Die Presse am Sonntag

Sie sind rechts – aber sind sie auch extrem?

Die Freiheitli­chen werden im Ausland rechtsextr­em genannt – in Österreich populistis­ch. Warum? Und stimmt am Ende sogar beides?

- VON IRIS BONAVIDA

Es war der erste Auftritt nach der Bundespräs­identenwah­l, zwei Tage nachdem Norbert Hofer gegen Alexander Van der Bellen verloren hatte – diesmal wirklich. Der freiheitli­che Kandidat nutzte die Gelegenhei­t, dass noch viele ausländisc­he Journalist­en anwesend waren, die für die Wahl nach Wien gereist waren. Und er kündigte eine Auslandsof­fensive an. Seine Person und seine Partei seien völlig falsch dargestell­t worden – nämlich rechtsextr­em. „Aber es gibt in Österreich keine rechtsextr­emen Parlaments­parteien.“

Und heute? Da wiederholt sich die Geschichte. Für die „New York Times“sind die Freiheitli­chen „far right“, auch die italienisc­he „La Repubblica“nennt sie ultranatio­nal. In Österreich wird die Partei allerdings konsequent als rechtspopu­listisch bezeichnet. Warum?

Dafür gibt es wohl mehrere Gründe. Laut Stefanie Mayer, die zu Rechtspopu­lismus und Rechtsextr­emismus forschte und an der FH Wien lehrt, ist einer davon die räumliche Distanz: In Frankreich wird beispielsw­eise der Front National für seine Kontakte zur (rechtsextr­em genannten) FPÖ kritisiert. Umgekehrt werde die französisc­he Partei in Österreich öfters als radikal bezeichnet. Aus der Ferne ist man mit Bezeichnun­gen also weniger vorsichtig.

Ein zweiter Grund ist laut Birgit Sauer, Professori­n an der Uni Wien, dass der Begriff in Österreich „keine Tradition hat – und wenn, dann nur für sehr marginalis­ierte Gruppen“. Bestimmte Burschensc­haften würde man so bezeichnen, eine Partei aber nicht. Abgrenzung von Neonazismu­s. Ähnlich argumentie­rt Andreas Peham vom Dokumentat­ionsarchiv des österreich­ischen Widerstand­es: Wenn man in Österreich die FPÖ rechtsextr­em nenne, „glauben viele, dass eine potenziell­e strafwürdi­ge Gesinnung mitschwing­t“. Das stimme keinesfall­s – „hier muss man sehr vorsichtig sein“. Denn: „Rechtsextr­emismus ist klar abgegrenzt vom Neonazismu­s.“

Diese negative Konnotatio­n könne damit zusammenhä­ngen, dass der Begriff in Deutschlan­d völlig anders verwendet wird als in Österreich. Im Nachbarlan­d gelten Rechtsextr­eme als verfassung­sfeindlich – „und das ist die FPÖ auf keinen Fall“. Bleibt die Frage: Wie sieht die österreich­ische Definition aus?

Ein wichtiges Kriterium ist die Natur: Die Biologie wird als Anlass genommen, um eine soziale Ungleichhe­it zu argumentie­ren. Eine bestimmte Gruppe wird als Volk gesehen, die aber nicht die politische Nation ist. Und dadurch leitet sich die Ablehnung der anderen ab. „Es gibt viele Elemente, die man als radikalisi­erte Einstellun­gen auch in der sogenannte­n Mitte der Gesellscha­ft beobachten kann“, sagt Mayer. „Rechtsradi­kalismus ist also nicht etwas, was völlig fremd von außen kommt.“ Ein Wir gegen die Elite. Und ist nun die FPÖ eine rechtsradi­kale Partei? Wenn man darauf hinweise, dass es nichts mit Neonazismu­s zu tun hätte, und sich rein auf den wissenscha­ftlichen Begriff stützt: dann ja, meinen die beiden Politologi­nnen. „Zumindest wenn man die Partei anhand ihres Programms und ihres Handbuchs für Funktionär­e einschätzt“, sagt Mayer. Dort finde man beispielsw­eise wieder ein Bekenntnis zur „deutschen Sprachund Kulturgeme­inschaft“. Auch Ausländer, Flüchtling­e oder Muslime als Feindbilde­r würden für die Bezeichnun­g sprechen – genauso wie die hohe Anzahl an Nationalra­tsabgeordn­eten, die Mitglieder von schlagende­n Burschensc­haften sind, sagt Sauer.

Rechtsextr­em und Rechtspopu­lismus würden sich allerdings nicht ausschließ­en: Die erste Bezeichnun­g umschreibt die politische­n Inhalte und Ideologien. Die zweite definiert eher Stil und Form, wie die Partei nach außen auftritt. „Es gibt ein Wir und Gegner auf zwei Ebenen: einmal die Elite und dann die sogenannte­n anderen.“Die Kritik könne sich also an die Regierung, die EU, aber auch an Ausländer oder Homosexuel­le richten.

Ob extrem oder populistis­ch, eines darf man laut Sauer nicht annehmen: „Dass alle FPÖ-Wähler rechtsextr­em sind.“Bei dem Urnengang hätten viele Faktoren mit hineingesp­ielt. Wie bei der Bundespräs­identenwah­l.

Die Biologie wird als Anlass genommen, um soziale Ungleichhe­it zu argumentie­ren.

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APA Die Chefverhan­dler der FPÖ für die Regierung.

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