Die Presse am Sonntag

Auf den Spuren der Aubesetzer

Die Besetzung ©er HŻinãurger Au gilt Żls Geburtsstu­n©e ©er Grünen. Politik hin o©er her: Ein Besuch ©es NŻtionŻlpŻ­rks DonŻu-Auen lohnt sich Żuch im Herãst. Immerhin hŻrrten ©ie Besetzer ©ort einst sogŻr ãei MinusgrŻ©en Żus.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Nach einer guten halben Stunde Marsch durch den Wald, aus dem sich nur allmählich die Nebelschwa­den verziehen, ist man da: An der Lichtung, die sich um den Forstweg auftut und wo gerade noch ein Reh stand, umarmten einst Menschen die Bäume und versuchten, die Holzfäller­trupps am Vormarsch zu hindern. „Da war eine erste Blockade“, erzählt Christiane Mair, die als Rangerin Besucher durch den Nationalpa­rk Donauauen führt. Dennoch fiel wenige hundert Meter weiter am 10. Dezember 1984 der erste Baum, einige hundert weitere sollten folgen.

Den Flecken, der vor knapp 33 Jahren gerodet wurde – der Weg dorthin ist keine der Routen, die für Besucher auf eigene Faust ausgeschil­dert sind–, erkennt heute nur, wer ganz genau hinschaut: Die hohen Pappeln hier sind einen Deut schlanker als jene, die weiter vorn stehen. „Der weichen Au, also der Bereich mit Bäumen wie Pappeln, Weiden oder Erlen, hat das nicht viel ausgemacht“, sagt Mair. „Das ist schnell nachgewach­sen.“

Nach dem Wahldebake­l der Grünen, die nun ihre letzten Tage im Parlament verbringen, fällt immer wieder der Name Hainburg: Die Aubesetzun­g und der letztlich erfolgreic­he Widerstand gegen den Bau des Donaukraft­werks bei Stopfenreu­th gilt als Geburtsstu­nde der Grünen, auch wenn das so nicht ganz stimmt. Eher waren die Proteste, an deren vorderster Front unter anderem die grüne Galionsfig­ur Freda Meissner-Blau stand, eine zweite Geburtsstu­nde, denn grüne Parteien gab es schon vorher. Nach Hainburg fanden sie allerdings zusammen und zogen 1986 in den Nationalra­t ein. „SchŻn©e von HŻinburg“. Auf der Brücke beim Forsthaus Stopfenreu­th, das zu dieser Jahreszeit bereits geschlosse­n hat, findet sich eine Chronologi­e der Ereignisse aus dem Winter 1984. Wenige hundert Meter weiter der Hans-Dichand-Stein. Dessen „Kronenzeit­ung“hatte damals gegen das Vorgehen der Behörden in der Au gewettert („Die Schande von Hainburg“). Viel lässt sich auf der Tafel nicht entziffern: Das Plexiglas ist gesprungen, vermutlich ein Kollateral­schaden der Schlägerun­gen entlang des Schutzdamm­s.

Dieser Damm, an dem man normalerwe­ise entlangrad­eln kann, wird nach dem Hochwasser 2013, das fast über den Markierung­sstein reichte, auf dem alle Hochwasser verzeichne­t sind, verstärkt. Womit Nationalpa­rkrangerin Mair nicht ganz glücklich ist: Auf dem Damm brüten Schildkröt­en, deren Eier während der Bauarbeite­n verlegt wer- Die Aubesetzun­g im Dezember 1984. Im Jänner stoppte der Verwaltung­sgerichtsh­of das Bauprojekt Donaukraft­werk. 1996 wurde der Nationalpa­rk geschaffen. den müssen. Dort wachsen Orchideen, die nach dem Zurücksetz­en vielleicht beleidigt sind. „Aber der Hochwasser­schutz geht eben vor.“ Der ©urchsichti­ge WŻl©. Das Rascheln der Blätter, der Nebel und die feuchte Herbstluft: In dieser Jahreszeit, die auf den ersten Blick nicht die erste Wahl für einen Besuch ist, ist es fast ein bisschen mythisch im Nationalpa­rk. Es gibt aber pragmatisc­he Gründe, um sich warm und wasserfest gekleidet auf den Weg zu machen: „Der Wald wird durchsicht­ig“, sagt Mair. „Im Sommer ist das eine grüne Wand, da sieht man oft gar nicht, dass wenige Meter weiter drüben ein Altarm der Donau ist.“

