Zu Allerseelen: Eine Klagemauer auf
Nach dem Vorbild in Jerusalem entsteht in Wien eine temporäre Klagemauer. Sie ist Teil des Trauerraums in der Schottenkirche, der um Allerheiligen öffnet. Das Team der »Gesprächsinsel«, einer Art »Telefonseelsorge ohne Telefon«, erweitert damit das Angebo
Trauer, sagt Angela Simek-Hall, ist eines der Gefühle, die man am allerwenigsten haben will, und doch muss sie jeder ertragen. Beziehungsweise, man trägt sie ohnehin stets mit sich. Die Trauer über das, was man nicht mehr machen kann, über große Pläne und Träume, die man nicht mehr umsetzen wird, über zerbrochene Beziehungen, Vergangenes und, über allem, natürlich die Trauer, wenn nahestehende Menschen sterben. „Es ist ein Gefühl, das wir ungern haben, das manchmal ganz unerträglich ist, aber man muss Trauer Raum geben. Wenn man das nicht macht, dann geht sie unterirdisch und bleibt viel länger. Es dauert dann lang, bis man wieder ins Leben einsteigen kann.“
Im Wiener Schottenstift entsteht nun so ein Raum für Trauer – zumindest temporär. In der Romanischen Kapelle finden Trauernde seit dem Nationalfeiertag und noch bis Allerseelen (täglich von zehn bis 17 Uhr) hier einen Raum, mit Begleitung durch Seelsorger, mit Stationen und Symbolen eines Trauerweges. Zum Beispiel einer Klagemauer, einer aus Ziegeln aufgestellten Wand, geschmückt mit Kerzen, in die man, nach dem Vorbild in Jerusalem, beschriebene Zettel stecken kann. „Man kann hier anonyme Klagen, den Schrei gegen Gott anbringen“, sagt Simek-Hall, oder, was auch immer einem am Herzen liegt, denn lesen werde die Zettel niemand.
Nebenan liegt ein Buch, in das man Fürbitten schreiben kann, die dann bei einer abschließenden Feier an Allerseelen verlesen werden.
Es gibt auch eine Station im Raum, ein Schale mit Wasser, in die man Blumen legen kann, als Symbol für Dank, wie Simek-Hall sagt. Oder ein Kreuz, das von Besuchern aus Glasscherben aufgelegt wird, ein Symbol für Auferstehung, „im diesseitigen Sinn: Aus etwas Gebrochenem entsteht etwas Neues, Ganzes und Schönes.“Oder einen Baum mit Texten zum Pflücken, die man sich dann mitnehmen kann. Ein Ort für Krisen aller Art. „Trauern braucht Raum, damit sich Trauernde nicht in die Einsamkeit flüchten müssen. Viele würden gern über Verlust und Trauer sprechen, stoßen aber bei ihren Mitmenschen auf Mitleid, Unverständnis oder Floskeln und plumpe Aufmunterung“, sagt Simek-Hall. Sie hat nicht nur um Allerheiligen, sondern das ganze Jahr im Schottenstift (unter anderem) mit Trauernden zu tun.
Simek-Hall leitet die Gesprächsinsel, eine Kooperation der Erzdiözese Wien und der katholischen Orden, die das ganze Jahr über (täglich von elf bis 17 Uhr) für Gespräche zur Verfügung steht. An diese Gesprächsinsel ist der Trauerraum räumlich wie organisatorisch angeschlossen. „Wir sind so eine
»Viele würden gern über Trauer reden, stoßen aber auf Mitleid oder plumpe Floskeln.«