Culture Clash
FRONTNACHRICHTEN AUS DEM KULTURKAMPF
Macht und Machos. Von Grapschern, virilen Selbstgefälligen und unerwünschten Verehrern – und wie der Feminismus das Reden über Belästigung gleichzeitig ermöglicht und erschwert hat.
Ein in London lehrender Inder hat mir einmal die Geschichte von Sir Iain Moncreiffe und Margaret Thatcher erzählt. Moncreiffe, Inbegriff des britischen Exzentrikers, habe bei einer Abendveranstaltung an die Premierministerin das Ansinnen „I want to screw you“gerichtet. Ihre kühle Antwort: „Your choice is excellent, but your timing couldn’t be worse.“Die Geschichte ist nicht verbürgt, aber immerhin heißt es in Charles Moores autorisierter Thatcher-Biografie über den Schotten: „. . . the only man known to have made an indecent suggestion to her“. Allerdings wäre auch bei gesicherter Authentizität Thatchers Beispiel selbstbewussten Abschmetterns kein taugliches letztes Wort zum derzeitigen Thema Nummer eins der sozialen Medien, der sexuellen Belästigung. Denn Thatcher war die mächtigere von beiden. Sie hatte es leicht.
Die Frage der Macht ist der Schlüssel für die seltsame Debatte, die zwischen Aufregung über die Belästiger und Aufregung über die Aufgeregten pendelt – bis hin zur abgewürgten „Krone“-Kolumne von Michael Jeannee´ („absurdes, grindiges, groteskes Weinstein-Fieber“) oder Nina Proll, die auf Facebook damit polarisierte, dass „ich sexuelle Annäherungsversuche vonseiten eines Mannes grundsätzlich erfreulich finde und einen solchen erst mal als Kompliment und nicht als Belästigung verstehe“.
In der Debatte werden nämlich zwei Ebenen vermischt: der unaufgefordert, hartnäckig oder auch zu direkt werbende Verehrer – und derjenige, der statt zu werben seine Macht einsetzt. Zu Recht hat der Feminismus hier das Machtgefälle zwischen den Beteiligten gebrandmarkt: Eine Person wird zum Objekt, über das verfügt wird. Wer chronisch zudringlich ist, weil seine Macht es ihm ermöglicht, ist ein Unhold – umso mehr, wenn er meint, die Macht gäbe ihm auch das Recht. Das ist kein Kavaliersdelikt.
Etwas anderes ist aber der Mann, der umwirbt, ohne Macht einzusetzen. Der Mann, von dem Nina Proll schreibt. Oder Sir Iain. Hier hat jener Feminismus unrecht, der unterstellt, ein prinzipielles Machtgefälle zwischen Männern und Frauen mache jede männliche Avance zu einer Aggression. Nicht der Mann an sich ist aber hier Unhold, sondern nur der Unreife und der Unerzogene, der sich auf Kosten des anderen ermächtigt. Und vielleicht rächt sich hier, dass wir das Rollenvorbild des echten Kavaliers entsorgt haben.
Wenn man diese Ebenen auseinanderhält, kann man ziemlich vernünftig darüber reden, wie man die Schwächeren schützen kann, ohne das große Spiel von Mann und Frau um Werben, Nachgeben und Widerstehen ersticken zu müssen.