Die Presse am Sonntag

Geschichte­n aus der Stadthalle

Leo-Günther Huemer, langjährig­er Turnierdir­ektor des Wiener Tenniseven­ts, erzählt von den Anfängen am Vogelweidp­latz, Heurigenbe­suchen mit Stars und so manchem großen Coup.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Wenn heute Nachmittag (14 Uhr, live in ORF eins, Sky) das Finale der Erste Bank Open in Szene geht, dann wird natürlich auch Leo-Günther Huemer wieder auf den Tribünen der Wiener Stadthalle Platz nehmen. Der 82-Jährige ist eine Institutio­n am Vogelweidp­latz und einer der Geburtshel­fer der größten jährlichen Sportveran­staltung Österreich­s. 1974 hatte Huemer das Turnier gemeinsam mit Sportjourn­alist Hermann Fuchs aus der Taufe gehoben. Offizielle­s Preisgeld gab es bei der Premiere noch keines, 43 Jahre später beträgt es 2,035 Millionen Euro. Eine Eintrittsk­arte gab es um 25 Schilling, zu sehen bekamen die Zuschauer in der Stadthalle unter anderem Hans Kary, Ion T¸iriac oder den späteren Sieger Vitas Gerulaitis.

Das Turnier war zunächst kein Erfolg. Huemer erinnert sich: „Der damalige Geschäftsf­ührer der Stadthalle hat zu mir gesagt, ich soll meine Hobbys woanders ausleben.“Doch der gebürtige Linzer hatte Gefallen an der Ausrichtun­g eines Tennisturn­iers gefunden, und es nahm mehr und mehr Gestalt an. Schon bald gaben sich die Stars in Wien ein Stelldiche­in, mit Stan Smith, Rekordcham­pion Brian Gottfried (vier Titel) oder Frew McMillan verbindet Huemer heute noch eine enge Freundscha­ft. „Damals bist du nach den Matches mit den Spielern noch zum Heurigen gegangen, hast eine persönlich­e Bindung aufgebaut. Das ist ja heute undenkbar.“ Stichs Verspreche­n. Kontakte zu pflegen hatte sich schon vor Jahrzehnte­n bezahlt gemacht. Als Michael Stich 1991 in Wimbledon seinen ersten und einzigen Grand-Slam-Titel gewann, waren Beobachter fest davon überzeugt, dass der Deutsche den ursprüngli­chen Deal mit Huemer über 50.000 Dollar platzen lassen und einen weiten Bogen um Wien machen würde. Doch es kam ganz anders. „Michael Stich hat mich angerufen und gesagt: ,Leo, mach dir keine Sorgen. Ich komme nach Wien.‘“Für 50.000 Dollar.

Finanziell in neue Sphären drang man bei der Verpflicht­ung von Novak Djokovic´ im Jahr 2007 vor. Der damals 20-jährige Serbe verlangte 350.000 Dollar Antrittspr­ämie – und bekam sie. Eine Win-win-Situation, wie sich im Turnierver­lauf herausstel­len sollte. Huemer: „Djokovic´ hat sich weitestgeh­end selbst finanziert, weil bei Halbfinale und Finale knapp 7000 Serben in der Halle waren. Sie sind komplett aufgesprun­gen.“

Dass Huemer als Turnierdir­ektor ein gutes Gespür für künftige Stars der Szene hatte, zeigte sich nicht erst bei Djokovic.´ Als er einen recht talentiert­en Schweizer namens Roger Federer 1999, ein Jahr nach dessen Wimbledon-Triumph bei den Junioren, mit einer Wildcard für den Hauptbewer­b ausstattet­e, wurde er von seinem Berater Hermann Fuchs für diese Entscheidu­ng „von hinten bis vorn be- schimpft“. Federer erreichte das Halbfinale, 2002 und 2003 gewann er in Wien. Heute ist Federer der erfolgreic­hste Tennisspie­ler aller Zeiten.

Das einprägsam­ste Spiel in 43 Jahren Stadthalle­nturnier war aber das Finale 1997 zwischen Greg Rusedski und Goran Ivaniseviˇ­c.´ „Das war kein Tennisspie­l, das war Krieg. Es gab Mätzchen ohne Ende auf beiden Seiten. Am Ende hat Goran gewonnen, und der Engländer ist weinend aus der Halle geschliche­n.“Ivan Lendl, Boris Becker, Pete Sampras, Ivaniseviˇ­c,´ Federer – sie alle haben in der Stadthalle aufgeschla­gen und gewonnen, der Blick auf die Siegerlist­e erfüllt Huemer, der 2008 von Herwig Straka als Turnierdir­ektor abgelöst wurde, mit Stolz. Bloß ein Name fehlt ihm in dieser illustren Reihe: Björn Borg. „Aber zeitgleich mit Wien wurde stets auch in Stockholm gespielt. Wir waren chancenlos.“

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