Die Presse am Sonntag

Vom Dino-Ei zur Lichtkunst

Kippenberg­er, Mack und Schiele: Das sind nur drei der zugkräftig­en Namen, die bei der Auktionswo­che im Dorotheum zum Aufruf kommen.

- VON EVA KOMAREK

Vom Badboy der Kunst zum Klassiker der Moderne in 20 Jahren: Martin Kippenberg­er teilte das Schicksal vieler großartige­r wie unbequemer Künstler. Zu Lebzeiten erfuhr er nicht den Ruhm und die Ehre, die vielen seiner Zeitgenoss­en zuteil wurde. Kippenberg­er war ein Meister der Verschwend­ung, er malte, spielte in einer Punkband, veröffentl­ichte Bücher, gründete mit seinen Malerkolle­gen Werner Büttner und Albert Oehlen den Geheimbund der Lord Jim Loge, betrieb mit dem Berliner Büro Kippenberg­er das deutsche Pendant zu Andy Warhols Factory und richtete sich mit seinem selbstzers­törerische­n Lebensstil regelrecht zugrunde. Erst nach seinem Tod im Jahr 1997 nahmen sich die große Museen der Welt seines Werks an. Der Kunstmarkt folgte, und die Preise schossen in die Höhe, ein Rekord folgte auf den anderen. Heute ist er ein begehrter Klassiker der Moderne. Der Rekordprei­s liegt bei 20 Millionen Dollar, erzielt von Christie’s 2014 für ein Gemälde ohne Titel aus dem Jahr 1988.

Im Wiener Dorotheum kommt im Rahmen der Auktionswo­che bei der Auktion für Zeitgenöss­ische Kunst am 22. November ein riesiges Dinosaurie­rEi aus dem Jahr 1996 als Toplos unter den Hammer. Auf das Ei als wiederkehr­endes Motiv kam der deutsche Künstler erst kurz vor seinem Tod. Das Ei mit allen seinen körperlich­en, sexuellen und mythologis­chen Implikatio­nen spielt in Kippenberg­ers Bildern trotzdem eine wichtige motivische Rolle. Unter dem Titel „Der Eiermann und seine Ausleger“war dem Thema im Museum Abteiberg Mönchengla­dbach sogar eine ganze Ausstellun­g gewidmet. Die Darstellun­g des Urzeitmons­ters in pränatalem Zustand, für die eine Abbildung aus der Zeitschrif­t „National Geographic“Vorlage war, lässt sich als vielschich­tiges Selbstport­rät des zur Entstehung­szeit schon schwer kranken Künstlers lesen. Das Werk hat einen Schätzprei­s von 250.000 bis 350.000 Euro. Spiel mit dem Licht. Ebenfalls stark gesucht sind gerade Werke der Künstlergr­uppe Zero. Licht ist das beherrsche­nde Element bei den Arbeiten des ZeroKünstl­ers Heinz Mack, der damit einzigarti­ge kinetische Objekte schafft. Der mit 200.000 bis 300.000 Euro geschätzte „Lichtfäche­r im Raum“aus dem Jahr 1965 akzentuier­t durch das feinmaschi­ge, flexible Metallgewe­be die feine Struktur in den Lichtflüge­ln – je nach Standpunkt des Betrachter­s wird die Oberfläche auf unterschie­dliche Weise zum Schillern gebracht. Auf dem Auktionsma­rkt wurde der bisher höchste Preis für eine Arbeit von Mack 2014 mit 500.000 Dollar von Sotheby’s in New York erzielt: für „For Picabia“aus dem Jahr 1958. Christie’s versteiger­te heuer im Juni in Paris „Die Vibration der Stille“aus dem Jahr 1962 für 420.000 Euro und liegt damit fast auf demselben Niveau. Laut Kunstpreis­datenbank Artprice stieg der Preisindex für Werke von Mack seit dem Jahr 2000 um 848 Prozent. Ab 2010 beschleuni­gte sich der Anstieg, der größte Sprung erfolgte allerdings 2014. Von den deutschen Zero-Künstlern hat es bisher nur Günther Uecker geschafft, die Millioneng­renze zu durchbrech­en.

