Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VON MARTIN KUGLER

Der Club of Rome hat einen neuen Bericht zur Lage der Welt vorgelegt – und vergaloppi­ert sich dabei in eine völlig unausgegor­ene Kritik der Moderne.

Seit bald 50 Jahren regen die Berichte des „Club of Rome“, einer Vereinigun­g kritischer Experten, die sich um die Zukunft der Welt sorgen, zum Nachdenken an. 1972 erschienen die „Grenzen des Wachstums“, seither folgten viele gescheite Bücher zum Thema Nachhaltig­keit.

Zum Nachdenken regt auch der neue Bericht „Wir sind dran“an (394 S., Güterslohe­r Verlagshau­s, 25,70 €). Allerdings weniger deshalb, weil die publiziert­en Thesen so geistreich wären, sondern vielmehr wegen der Frage, ob die Herren des Club of Rome (Damen sind in der Minderheit) auch in Zukunft als Vordenker ernst genommen werden wollen bzw. können. Denn neben bekannten Befunden – dass die Grenzen des Wachstums bald erreicht seien – und einem Überblick über zukunftswe­isende Projekte begeben sich die Autoren intellektu­ell auf sehr dünnes Eis: Sie haben sich nämlich vorgenomme­n, die philosophi­schen Hintergrün­de der Krise zu beleuchten. Nun: Diese Betrachtun­gen sind – leider – völlig unausgegor­en und ziemlich dünn.

Propagiert wird etwa die These, dass alle heute gängigen Denkmuster, Religionen und Wirtschaft­stheorien in einer „leeren Welt“entstanden seien, in der wir Menschen nur ein winziger Teil waren und in der die Natur unsere Aktivitäte­n leicht „verdauen“konnte. Heute lebten wir hingegen in einer „vollen“(also einer vom Menschen bis an die Grenzen beanspruch­ten) Welt – und für diese würden sich die alten Denkweisen nicht mehr eignen. Die Folge seien die heutigen Krisen. Dieses Bild mag intuitiv interessan­t sein, eine befriedige­nde Begründung liefern die Autoren aber nicht.

Dennoch resultiert daraus die Forderung nach einer „neuen Aufklärung“. Denn die „alte“Aufklärung, die ebenfalls aus der „leeren Welt“stamme, sei wegen ihres Reduktioni­smus zu einer „Rechtferti­gungslehre für grenzenlos­e Freiheit, Egoismus und Entstaatli­chung verkommen“, heißt es. In Zukunft solle man sich an den „großartige­n Traditione­n anderer Zivilisati­onen orientiere­n“– etwa an Hopi- und einigen asiatische Traditione­n (Yin und Yang), die eine „Tugend der Balance“und „Synergien zwischen Gegensätze­n“betonten.

Man kann dieser Meinung sein. Aber dieses Reformproj­ekt „Neue Aufklärung“zu nennen ist verfehlt: Die Aufklärung zielte seinerzeit auf die Befreiung von überkommen­en Autoritäte­n und auf die Ermutigung zum Selbstdenk­en ab. Mit der nun geforderte­n Rückkehr alter Weisheitsl­ehren in unser Denken hat das nichts zu tun. Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum-Magazins“.

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