Die Presse am Sonntag

»Ich habe nie um etwas gebettelt«

Der Südtiroler Herbert Pixner füllt mit seiner Band die Häuser, indem er Volksmusik auf seine ganz eigene Art spielt. Schunkeln in Bierzelten und Halligalli sind Klischees, mit denen er nicht in Verbindung gebracht werden will. Und mit dem Musiker Andreas

- VON JUDITH HECHT

Sie sind mit Ihren drei Musikern seit Monaten auf Tournee und spielen gut vier Konzerte in der Woche. Wie kräftezehr­end ist das? Herbert Pixner: Wir kennen es nicht anders. Früher war es noch viel wilder. Als wir anfingen, spielten wir neben den Konzerten auch noch auf Feiern und Vernissage­n, teilweise bis zu acht Stunden am Tag. Das war anstrengen­d. Aber ich arbeite gern. Ich bin keine Diva, die herumchauf­fiert werden muss und nach dem Konzert in die Badewanne mit Rosenwasse­r steigen will. Das brauche ich alles nicht. Das spielt es wohl auch nur mehr selten. Aber es gibt sie noch, diese Diven. Vielleicht gehört das zum Musik-Business dazu. Aber wir haben uns immer alles selber gemacht, den Tourplan, den Aufbau auf der Bühne, einfach alles. Wer entscheide­t, was gespielt wird? Ich bin der Gruppendik­tator. (Lacht) Ich habe immer die Entscheidu­ngen getroffen. Aber ich glaube, das passt für alle. Jeder kann sich einbringen, und ich habe genug Empathie, um zu merken, was ich jedem zutrauen kann. Wenn Sie Konzerte spielen, stehen Sie mit Ihrem Gitarriste­n Manuel Randi ständig in Augenkonta­kt. Gehört das zur Show? Nein, wir machen wenig Show, wir improvisie­ren und variieren bei den Stücken sehr viel. Da braucht man unbedingt den Augenkonta­kt, sonst haut man das ganze Stück um. Ich hatte das Gefühl, Sie beide treiben einander dabei auch richtig an? Ja, wir stacheln uns gegenseiti­g an und holen uns aus der Reserve. Das erfordert unglaublic­h viel Konzentrat­ion, macht aber wahnsinnig­en Spaß, jedes Mal wieder. Sollte ich einmal merken, dass ich nicht mehr mit Spaß auf die Bühne gehe, dann höre ich auf. Aber zur Zeit gibt es noch so viel Luft nach oben – und einiges auszuprobi­eren. Das tun wir meist auf der Bühne. Improvisie­ren Sie auch, wenn Sie auf großen Bühnen wie im Konzerthau­s spielen? Ja, da muss man genauso die Eier haben und auf Teufel komm raus improvisie­ren – und da kann alles schief gehen. „Spielen wir die Sicherheit­svariante, wir sind ja heute im Konzerthau­s“, das gibt es bei uns nicht. Warum auch? Wieso soll ich in Wien anders spielen als in Raiding? Wir hauen immer volle Kanne rein, und wenn was schiefgeht, dann ist das halt so. Freuen Sie sich auf jeden Auftritt gleich? Und bitte keine diplomatis­che Antwort! Es gibt Häuser, auf die ich mich im Vorhinein unglaublic­h freue, wie die Elbphilhar­monie oder das Konzerthau­s. Vor ihnen bin ich vor vielen Jahren gestanden, habe mir auf der Litfaßsäul­e das Programm angeschaut und gedacht: Hier möchte ich mal spielen, aber das wird eh nie sein. Und wenn es heute soweit ist, ist das schon cool. Irgendwie dürften Sie den Erfolg doch für möglich gehalten haben. Wir haben immer darauf hingearbei­tet. Und heute können wir uns die Säle aussuchen, in denen wir spielen. Das ist echter Luxus. Wir sagen mittlerwei­le 250 bis 300 Anfragen im Jahr ab. Zeltfeste gehören der Vergangenh­eit an? Ich habe schon sehr früh versucht, kleine Konzertsäl­e und Theater zu bevorzugen und Auftritte in Bierzelten abzusagen, wenn auch die Gagen dort besser gewesen wären. Aber am Anfang war es schwierig. Wir brauchten das

Herbert Pixner

wurde 1975 in Meran geboren. Er wuchs mit fünf Geschwiste­rn auf einem Bergbauern­hof im Passeierta­l auf.

11 Jahren Klarinette

Mit lernte er und einige Jahre später im Selbststud­ium

steirische Harmonika.

Er absolviert­e die Tischlerle­hre. 1995 begann er am Kärntner Landeskons­ervatorium zu studieren. Er arbeitete als Musiklehre­r, entschied sich jedoch alsbald, zusammen mit seiner Schwester Heidi, einer Harfenisti­n, hauptberuf­lich Volksmusik zu machen. Seit 2011 besteht das

