Die Presse am Sonntag

Wenn frisches Gemüse im Schn

Anna Ambrosch kultiviert in ihrem Jaklhof bei Graz auch im Winter frisches Gemüse. Unbeheizt im Folientunn­el und teilweise im Freiland wachsen hier Blattgemüs­e und diverse Salate.

- VON KARIN SCHUH

Frische Radieschen, Jungzwiebe­ln, Stangensel­lerie, Kerbel, Brokkoli, Karfiol, Grünkohl und eine Reihe an Blattsalat­en. Natürlich bekommt man all das im heimischen Supermarkt zu fast jeder Jahreszeit zu kaufen. Dass das meiste davon entweder aus fernen Ländern oder aus beheizten Kulturen stammt, wird dabei lieber ignoriert. Dass all das aber auch im Winter bei uns wachsen kann – und zwar in unbeheizte­n Folientunn­els oder gar im Freiland – ist hingegen weniger bekannt.

Anna Ambrosch ist eine der wenigen Biobäuerin­nen, die seit mehr als zehn Jahren Wintergemü­se produziert, mittlerwei­le auch im Rahmen eines Forschungs­projekts (siehe unten). Sie versteht darunter nicht das klassische Lagergemüs­e, das vorwiegend aus Wurzelgemü­se besteht. „Im Winter sind unsere Folientunn­el voll mit verschiede­nen Salaten: Endivien, Chinakohl, Zuckerhut, Vogerlsala­t, Radicchio, Schnittsal­ate, Asiasalate, Pak Choi“, zählt sie auf. Auch Jungzwiebe­ln, Junglauch und Jungknobla­uch kultiviert sie im Winter, ebenso wie Fenchel, Brokkoli, Karfiol, Stangenund Knollensel­lerie. Und auch diverse Kräuter wie Treibschni­ttlauch, Kerbel, Petersilie, Rosmarin oder Oregano gibt es in ihrem Hof in Kainbach bei Graz.

Sie sei selbst oft erstaunt, welch niedrige Temperatur­en das Gemüse aushalte. So habe ihr Fenchel in Freilandku­ltur bis zu minus 20 Grad überlebt. Im Folientunn­el, in dem es generell wärmer ist und die Pflanzen dadurch ein bisschen verwöhnt werden, habe der Fenchel Temperatur­en bis zu minus elf Grad überstande­n.

Die Idee, auch im Winter Gemüse im unbeheizte­n Tunnel anzubauen, ist nicht über Nacht gekommen. Vielmehr ist es Teil ihre Zugangs zur Arbeit als Landwirtin. Ambrosch muss ein biss- chen ausholen, um diesen zu erklären. Den Jaklhof gibt es hier schon seit dem Jahr 1778. Ihre Eltern, beide Landwirte, haben ihn 1966 gekauft. Damals war das noch ein reiner Grünlandbe­trieb, was auch typisch für die Region war. „Der Vati hat die Liebe zum Obstbau mitgebrach­t, die Mutter war mehr für den Gemüsebau“, sagt Anna Ambrosch. Direktverm­arktung sei in der Familie schon immer praktizier­t worden. „Meine Mutter steht seit ihrem sechsten Lebensjahr auf dem Bauernmark­t in Graz.“1993 ist der Vater an Krebs gestorben. Die Familie führte den Betrieb weiter und stellte ihn drei Jahre später auf die biologisch­e Wirtschaft­sweise um. Der Jaklhof versteht sich als gemeinscha­ftsgetrage­ne Bio-Landwirtsc­haft, bei der sogenannte Ernteteile­r einen jährlichen Betrag zahlen und jede Woche dafür einen Ernteteil (eine Gemüsekist­e) bekommen. Es gibt aber auch einen Ab-Hof-Laden (Mo, Fr, 11-18 Uhr). Jaklhof 1, 8010 Kainbach bei Graz, www.jaklhof.at

Ihr Bruder habe die Gartenbaus­chule Schönbrunn absolviert und damit begonnen, den Gemüseanba­u aufzubauen. „Wir mussten uns überlegen, wie wir den Hof erhalten. Es war klar, dass man von 1,5 Hektar Obstbau im Vollerwerb nicht mehr leben kann. Früher ging das noch.“2005 erlitt die Familie den nächsten Schicksals­schlag: Der Bruder verunglück­te tödlich. Anna Ambrosch und ihre Mutter, Anna Fuchs, entschiede­n sich dennoch dafür, den Hof weiterzufü­hren. Ambrosch, die an der Boku studiert hat, war mittlerwei­le Beraterin bei Bio Austria. „Ich habe mich sehr schnell mit dem Thema Ernährungs­souveränit­ät befasst.“Die Frage, wie kleine Familienbe­triebe überleben können, ist ihr wichtig. Mit den politische­n Rahmenbedi­ngungen ist sie nicht immer zufrieden. Seit 15 Jahren verzichtet sie auf jegliche Agrarförde­rung, „als Botschaft, dass im Agrarsyste­m viel falsch läuft.“

Bis zu minus 20 Grad habe der Fenchel in Freilandku­ltur schon ausgehalte­n.

Solidarisc­he Landwirtsc­haft. Heute gehen etwa 70 Prozent der Ernte des Jaklhofs an sogenannte Ernteteile­r, die elf Monate lang (nur im Jänner ist Pause) 107 Euro pro Monat bezahlen und dafür jede Woche eine Erntekiste bekommen. Sie tragen dadurch einen Teil des

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