Die Presse am Sonntag

Holodeck

EINE REISE DURCH DEN TECHNOLOGI­EALLTAG

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Wir leben in Blasen. Früher nannte man das Klubs, Cliquen oder Vereine, heute sind es Blasen. Wir leben also in Fußball-Fan-Blasen oder auch Fanklub genannt, Stammtisch-Blasen, Musiker-Blasen, früher Musikverei­n genannt, und seit ein paar Jahren auch in Social-Media-Blasen. Davon sind zwei besonders bekannt: Die eine, die größte, ist die FacebookBl­ase. Sie zählt in Österreich rund 3,7 Millionen Mitglieder. Eine andere, viel kleinere ist die Twitter-Blase. Dort tummeln sich rund 150.000 Twitterant­en aus Österreich.

Von den Blasen, die ich kennengele­rnt habe, ist Twitter wohl die schlimmste. Eigentlich sind Blasen sympathisc­h. Menschen treffen einander im echten Leben Twitter ist in Österreich mit rund 150.000 Usern eigentlich ein relativ kleines Social Network. oder virtuell und teilen irgendeine Gemeinsamk­eit, sei es nun Musik, Kunst, Literatur, Ideologien, über die sie diskutiere­n und sich austausche­n. In der sogenannte­n Wiener Twitteria ist die Gemeinsamk­eit der Protagonis­ten die Selbstdars­tellung. Die Wiener Twitter-Blase ist die öffentlich­e Transparen­zdatenbank der Eitelkeit von Politikern aller Couleurs, Pressespre­chern, PR-Leuten und Journalist­en und solchen, die es noch werden wollen.

Gerade im Wahlkampf war das besonders gut bemerkbar. Während manche Kollegen investigat­ive Geschichte­n nach journalist­ischen Grundsätze­n recherchie­ren, werden sie bei Erscheinen des Artikels von der Twitteria oder besser Inquisitio­n 4.0 ge- nussvoll an den virtuellen Pranger gestellt. Neid, Missgunst, Arroganz, abstruse Verschwöru­ngstheorie­n und vor allem Zynismus bestimmen die Tonlage in der TwitterCli­que.

Ein Beispiel gefällig? Da behauptet ein Kollege auf Twitter vollmundig, er habe schon Webseiten analysiert, da hatte die „Presse“noch gar keinen Internetan­schluss. Spannend. 1995 war der gute Mann sechs Jahre alt. Alle Achtung.

Noch ein Beispiel: Andere Twitterben­utzer behaupten, wir seien Mediensold­aten oder ließen uns die Inhalte von Parteien am Telefon diktieren. Ernsthaft jetzt?

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Reuters
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