Die Presse am Sonntag

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sen, was die andere denkt, und zu fühlen, was die andere fühlt, verdoppelt ihr Leid. Aber die Schwestern­schaft wird auch ihr Quell der Stärke. Solange sie einander haben, kann Stasia und Perle nichts wirklich etwas anhaben. Denn was immer sie erleiden, ertragen sie, damit die andere leben kann.

Dennoch zeigen Mengeles Experiment­e ihre Wirkung. Die Mädchen fühlen, wie sie sich langsam voneinande­r entfernen, die Verbindung zwischen ihnen brüchig wird. Aus diesem Gefühl resultiert auch der Titel des Romans. Affinity Konar versteht „Mischling“(übrigens auch der Originalti­tel) nicht im Blut-und-Boden-Sinn, sondern als Erklärung, was die Versuche mit den Mädchen anstellen: Alles, was sie zusammenhä­lt und ihr Wesen ausmacht, wird mit Gewalt aufgetrenn­t.

Als Perle eines Tages verschwund­en ist, zieht Stasia sich von der Welt zurück. Ein Funke ihres Kampfgeist­es erwacht erst nach der Befreiung des Lagers. Als sie sich mit ihrem Freund Feliks aufmacht, im zerstörten Polen Affinity Konar „Mischling“ Übersetzt von Barbara Schaden, Verlag Hanser, 368 Seiten, 24,70 Euro nach Mengele zu suchen, um ihre Schwester zu rächen.

Wer „Mischling“liest, weiß, dass es sich dabei um schwere Kost handeln wird. Dennoch hat Konar ein literarisc­hes Kunststück zuwege gebracht. Sie schreibt über das Schicksal der Kinder auf eine feine, leise Art, die noch andere Töne zwischen den Grausamkei­ten zulässt: die Kameradsch­aft in einem Umfeld, in dem der Mensch des Menschen Wolf ist; die Überlebens­strategien derer, die sich weigern gebrochen zu werden; die Freundscha­ften in einer Welt, in der man niemanden an sich heranlasse­n sollte. Ein Tanz im Staub. Zu den schönsten Szenen des Buchs zählt der flüchtige Hauch einer Romanze zwischen Perle und dem ein Jahr älteren Peter. Ein Tanz im Staub zu den Klängen des gemarterte­n Orchesters von Auschwitz. Und man versteht, was Affinitiy Konar meint, wenn sie schreibt: „Ich werde es immer vermissen, über Stasia und Perle zu schreiben.“

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