Geschichten aus der Stadthalle
Leo-Günther Huemer, langjähriger Turnierdirektor des Wiener Tennisevents, erzählt von den Anfängen am Vogelweidplatz, Heurigenbesuchen mit Stars und so manchem großen Coup.
Wenn heute Nachmittag (14 Uhr, live in ORF eins, Sky) das Finale der Erste Bank Open in Szene geht, dann wird natürlich auch Leo-Günther Huemer wieder auf den Tribünen der Wiener Stadthalle Platz nehmen. Der 82-Jährige ist eine Institution am Vogelweidplatz und einer der Geburtshelfer der größten jährlichen Sportveranstaltung Österreichs. 1974 hatte Huemer das Turnier gemeinsam mit Sportjournalist Hermann Fuchs aus der Taufe gehoben. Offizielles Preisgeld gab es bei der Premiere noch keines, 43 Jahre später beträgt es 2,035 Millionen Euro. Eine Eintrittskarte gab es um 25 Schilling, zu sehen bekamen die Zuschauer in der Stadthalle unter anderem Hans Kary, Ion T¸iriac oder den späteren Sieger Vitas Gerulaitis.
Das Turnier war zunächst kein Erfolg. Huemer erinnert sich: „Der damalige Geschäftsführer der Stadthalle hat zu mir gesagt, ich soll meine Hobbys woanders ausleben.“Doch der gebürtige Linzer hatte Gefallen an der Ausrichtung eines Tennisturniers gefunden, und es nahm mehr und mehr Gestalt an. Schon bald gaben sich die Stars in Wien ein Stelldichein, mit Stan Smith, Rekordchampion Brian Gottfried (vier Titel) oder Frew McMillan verbindet Huemer heute noch eine enge Freundschaft. „Damals bist du nach den Matches mit den Spielern noch zum Heurigen gegangen, hast eine persönliche Bindung aufgebaut. Das ist ja heute undenkbar.“ Stichs Versprechen. Kontakte zu pflegen hatte sich schon vor Jahrzehnten bezahlt gemacht. Als Michael Stich 1991 in Wimbledon seinen ersten und einzigen Grand-Slam-Titel gewann, waren Beobachter fest davon überzeugt, dass der Deutsche den ursprünglichen Deal mit Huemer über 50.000 Dollar platzen lassen und einen weiten Bogen um Wien machen würde. Doch es kam ganz anders. „Michael Stich hat mich angerufen und gesagt: ,Leo, mach dir keine Sorgen. Ich komme nach Wien.‘“Für 50.000 Dollar.
Finanziell in neue Sphären drang man bei der Verpflichtung von Novak Djokovic´ im Jahr 2007 vor. Der damals 20-jährige Serbe verlangte 350.000 Dollar Antrittsprämie – und bekam sie. Eine Win-win-Situation, wie sich im Turnierverlauf herausstellen sollte. Huemer: „Djokovic´ hat sich weitestgehend selbst finanziert, weil bei Halbfinale und Finale knapp 7000 Serben in der Halle waren. Sie sind komplett aufgesprungen.“
Dass Huemer als Turnierdirektor ein gutes Gespür für künftige Stars der Szene hatte, zeigte sich nicht erst bei Djokovic.´ Als er einen recht talentierten Schweizer namens Roger Federer 1999, ein Jahr nach dessen Wimbledon-Triumph bei den Junioren, mit einer Wildcard für den Hauptbewerb ausstattete, wurde er von seinem Berater Hermann Fuchs für diese Entscheidung „von hinten bis vorn be- schimpft“. Federer erreichte das Halbfinale, 2002 und 2003 gewann er in Wien. Heute ist Federer der erfolgreichste Tennisspieler aller Zeiten.
Das einprägsamste Spiel in 43 Jahren Stadthallenturnier war aber das Finale 1997 zwischen Greg Rusedski und Goran Ivaniseviˇc.´ „Das war kein Tennisspiel, das war Krieg. Es gab Mätzchen ohne Ende auf beiden Seiten. Am Ende hat Goran gewonnen, und der Engländer ist weinend aus der Halle geschlichen.“Ivan Lendl, Boris Becker, Pete Sampras, Ivaniseviˇc,´ Federer – sie alle haben in der Stadthalle aufgeschlagen und gewonnen, der Blick auf die Siegerliste erfüllt Huemer, der 2008 von Herwig Straka als Turnierdirektor abgelöst wurde, mit Stolz. Bloß ein Name fehlt ihm in dieser illustren Reihe: Björn Borg. „Aber zeitgleich mit Wien wurde stets auch in Stockholm gespielt. Wir waren chancenlos.“