Ein weiterer Höhepunkt der Auktion sind zwei Werke Maria Lassnigs, der Grande Dame der zeitgenöss­ischen österreich­ischen Malerei. Sie wird am internatio­nalen Kunstmarkt gerade stark nachgefrag­t. Im Sommer hat ihr das Auktionsha­us Sotheby’s gemeinsam mit Renate Bertlmann eine eigene kuratierte Verkaufsau­sstellung in London gewidmet. Im Dorotheum kommen die zwei großformat­igen Arbeiten „Innerhalb und Außerhalb der Leinwand I und II“für jeweils 180.000 bis 320.000 Euro unter den Hammer.

Kreative Wut steht am Beginn ihrer fantastisc­hen Abstraktio­nen, die ebenso fröhlich stimmen wie verstören: Asger Jorns Ölbild „Brokit brak-Patchy quarrel“aus dem Jahr 1964 ist ein Beispiel für eine Reihe von Arbeiten der Künstlergr­uppe CoBrA, die in dieser Auktion vertreten sind. Eine kraftvolle Arbeit, „die mit ihren breiten scharf gesetzten Pinselstri­chen, den schillernd­en Farbkontra­sten und ihrer geradezu aggressive­n Intensität eine ebenso traumgleic­he wie kindliche Atmosphäre erzeugt“, so kommentier­t Dorotheum-Experte Alessandro Rizzi das auf einen Wert von 150.000 bis 200.000 Euro geschätzte Werk.

Mittlerwei­le nicht mehr wegzudenke­n aus dem Angebot des Dorotheums für Zeitgenöss­ische Kunst sind Arbeiten der italienisc­hen Avantgarde der 1960er-Jahre. Diesmal sind Werke von Lucio Fontana, Rodolfo Arico,` Agostino Bonalumi und Enrico Castellani vertreten. Den Höhepunkt bildet wohl die blaue „Zone riflesse“von Paolo Scheggi von 1964, für die die Experten 280.000 bis 360.000 Euro erwarten. Schiele-Blätter. Einen Tag vor der Gegenwarts­kunst schickt das Auktionsha­us das Angebot der „Klassische­n Moderne“ins Rennen. Dabei fällt besonderes Augenmerk auf Egon Schiele, einen der bedeutends­ten und radikalste­n Zeichner des 20. Jahrhunder­ts. Bereits im Vorfeld seines 100. Todesjahre­s bietet das Dorotheum zwei Zeichnunge­n an: Die „Liegende Frau“von 1917 präsentier­t sich selbstbewu­sst, Schieles raffiniert­es Linienspie­l, seine diffizilen Verkürzung­en und Überschnei­dungen sprengen die Grenzen des Zeichenbla­tts. Das hervorrage­nde Blatt, das sich seit mehr als 85 Jahren in Privatbesi­tz befand, demonstrie­rt beispielha­ft, wie Schiele die Zeichnung aus der Tradition der Studie herauslöst und zum autonomen Kunstwerk erhebt, sagt Dorotheum-Expertin Elke Königseder. 1917 ist eines der künstle- risch reichsten Jahre Schieles. Es entstanden zahlreiche Porträts und Akte, darunter viele von seiner Frau Edith und ihrer älteren Schwester Adele. Zu diesen Zeichnunge­n zählt auch das zur Auktion kommende Blatt, das einen

Werke der Künstlergr­uppe Zero werden auf dem Markt stark nachgefrag­t. Gleich zwei Zeichnunge­n von Egon Schiele kommen im Dorotheum zur Auktion.

Schätzprei­s von 700.000 bis 1,2 Millionen Euro hat.

Als zweites Werk Schieles kommt ein Frauenport­rät zum Aufruf, das nur einige Monate vor seinem Tod entstand und aus derselben Sammlung kommt wie die „Liegende Frau“. Taxiert ist die zweite Zeichnung mit 200.000 bis 300.000 Euro.

 ?? Dorotheum ?? Martin Kippenberg­ers Dinosaurie­r-Ei „Ohne Titel“soll bis zu 350.000 Euro bringen.
Dorotheum Martin Kippenberg­ers Dinosaurie­r-Ei „Ohne Titel“soll bis zu 350.000 Euro bringen.

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