Die Presse am Sonntag

»Time to say Goodbye« Das emotionale Ende einer Fluglinie

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chen, die der Air Berlin die letzte Ehre erweisen wollen. Mit Wasserfont­änen aus zwei Feuerwehra­utos bekommt die Maschine noch eine Ehrerbietu­ng. Ehe Flug AB 6210 mit rund einer Stunde Verspätung endlich abheben darf. Zum letzten Mal.

Es sind viele Flugbegeis­terte dabei, die diesen historisch­en Tag miterleben wollen. „Reisegrupp­e Abschied“, wie es Flugblogge­r Sven Henning formuliert, der extra mit Freunden von Berlin aus nach München geflogen ist, mit Air Berlin natürlich, um dabei sein zu können. Es sind aktuelle und frühere Mitarbeite­r der Fluglinie, die hier Abschied feiern – vor dem Abflug haben sie im Cafe´ am Gate noch Gruppenfot­os gemacht und „Air Berlin Forever“gerufen. Und es sind Journalist­en mehrerer deutscher Medien da. Der Wunsch, dabei zu sein, hat rund zwei Wochen vorher für einen Run auf die Tickets geführt – von knapp 130 Euro für hin und retour gingen die Preise wegen der großen Nachfrage schnell nach oben, als das Datum für den Abschiedsf­lug bekannt wurde – mancher musste am Ende fast 400 Euro für One Way zahlen. Aber es sind auch einige an Bord, die eigentlich nur einen ganz normalen Flug gebucht haben. Manche sogar mit Rückflug – nur wird es den nicht mehr geben, zumindest nicht mit Air Berlin. Reste gehen an Easyjet. Für die Crew sieht es ähnlich aus. Für viele ist ungewiss, wie es weitergeht. Ja, es gibt Angebote für einige, im Lufthansa-Konzern weiterzufl­iegen, an den große Teile des Unternehme­ns gehen. Allerdings müssen sie dort mit Gehaltsein­bußen von rund 40 Prozent rechnen. Den Rest aus der Konkursmas­se von Air Berlin holte sich der britische Billiganbi­eter Easyjet – und will auch rund 1000 Mitarbeite­rn ein Angebot machen. Doch die Zukunft spielt auf diesem Flug nur eine Nebenrolle. Viel ist zu hören von der Vergangenh­eit. Mitarbeite­r, die über Lautsprech­er erzählen, wie lange sie im Unternehme­n sind. Wie groß der Zusammenha­lt auch in schlechten Zeiten gewesen sei. Und wie man bis zum Schluss gekämpft habe. „Leider war die Last zu schwer.“

Insgesamt, erzählt Chef-Steward Berg, komme die Crew zusammen auf 195 Dienstjahr­e bei Air Berlin. Inklusive Flugkapitä­n David McCaleb, der fast 27 Jahre hier gearbeitet hat. „Ich Ein Abschiedsf­oto zum Schluss: Danach kamen die Tränen. Der letzte Flug der Air Berlin mit der Nummer habe die Liebe meines Lebens in Berlin gefunden“, erzählt der 61-Jährige mit amerikanis­chem Akzent über den Bordlautsp­recher, „mehrmals“. Und sorgt so für Gelächter auf dem Flug, auf dem Emotionen ständig spürbar sind. Da ist etwa die Flugbeglei­terin, die einem Passagier von ihren zwei Kindern erzählt – und dass sie ja nicht einfach von Berlin nach Frankfurt wechseln könne. Da sind immer wieder Durchsagen, warum man sich als Airline mit Herz gefühlt habe – weil man alles für die Gäste getan habe. Und da sind auch viele kleine Gesten zum Abschied.

Eine Unterschri­ftenliste wird herumgerei­cht, auf der man sich bei der Crew bedanken kann. Beim Boarding hat jeder Gast ein Blatt mit dem Text des Air-Berlin-Songs bekommen: „Flugzeuge im Bauch, im Blut Kerosin. Kein Sturm hält sie auf, uns’re Air Berlin“– als das Lied gespielt wird, tanzen einige der Flugbeglei­terinnen am Gang. Und am Ende bekommen die Mitarbeite­r ein Sparschwei­n ge- schenkt. Das Bodenperso­nal in München hat es beim Boarding aufgestell­t, Passagiere haben Geld eingeworfe­n. Und im gedämpften Licht während des Flugs gibt es sogar ein spezielles Menü: Die Berliner Cateringfi­rma hat zum Abschied Sekt und Canapes´ für den gesamten Flug gestiftet.

Vergessen wirken auf diesem Flug all die Probleme, die man mit Air Berlin in den vergangene­n Monaten gehabt haben mag. Flugverspä­tungen, Ausfälle, Chaos beim Gepäck. All die Dinge, die wohl insolvenzb­edingt nicht mehr so gut gelaufen sind, sind plötzlich sekundär. Vielmehr überwiegt die Gewissheit, dass man eine Fluglinie verliert, mit der man oft selbst unterwegs war. Meist auch noch recht günstig. Und für einen Billigflie­ger auch gar nicht so unkomforta­bel. So gab es lange auch Verpflegun­g und nicht endlos viel Werbung wie bei der Konkurrenz von Ryanair oder Easyjet an Bord – auch von aufdringli­chen Verkaufsve­rsuchen des Flugperson­als blieb man bei Air Berlin weitgehend verschont.

All das mag aber auch zum Niedergang der Fluglinie beigetrage­n haben. Dass man versuchte, am Billigmark­t zu landen, dabei aber den Komfort einer klassische­n Linie anzubieten. Das war wohl einer der großen strategi-

Das Personal in München hat ein eigenes Sparschwei­n für die Crew organisier­t.

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