Einsame Poetin Elegische Träumerin Ewige Kinderseele
Seit mehr Żls sieãen JŻhrzehnten ist sie Żuf ©er Suche nŻch ©er WŻhrheit ©er SprŻche. Friederike Mayröcker ist eine stille, experimentierfreu©ige Dichterin: Denn ihre poetische Existenz unterliegt einer st´n©igen Ver´n©erung. In wenigen TŻgen feiert ©Żs e
Die Idylle, das Paradies, die Sommerfrische während der Kindheit. Hier in Deinzendorf bei Retz erfährt Friederike Mayröcker erste prägende Eindrücke für ihre spätere schriftstellerische Arbeit: „Ich saß mit einer Mundharmonika beim Brunnen vis-a-`vis vom Haustor und habe zu spielen versucht, in einer traurigen Stimmung, wie ich sie heute noch brauche, um Schreiben zu können.“Jeden Sommer verbringt das Mäderl bis zu ihrem elften Lebensjahr hier im Weinviertel zwei Monate auf dem Vierkanthof seiner Eltern.
Die Liebe zur Natur gräbt sich während der Sommerwochen auf dem Land in die Erinnerung Friederikes ein. Tiere und Blumen tauchen später immer wieder in ihren Texten auf: Hyazinthen, Schwertlilien, das Warten auf das Erblühen der ersten Fliederbüsche . . . Michael Horowitz Sobald es Frühling wird, würde sie auch heute noch gerne hinaus in die Natur fahren. Doch das ist für die Grande Dame der deutschsprachigen Poesie, die in siebzehn Tagen ihren 93. Geburtstag feiert, nicht ganz unbeschwerlich.
Auch das Lieblingswirtshaus in der Nähe ihrer Wohnung in der Zentagasse besucht sie seit rund einem Jahr nicht mehr, Rudi’s Beisl auf der Wieden, wo das Mayröcker-Nischerl für sie reserviert ist. Spätmittags zog sie sich dort immer in ihren geschützten Bereich zurück und bestellte das Tagesgericht. Ein Ritual für mehr als zwanzig Jahre.
Heute lebt die experimentelle Poetin, die meint, eine Kinderseele zu haben, und schon als junges Mädchen nur Kunst im Kopf hat, einsam in ihrer Wiener Wohnung, einem „Treibhaus aus Papier, das wuchert“. Hier vergräbt sie sich in die Welt ihrer Texte: „Ich fühle mich nur am Leben, wenn ich schreibe. Seit ich 15 bin, explodiert es jeden Tag in mir. Mein Kopf ist so voll, alles muss raus, ich kann nicht anders . . .“
Nie hat sich Friederike Mayröcker für die Außenwelt interessiert. Sie braucht das zurückgezogene Leben, um Schreiben zu können und sich ihre eigene Welt zu schaffen – „denn erst das Schreiben selbst erzeugt die Wirklichkeit: unmittelbar und intensiv.“
Die Wiener Dichterin hat sprachlich immer mehr gewagt als alle anderen und gilt heute als eine der ganz großen Autorinnen des 20. und 21. Jahrhunderts. Ihre Bücher haben immer geringe Auflagen, doch die stille Poetin, die 2004 als Favoritin für den Literatur-Nobelpreis gehandelt wird, erfährt viele Ehrungen. Sie wird mit dem Trakl-, Hölderlin-, Wildgans- und Lasker-Schüler-Preis ausgezeichnet. Für „Fünf Mann Menschen“erhält sie bereits 1969 gemeinsam mit Ernst Jandl den begehrten Hörspielpreis der Kriegsblinden.
Erst mehr als dreißig Jahre später folgt endlich – wie manche Kritiker meinen – mit dem Georg-BüchnerPreis die wichtigste deutschsprachige Literatur-Auszeichnung. In der Laudatio wird ihr undomestiziert-wildwuchernder poetischer Blick hervorgehoben. Sie habe mehr als siebzig Titel vorgelegt und sei damit die deutsche Titelmeisterin.
