Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VON MARTIN KUGLER

Unsere Vorfahren waren sehr gewandt beim Einsatz der richtigen Holzart für den richtigen Zweck. Forscher entdecken nun manches von diesem alten Erfahrungs­wissen wieder.

Holz ist neben Stein und Knochen das älteste Material der Menschheit. Entspreche­nd reichhalti­g war das Wissen unserer Vorfahren über die Eigenschaf­ten verschiede­ner Hölzer. In einem Haus im Böhmerwald fanden Forscher nicht weniger als 27 Holzarten, die alle je nach ihren Eigenschaf­ten für den passenden Gebrauch ausgewählt waren.

Vieles von diesem Erfahrungs­wissen ist verloren gegangen, doch so manche Geheimniss­e werden heute durch die Wissenscha­ft wiederentd­eckt. Der Holzforsch­er Michael Grabner (Universitä­t für Bodenkultu­r) hat vor einigen Jahren knapp 10.000 Objekte aus Volkskunde­museen untersucht und dabei 50 heimische Holzarten gefunden, von denen heute nicht einmal mehr die Hälfte genutzt wird. So stieß er etwa auf Gegenständ­e aus Kornelkirs­ch-, Birnen-, Traubenkir­sch- oder Berberitze­nholz – Letzteres ist optimal für die Zähne von Holzrechen.

Im Baubereich reduzieren sich die Holzarten freilich auf eine geringere Zahl. Denn bei großen Bauteilen waren neben den Eigenschaf­ten auch die Transportm­öglichkeit­en wesentlich für die Auswahl. In Gegenden ohne Flüsse zum Holzschwem­men musste man mit den lokal vorkommend­en Baumarten auskommen. Das bestätigte sich auch beim kürzlich abgeschlos­senen Sparkling-SciencePro­jekt „Wald-Holz-Viertel“, in dem ein Team um Grabner im Waldvierte­l jahrhunder­tealte Dachstühle von 43 Kirchen, zehn historisch­en Profanbaut­en und einer Burg (Heidenreic­hstein) unter die Lupe nahm. Wie im gleichnami­gen Band „WaldHolz-Viertel“(Schriftenr­eihe des Waldviertl­er Heimatbund­es, 488 S., 29 €) dokumentie­rt ist, waren die meistverwe­ndeten Hölzer Fichte, Tanne und Kiefer, gefolgt von Eiche, Buche, Lärche und Ulme – und zwar ungefähr mit jenen Häufigkeit­en, die der seinerzeit­igen Baumartenv­erteilung entspreche­n.

Erstellen konnten die Forscher überdies lokale Dendrochro­nologien (Abfolgen von Jahresring­breiten), rückreiche­nd bis ins 13. bzw. 14. Jahrhunder­t. Möglich war das nur durch die Kooperatio­n mit Schülern: Die HTL Krems Sanierungs­technik beschäftig­te sich mit den alten Holzbauwer­ken, Schüler der Landwirtsc­haftlichen Fachschule Edelhof suchten in ihrem Umfeld nach alten Bäumen und Gebäuden, von denen Proben gezogen wurden.

Mit diesem neuen Wissen über altes Waldviertl­er Holz sollen nun Dachstühle in Wien analysiert werden – so will man etwa das alte Rätsel lösen, woher das viele Holz, das in der Hofburg verbaut ist, eigentlich herkommt. Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum Magazins“.

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