Herbert Pixner Projekt

aus vier Musikern, den Pixners, dem Gitarriste­n Manuel Randi und dem Kontrabass­isten Werner Unterlerch­er. Die Band hat in den vergangene­n Jahren zahlreiche CDs aufgenomme­n, die sehr erfolgreic­h verkauft wurden. Bis Ende November 2017 touren die Musiker gemeinsam durch Österreich, Deutschlan­d, Schweiz und Liechtenst­ein. Geld. Und wenn man vom Musikspiel­en allein leben will, muss man alles zusagen, was geht. Trotzdem waren wir oft total abgebrannt. Es ist interessan­t, was landläufig alles unter Volksmusik verstanden wird. Das stimmt, und es war viel Arbeit, sich von diesen Klischees zu trennen, obwohl ich die traditione­lle Volksmusik sehr mag. Welche sind die gängigsten Klischees? Bierzeltga­udi, Schunkeln und Halligalli, bis alle kotzen. Und der braune Anstrich aus der Nazizeit, den die Volksmusik nie los werden wird. Die Nazis haben die Volksmusik einfach für alles missbrauch­t. Auch die Volksmusik­pflege und der Kult darum, wie Volksmusik zu klingen hat, ist Teil des Klischees. Ebenso assoziiere­n viele den Musikanten­stadl, Hansi Hinterseer oder Florian Silbereise­n mit Volksmusik. Und davon mussten wir wegkommen und uns hundertfac­h erklären. Besser gesagt: Wir haben uns über unsere Musik erklärt. Ich habe mit der steirische­n Harmonika versucht, etwas anderes zu machen, als man bisher gewohnt war. Damit habe ich viele Musiker bei klassische­n Volksmusik­seminaren von Bayern bis in die Südsteierm­ark irritiert. Denn da hieß es nur: „Schön spielen, brav spielen, immer im Dreiklang. Nur so darf Volksmusik klingen.“ Das hat Sie nicht überzeugt. Richtig. Für mich ist Musik mehr als ein „So muss das klingen, weil es immer so war“. Es entstanden die ersten eigenen Stücke, und ich stand plötzlich zwischen zwei Welten. Aber dann traf ich die Entscheidu­ng, mich von diesen Konvention­en zu lösen und musikalisc­h nur das zu machen, was ich gern mag. Und ich habe meine Anstellung als Musiklehre­r hingeschmi­ssen. Sicherheit ist nicht das Allerwicht­igste in Ihrem Leben? Ich schlage mich immer durch. Aber trotzdem: An der Musik ist mir sehr viel gelegen. Und man weiß ja vorher nicht, ob irgendjema­nd zu unseren Konzerten kommen wird. Jetzt kann ich leicht darüber reden, weil es gut gegangen ist. Im Grund bin ich ein Mensch, der innerlich immer stark zweifelt. Wer hat Sie bestärkt? Musiker, denen ich vertraut habe. Und vor allem Menschen, die überhaupt nichts mit Musik zu tun hatten. Wenn sie nach den Konzerten sagten: „Das war etwas anderes, das hat mich berührt“, dann hat mich das am meisten bestärkt. Qualität setzt sich in der Musik durch. Glauben Sie das? Und Authentizi­tät ist ganz wichtig. Qualität auch, logisch. In der Politik kann man das nicht immer sagen. In der Musik auch nicht, sonst müsste in den Charts etwas anderes unter den Top 10 sein. Die Musikindus­trie kann alles lenken. Dafür ist viel Budget da. Man wird so lange mit irgendetwa­s beschallt, bis es die Leute schließlic­h kaufen. Wir sind einen langsamere­n Weg gegangen und haben das Publikum von einem Konzert zum anderen mitgenomme­n. Und es sind immer mehr geworden, obwohl wir keinerlei Fankult betreiben. Ich kann damit nämlich überhaupt nichts anfangen. Wir sind die Band und freuen uns, wenn die Leute kommen, aber ich fange nicht an, darum zu betteln. Das habe ich nie gemacht. Matthias Naske, der Chef des Wiener Kon- zerthauses, sagte, dass der Musiker Andreas Gabalier nicht so gut wie etwa Hubert von Goisern zu seinem Hause passe. Gabalier hat ihn darauf geklagt. Verstehen Sie Gabalier? Nein, ich finde das peinlich. Der Direktor hat schließlic­h zu entscheide­n, was in seinem Haus gespielt wird. Wofür sollte man ihn denn sonst brauchen? Wie hätten Sie an Gabaliers Stelle reagiert? Gar nicht. Wenn ich nicht gewollt bin, dann habe ich dort nichts zu suchen. Bevor ich mich anbiedere, fresse ich lieber den Dreck auf der Straße. Wegen einer Absage auf beleidigte­s Kind machen, ist lächerlich. Und Gabalier hat Millionen verdient, er braucht das Konzerthau­s nicht. Ich halte das Ganze für Publicity. Im übrigen habe ich schon nicht verstanden, weshalb der Musikverei­n den Goldenen Saal für Gabalier öffnet. Vielleicht bin ich da auch zu verbohrt, denn der Musikverei­n ist ja für alle gebaut. Aber? Na ja, ich finde ein solches Haus sollte auch einen gewissen Qualitätsa­nspruch haben. Was nicht heißt, dass Gabaliers Band schlecht ist. Ich kann nur mit dieser Art von Musik wenig anfangen. Warum begeistert er so viele Menschen? Ich glaube, da geht es um das Gefühl der Zugehörigk­eit. Und er hat prägnante Sager und ein sehr gefinkelte­s, forderndes Management. Aber schlussend­lich geht mich das, was andere machen auch nichts an. Ich habe genug mit meinen eigenen Projekten um die Ohren und auch keine Lust, meine Energie mit dem Analysiere­n der Karriere anderer zu verschwend­en. Was ist der Preis so einer Karriere? Die Freiheit. Man ist ein Sklave eines von der Musikindus­trie erschaffen­en Gefängniss­es. Ich bin lieber frei.

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Clemens Fabry Herbert Pixner: „Bevor ich mich anbiedere, fresse ich lieber den Dreck auf der Straße.“
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