Jetzt genügt ein Blick durch die nur noch spärlich mit Blättern bestückten Bäume und man entdeckt einen Graureiher, der sich aus der beinahe wasserlose­n Senke erhebt. Ein weiterer Blick, und zwei winzige blaue Eisvögel stürzen sich von einem Baumstumpf ins Wasser. „Um diese Jahreszeit entdeckt man vielleicht auch eher einen Hirsch oder eine Wildschwei­nrotte, weil man durch die Vegetation durchsieht“, sagt Mair. „Oder einen Biber: Die sind eigentlich nicht tagaktiv – aber im Herbst liegen sie ganz gern noch in der Sonne.“

Vom Lager eins, einem der insgesamt acht Camps, in denen die Aubesetzer im Dezember 1984 teils wochenlang bei bitterer Kälte in Zelten ausharrten, sieht man heute nichts mehr. Nur die Wiese, die kürzlich von Wildschwei­nen durchgeack­ert wurde und die Mair und ihre Kollegen nach dem damaligen SPÖ-Innenminis­ter Karl Blecha die „Blecha-Wiese“nennen und die eigentlich kein natürliche­r Teil der Landschaft ist. „Die Auwiesen wurden zur Kaiserzeit für die Jagd geschaffen“, sagt Mair. Die mächtige Eiche, die auf der Wiese steht, haben wohl einst die Habsburger angepflanz­t, sie ist sicher 120 Jahre alt. Bis hierher kamen die Holzfäller in jenem Winter nicht, zum Glück: Eine Eiche wächst um einiges langsamer nach als eine Pappel.

Gleich daneben kreuzt über dem Wald die Hainburger Donaubrück­e, die nach dem früheren Landeshaup­tmann Andreas-Maurer-Brücke heißt. „Ungefähr so hoch wie die Brücke wären die Staumauern für das geplante Donaukraft­werk gewesen“, sagt Mair. „18 Meter.“Auch wenn das für Besucher un- romantisch ist: Der Autolärm, der von der Brücke tönt, macht den Tieren gar nicht so viel aus wie man glauben würde. „Die gewöhnen sich rasch daran. Und genießen, dass sie hier ihre Ruhe haben: Denn dort, wo Autolärm ist, geht kaum jemand spazieren.“ Eisvogel bis SeeŻ©ler. Zum Bau dieser Mauern kam es nie. Dass am 19. Dezember 1984 rund 800 Exekutivbe­amte teilweise brutal gegen die Aubesetzer vorgingen, löste massive Proteste in der Bevölkerun­g aus. Zwei Tage später verkündet SPÖ-Bundeskanz­ler Fred Sinowatz den sogenannte­n Weihnachts­frieden und den vorläufige­n Stopp der Rodungen. Im Jänner hob der Verwaltung­sgerichtsh­of den Wasserrech­tsbescheid für den Bau des Kraftwerks auf: Das Projekt war endgültig begraben. Und knapp zwölf Jahre nach der Besetzung, fast auf den Tag genau vor 21 Jahren, wurde am 27. Oktober 1996 der Nationalpa­rk Donau-Auen gegründet. „Er ist mit Sydney weltweit einer von zwei Nationalpa­rks, die sich – hier zu 25 Prozent – auf dem Gebiet einer Millionens­tadt befinden“, sagt Mair.

Auf insgesamt 93 Quadratkil­ometern finden sich mehr als 30 verschiede­ne Säugetiere und über 100 Brutvogela­rten. Dazu kommen Fische, Reptilien, Amphibien, Insekten. Zusätzlich zu den Tieren, die das ganze Jahr hier sind, kommen jetzt auch die „Wintergäst­e“: Kormorane etwa, oder auch Seeadler, von denen im Nationalpa­rk fünf Paare fix vertreten sind. Sie kommen aus dem Norden und dem Osten. „Die Donau ist praktisch eine Autobahn für Flugvögel“, sagt Mair.

Die TŻfel ©es DichŻn©-Steins ist gesprungen: Ein jüngerer KollŻterŻl­schŻ©en. Wo Autol´rm ist, geht kŻum jemŻn© spŻzieren. Un© ©ie Tiere hŻãen ihre Ruhe.

„Nein“Żuf ©em BŻum. Auf dem Rückweg nach Stopfenreu­th, kurz vor der Brücke, erblickt man dann am Waldrand noch einen Baum: In neonorange­r Farbe hat da jemand „Nein!“hinaufgesp­rüht. Ein Überbleibs­el einstiger Proteste oder gar ein neuer Protest? Mair schüttelt den Kopf: Eher eine Markierung jener, die den Damm verstärken.

 ?? Clemens FŻãry ?? Unterwegs in der Stopfenreu­ther Au, in Richtung des Flecks, der 1984 gerodet wurde.
Clemens FŻãry Unterwegs in der Stopfenreu­ther Au, in Richtung des Flecks, der 1984 gerodet wurde.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria