.
Erfreulich für alle, die ihren Fotoapparat für Videos verwenden: Die D850 bietet 4k-Auflösung ohne CropFaktor, Zeitraffer-Aufnahmen kann man dank der hohen Auflösung sogar als 8K-Filme produzieren. Weitere nette Features: Ein schwenkbarer Touchscreen, Bluetooth und WLAN, ein Akku mit sehr langer Lebensdauer, zwei Karten-Slots (SD und XQD).
Mit der D850 hat Nikon, das manche schon für halbtot erklärten, ein kräftiges Lebenszeichen gegeben.