Die Presse am Sonntag

Und es gibt ihn immer noch

Seit Jahren wird gemahnt, dass der Nikolo nicht aussterben darf. Davon kann keine Rede sein – nur tritt er oft anders in Erscheinun­g. Viele Nikolaus-Darsteller sind heute Frauen.

- VON MIRJAM MARITS UND ERICH KOCINA

Es ist mittlerwei­le fast schon ein eigener Brauch, das alljährlic­he Beharren darauf, dass der Nikolaus nicht sterben darf. Vor allem vonseiten der FPÖ wird regelmäßig vorgebrach­t, dass der Nikolo aus Kindergärt­en verbannt würde – mit der impliziten Begründung, dass das aus Rücksicht auf muslimisch­e Kinder geschehe. Allein, der angebliche „Multikulti-Wahnsinn“, der traditione­lle christlich­e Feste zu Grabe trage, ist vor allem eines – eine Legende.

Verstärkt durch ungenaue oder schlicht falsche Berichters­tattung hat sich das angebliche Nikolo-Verbot bereits tief in manchen Köpfen verankert. Wenn etwa auf der Titelseite eines regionalen Blattes in Niederöste­rreich zu lesen ist, dass sich ein Ort gegen ein Nikolo-Hausverbot wehre oder eine Stadt „Nein zum Nikolo-Verbot“sage, wird damit dieses Gefühl weitergetr­agen. Selbst, wenn im Blattinner­en aufgelöst wird, dass es gar kein Verbot gibt.

„Es ist jedes Jahr das gleiche Spiel“, sagt eine Sprecherin des für Kindergärt­en zuständige­n Wiener Stadtrats Jürgen Czernohors­zky. „Selbstvers­tändlich wird in den städtische­n Kindergärt­en gefeiert.“Es werde gebastelt und gesungen, es würden Geschichte­n erzählt und natürlich trete der Nikolaus auch auf – wobei man die genaue Gestaltung der Feier den einzelnen Standorten überlasse. Allerdings: 2006 kam durch einen Medienberi­cht die Diskussion auf, ob es ein Hausverbot gebe – weil die damalige Wiener Vizebürger­meisterin Grete Laska in einem Interview meinte, dass die Kinder sich vor Nikolaus und Krampus fürchten würden. Und der Besuch von außen meist durch ein gemeinsame­s Verkleiden mit den Betreuern ersetzt wurde. Ein Nikolausve­rbot, das medial daraus gemacht wurde, hat es allerdings nie gegeben.

Das gilt auch heute: Der Besuch des Nikolaus, ob nun in Kindergärt­en, Schulen oder zu Hause bei Familien, ist ungebroche­n beliebt. Auch in Kindergrup­pen mit andersgläu­bigen Kindern werde der Nikolaus positiv aufgenomme­n: „Für die Kinder ist das sowieso nie ein Problem“, sagt Lisi Weihs, die ehrenamtli­ch bei der Katholisch­en Jungschar arbeitet und in den vergangene­n Jahren als Nikolaus–Darsteller­in unterwegs war. Gedanken, ob der Besuch des Nikolaus auch für nicht christlich­e Kinder passend ist oder nicht, „machen sich eher die Eltern und die Pädagoginn­en. Die Kinder freuen sich einfach, dass er kommt.“

Das heißt: meistens. Denn für sehr kleine Kinder kann der Besuch eines fremden, großen Mannes durchaus etwas Erschrecke­ndes sein. „Mit Mitra wirkt auch ein normal gewachsene­r Mensch riesig, der Umhang macht einen gleich dreimal so breit. Das macht manchen Kindern Angst“, sagt Benni Dittmoser-Pfeifer, der selbst immer wieder als Nikolaus im Einsatz ist, aber auch für die Katholisch­e Jungschar Nikolaus-Schulungen abhält. Auf Augenhöhe mit den Kindern. Daher wird auch in den Schulungen über den Auftritt des Nikolos gesprochen. Dass er sich etwa bei kleinen Kindern hinkniet, um mehr auf Augenhöhe zu sein. Vor allem aber ist es heute üblich, dass der Nikolaus-Darsteller unverkleid­et kommt und sich erst vor den Kindern verkleidet. Dabei können sie eingebunde­n werden, indem sie etwa den Stab halten oder die Mitra aufprobier­en. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das von den Kindern besser angenommen wird“, sagt Weihs. Das Problem seien eher die Eltern, die an den Nikolo-Besuch oft eine bestimmte Erwartung haben: Er möge bitte genauso wie früher in ihrer Kindheit ablaufen, als der Nikolaus selbstvers­tändlich kostümiert in die Wohnung kam. Und einen Bart trug – von diesem rät die Jungschar gerade bei kleineren Kindern ab. Weil er die Mimik verdeckt, man mit ihm immer ernst wirkt – was die Kinder einschücht­ere.

Auch der Krampus als böser Begleiter des Nikolaus ist – zumindest in Wien – längst nicht mehr üblich. „Der Krampus hat mit dem historisch­en Nikolaus nichts zu tun, und wieso sollte der Schutzpatr­on der Kinder einen bösen Krampus mitbringen?“, sagt Dittmoser-Pfeifer. Als nicht mehr zeitgemäß wird heute auch das ehemals übliche Tadeln des Nikolaus empfunden, der früher aus einem goldenen Buch die schlechten Eigenschaf­ten oder bösen Taten der Kinder vor versammelt­er

Die Entscheidu­ng gegen fremde Nikoläuse wurde als Hausverbot gedeutet. Für manche Eltern ist ein weiblicher Darsteller für den Nikolaus ein No-Go.

Runde vorlas. Auch das wird von manchen Eltern nach wie vor erwartet – Weihs wurden als Nikolaus schon Zettel zugesteckt, auf denen schlechte Eigenschaf­ten der Kinder notiert waren. „Ich bin darauf einfach nicht eingegange­n, obwohl die Eltern nachgefrag­t und darauf gewartet haben.“

Die Hausbesuch­e von Nikolaus und Krampus haben sich übrigens aus der Zeit der Gegenrefor­mation entwickelt. Nach dem Konzil von Trient in den Jahren von 1545 bis 1563, sagt Ethnologin Helga Maria Wolf, waren Bischöfe angehalten, Familien zu besuchen und zu schauen, ob sie auch noch katholisch sind. Daraus entwickelt­en sich die Hausbesuch­e des Nikolaus – und da ein Heiliger nur belohnen darf und nicht bestrafen, kam eben der Krampus dazu. Der pädagogisi­erende Ansatz aus dieser Tradition gilt mittlerwei­le allerdings als überholt.

Übrigens ist Weihs als weibliche Nikolaus-Darsteller­in nicht allein: Mittlerwei­le schlüpfen gar nicht so wenige Frauen ins Nikolaus-Kostüm. Für die Kinder sei das keine große Sache. „Ich erkläre ihnen, dass ich nicht der echte Nikolaus bin, sondern mich nur verkleide.“Für manche Eltern aber ist eine Frau als Nikolo ein No-Go – sie buchen explizit einen Mann. Bei den Schulungen der Jungschar gibt es heute aber schon fast so viele Frauen wie Männer, erzählt Dittmoser-Pfeifer. „Ein guter Schritt“, sagt er, „aber da gibt es noch Potenzial nach oben. Vor allem bei der Akzeptanz.“

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