World Series, der Griff nach den Sternen
Die Los Angeles Dodgers und die Houston Astros kämpfen um den Titel der Major League Baseball. Die Astros spielen in der Tradition großer US-Sportteams für ihre von einer Tragödie gebeutelte Stadt, für die Dodgers aber wirft der Superstar.
Bei der Verarbeitung von Tragödien nehmen Sportteams in den USA seit jeher eine wichtige Rolle ein. Vereint stellen sich Amerikaner in Zeiten von Bestürzung und Trauer hinter die Klubs ihrer Stadt, sie finden Trost in einer Mannschaft, die vereint für eine Sache kämpft und am Ende vielleicht auch dafür belohnt wird. Nach dem 11. September waren es die Baseballer der New York Yankees, sie scheiterten zwei Monate später denkbar knapp in der World Series, der Finalserie der amerikanischen Profi-Liga MLB, an Arizona. 2005 waren es die Footballer der New Orleans Saints, ihr erstes Saisonspiel nach Hurrikan Katrina endete mit einem emotionalen Sieg gegen Carolina. Vor wenigen Wochen waren es die erst im Juni gegründeten Vegas Golden Knights, die nach dem Massaker am Las Vegas Strip am 1. Oktober den erfolgreichsten Saisonstart eines Expansionsteams in der Eishockeyliga NHL hingelegt haben.
Nun leisten die Baseballer der Houston Astros Trauerarbeit. Noch immer leidet die texanische Millionenstadt unter den Nachwirkungen von Hurrikan Harvey Ende August, mitten im Wiederaufbau sind die Astros in die World Series eingezogen und kämpfen in einer Best-of-seven-Serie um den Titel. Es wäre der erste in der Vereinsgeschichte, die bis ins Jahr 1962 zurückreicht. „Harvey kam nach Houston, und Houston gewann; die New York Yankees kamen nach Houston, und Houston gewann!“, erklärte Bürgermeister Sylvester Turner nach dem Finaleinzug gegen das mit Abstand erfolgreichste Team in der MLB-Historie. Passend dazu die Geschichte von Astros-Schlagmann Jose´ Altuve: Mit seinen 1,68 m einst als zu klein befunden, kämpfte er sich über die Winterliga in Venezuela zurück auf die große Baseballbühne und wird nun mit 27 Jahren als der vielleicht kompletteste Spieler gehandelt. Magic Johnsons Superstar. Houstons Gegner in der World Series sind die Los Angeles Dodgers, das Team von Earvin „Magic“Johnson. Die Basketballlegende (LA Lakers) hat 2012 mit einer Investorengruppe die Dodgers übernommen, Kaufpreis: zwei Milliarden Dollar. „Als wir uns zusammengetan haben, war unser Ziel die World Series, und die Leute haben nicht verstanden, warum wir dieses Geld ausgegeben haben“, sagt der 58-Jährige heute. Mit einem Etat von mehr als 260 Millionen Dollar für den 25-Mann-Kader stellen die Kalifornier das teuerste Team der Liga, standesgemäß dominierten sie mit dem Liga-Bestwert von 104 Siegen (bei 58 Niederlagen) bereits den Marathon-Grunddurchgang (162 Spiele). Houston, Spieleretat immerhin 204 Millionen Dollar, gelangen beachtliche 101 Siege (bei 61 Niederlagen); es ist das erste Mal seit 1970, dass sich zwei Teams mit mehr als 100 Saisonsiegen in der Finalserie gegenüberstehen.
Die Erwartungen sind auf beiden Seiten entsprechend hoch. Schließlich warten auch die Dodgers seit einer Ewigkeit auf einen Titel. 1883 im New Yorker Stadtteil Brooklyn gegründet – dort fuhren offenbar so viele Trams herum, so dass die Bewohner ständig ausweichen mussten (to dodge) – ist die Franchise 1958 nach Kalifornien übersiedelt, 1988 wurde zuletzt die World Series gewonnen. Das ist zugleich das Geburtsjahr von Star-Pitcher Clayton Kershaw, für viele in Los Angeles eine schicksalhafte Fügung. Der 29-Jährige hat 2014 bei den Dodgers einen Siebenjahresvertrag unterschrieben, der ihm 215 Millionen US-Dollar garantiert, sein durchschnittliches Jahresgehalt von 30,7 Millionen ist das höchste der MLB-Geschichte.
Kershaw ist eine Ikone in der Stadt, nie hat er für einen anderen Klub gespielt, bei seinem MLB-Debüt 2008 war er mit 20 Jahren jüngster Pitcher der Geschichte. Nun muss der Linkshänder in seiner ersten Finalserie beweisen, dass er sein Geld wert ist. Kershaw kommt eine entscheidende Rolle zu, dreht sich Baseball doch im Kern um das Duell Pitcher (Werfer) gegen Batter (Schlagmann). Kurze Regelkunde: Der Pitcher will den Ball aus gut 18 Metern am Batter vorbei zu seinem Catcher (Fänger) werfen. Gelingt das dreimal, ohne dass der Batter trifft, ist der Strikeout perfekt. Kershaw erzielte dank seiner überragenden Wurftechnik 202 Strikeouts in der Regular Season. Tempo (im Schnitt knapp 150 km/h) variiert er dabei ebenso wie Flugbahn und Rotation. „Ich bin so froh, dass er Clayton Kershaw endlich in der World Series pitchen kann“, jubelte Magic Johnson.
Während die Finalserie ihren Lauf nimmt, freuen sich US-Medien über ein weiteres Detail am Rande: Tatsäch- lich war es Kershaws Großonkel Clyde Tombaugh, ein mittlerweile verstorbener Astronom, der 1930 den Zwergplaneten Pluto entdeckt hat. Und nun trifft der Superstar auch noch auf die Houston Astros, benannt nach dem USRaumfahrtprogramm. Sollten es am Ende aber die Astros sein, die in der World Series zu den Sternen greifen, wäre das mehr als nur ein Hoffnungsfunke für die gebeutelte texanische Metropole. Die World Series zwischen den Los Angeles Dodgers und Houston Astros ist die 113. der Geschichte.
Millionen
TVZuschauer sahen im Schnitt die Partien der World Series 2016.
Der 215-Millionen-Dollar-Mann muss nun beweisen, dass er sein Geld tatsächlich wert ist.
Millionen
US-Dollar zahlte Magic Johnson für seinen Anteil an den Dodgers.
Milliarden
US-Dollar zahlt das FernsehNetwork Fox für die Übertragungsrechte der Major League Baseball (MLB) von 2012 bis 2021.