Wer die Welt für schlecht hält, sollte einmal andere sehen
Die japanische Autoindustrie bietet bei der Tokio Motorshow einen Ausblick auf die wahrscheinlichste Zukunft unserer motorisierten Mobilität: teilweise elektrifiziert, aber doch wesentlich heterogener, als es Verfechter der totalen E-Mobilität herbeipredi
Toyota ist nicht überzeugt. Von zwei Dingen: dass das Elektroauto in einer Alleinfahrt alle Probleme des weltweiten Individualverkehrs lösen wird. Und dass es besonders wichtig wäre, die Nummer eins der Branche zu sein.
Was wiederum zwei Folgen zeitigt: Erstens, dass der Hersteller, in der Presse gern als „Gigant“tituliert, bis heute kein reines E-Auto auf den Markt gebracht hat, obwohl das einem Giganten sicherlich nicht schwerfallen würde. Zweitens, dass man nicht auf Einkaufstour geht, um mit aller Macht den Rang des weltweit größten Autoherstellers zu verteidigen.
„Wir verkaufen konstant zehn Mio. Fahrzeuge im Jahr“, erklärte ToyotaVize Didier Leroy am Rande der Tokioter Motorshow zu Beginn der Woche. „Unsere Kunden kaufen Produkte und Marken, keine Position in Rankings.“
Dies als Vorwegnahme künftiger Gefechte, wer sich nach dieser oder jener Rechenweise als Nummer eins der Autowelt erachtet – aktuell Carlos Ghosn, dessen Renault-Nissan-Allianz nun auch bei „Partner“Mitsubishi das Sagen hat. Strompionier. Spannung ist allerdings schon lang im Spiel. So fehlte auf Toyotas Messebühne nicht der Hinweis, dass man mit elf Millionen weitaus mehr elektrifizierte Fahrzeuge auf der Straße hat als jeder andere Hersteller – dies in Form der Hybridflotte rund um den Pionier Prius.
In punktuellen Feldversuchen – in Europa in Grenoble – hat man durchaus Elektrovehikel im Laufen, ulkige Dreiräder, die für einen möglichen Carsharing-Einsatz aktuell erprobt werden. Eine Weiterführung des Konzepts – mehr Auto, weniger Motorrad, das Chassis nicht mehr schwenkbar – führt mittlerweile eine kleine Fahrzeugfamilie an, die bis zum elektrischen Rollator reicht. Definitiv, so heißt es von Toyota, wird ein Dreirad kommen – bloß wann, wurde nicht verraten.
Ohne Zweifel wird es auch ein normales Elektroauto von Toyota geben, dazu abermals Didier Leroy: „Es wird kommen, und Sie werden es sehen, wenn es so weit ist. Im Gegensatz zu anderen enthüllen wir ein Produkt erst, wenn es fertig ist und Kunden es kaufen können.“
Vom kalifornischen Elektrowunderkind zeigte sich Leroy einstweilen wenig beeindruckt: „Wir streben profitables Wachstum an. Mit jedem verkauften Auto 10.000 Dollar zu verlieren, so wie Tesla das tut, ist für uns kein nachhaltiges Geschäftsmodell.“
Keine übertrieben Eile auf diesem Feld also, denn anders als der Dieselmotor hat die Hybridtechnologie ihre Versprechungen sichtbar eingelöst: höchste Kraftstoffeffizienz ohne jegliche Schadstoffproblematik. Wenn manche Länder nun offenbar dazu übergehen, im Zuge der allgemeinen Dieselernüchterung das Kind mit dem Bade auszuschütten und Verbrennungsmotoren in Bausch und Bogen zu verdammen, für diesen Fall wird man auch E-Autos parat haben.
Trotz einer groß angelegten Kooperation mit Mazda auf dem Gebiet unterhält Toyota ein eigenes Feststoffbatterieprojekt im Haus, an dem 200 Ingenieure arbeiten. Bis Anfang des nächsten Jahrzehnts will man produktionsreife Batterien haben, die den heutigen Lithium-Ionen-Akkus bei gleicher technologischer Basis, also Rohstoffen, weitaus überlegen sind. Feststoffbatterien haben eine höhere Energiedichte und können bei höheren Temperaturen arbeiten, womit die aufwendige, platzraubende und gewichtstreibende Kühlung entfällt.
Für die Langstrecke sieht Toyota die Zukunft ohnehin in der Brennstoffzelle, Stichwort: Alternativwirtschaft Wasserstoff. Messekönig. Entschieden näher an der Jetztzeit bleibt Honda mit dem wohl höchsten Funfaktor der Messe: Nach dem Frankfurter Sensationserfolg eines kompakten, innen sehr geräumigen, mit Witz und Herzblut gezeichneten Stromautos (Urban EV), das 2019 als erstes in Europa an den Start gehen wird, hat man in Tokio ein elektrisches Sportwagenkonzept auf gleicher Basis (mit niedrigerer Sitzposition) nachge- legt. Es dürfte auch diesmal als gefühlter Messekönig hervorgehen, auch wenn Honda fast alle technischen Details noch schuldig bleibt.
Bis 2030 will der größte Motorenhersteller der Welt zwei Drittel seiner Neuwagen elektrifizieren, mit erklärtem Fokus auf Plug-in-Hybride. Als solcher wird der Honda Clarity (neben rein elektrischer und Wasserstoffvariante) 2018 zunächst in den USA und
Mit elf Millionen hat Toyota die meisten elektrifizierten Autos auf der Straße. Platz wird Autos in Japans Städten längst nicht mehr so großzügig eingeräumt.
Japan an den Start gehen. Autonomes Fahren ist überall im Programm; mit einem Motorrad, das nicht kippen kann, trägt Honda auf zwei Rädern sein Teil zur großen Automatisierung bei.
Bei Yamaha hat man gleich einen ganzen Roboter aufs Motorrad gesetzt, der es selbsttätig um die Rennstrecke treiben kann. Als Maschine kann er sich wenigstens nicht grämen, dass er Valentino Rossi dabei unterlag – noch.