Am 20. Dezember 1924 in Wien geboren, besucht Friederike zunächst eine private Volksschule, dann die Hauptschule und maturiert später in einer kaufmännischen Wirtschaftsschule. Von 1946 bis 1969 arbeitet sie als Englischlehrerin an verschiedenen Wiener Hauptschulen – „ohne Lust, ohne Freude, es war halsschnürend, eine Qual – aber nach dem Krieg musste ich ja von irgendetwas leben“. Im Alter von 45 Jahren lässt sie sich vom Dienst befreien. Denn sie wollte „den Kindern nicht sagen, was sie zu schreiben und zu denken haben“.
Bereits 1939 verfasst das junge Mädchen literarische Texte, sein großes Vorbild ist Hölderlin. 1946 veröffentlicht Mayröcker erstmals im „Plan“, einer der wichtigsten Kulturzeitschriften des Nachkriegs-Österreich. Ihr erstes Buch, „Larifari“, bleibt erfolglos – genauso wie das Erstlingswerk von Ernst Jandl. „Die ersten zehn Jahre haben wir für die Schublade geschrieben“, erinnert sich die Poetin ihrer Anfänge und ihrer großen Liebe, ihres Hand- und Herzgefährten Jandl.
Die 1950er-Jahre sind ihre wilde Zeit, als es ihr gemeinsam mit Ernst Jandl und H. C. Artmann um das reine Experimentieren geht. „Aber eigentlich“, so Mayröcker heute, „bin ich jetzt noch wilder als damals. Jetzt weiß ich, ich muss mit dem Kopf durch die Wand.“Die erste wichtige Publikation, „Tod durch Musen“, erscheint 1966 im Rowohlt Verlag, denn in Österreich hat ihre experimentelle Literatur keine Chance. Die Grande Dame der deutschsprachigen Poesie in ihrem „Zettelreich“. Geburt. Am 25. Dezemãer in Wien. Erste Texte. Als fünfzehnj´hriges M´©chen. Lebensliebe. Begegnung mit Ernst JŻn©l. Poesie. Erste wichtige PuãlikŻtion „To© ©urch Musen“. Auszeichnung. Georg-BüchnerPreis.
Jetzt blickt Friederike Mayröcker auf ein Lebenswerk von nahezu hundert Büchern in Prosa und Lyrik zurück, darunter Kinderbücher, Hörspiele und Bühnentexte. Aber das ist für die Vielgeehrte Vergangenheit: „Mich interessierte immer nur, was kommt, nicht, was war.“
Die Texte der Schriftstellerin, die zurückgezogen in ihrer Dichterhöhle, in ihrem Zettelreich lebt, „entziehen sich“, wie die „Süddeutsche Zeitung“meint „dem rationalen Zugriff, sind poetisches, oft melancholisches Gespinst, sind Träume, die uns bezau- bern – und befreien“. Seit rund sieben Jahrzehnten geht sie ihrem Schreiballtag nach. Auf der Suche nach der Wahrheit der Sprache. Manchmal bereits ab fünf Uhr früh. Da ist der Traum der Nacht noch in ihr: „Ich träume in Wörtern und Sätzen, dann wache ich auf und muss alles aufschreiben.“Damit nichts davon verloren geht, liegen stets Stift und Heft neben ihr auf dem Nachtkastl. Dann fängt sie an, im Bett mit der Hand in ein großes Zeichenheft zu schreiben: „Es ist ein richtiges Herumschmieren. Manchmal auch ein Kritzeln. Denn wenn es einmal elf wird, dann kommt er nicht mehr, der Heilige Geist des Schreibens.“
Sie braucht die absolute Einsamkeit – „das ist nicht immer angenehm.“Der Drang, zu schreiben, resultiert immer aus der Wehmut, der Trauer – „Wenn man glücklich ist, kann man nicht schreiben“. Friederike Mayröcker geht es um den Wahnwitz der Sprache, „da kann einem der Leser schon leidtun . . .“Denn ihre poetische Existenz unterliegt einer ständigen Veränderung. Noch heute fühlt sie sich am Anfang ihrer Möglichkeiten: „Ich habe ja erst angefangen, zu schauen, zu sprechen, zu schreiben, zu weinen . . . Jedes Jahr ist der Frühling ganz neu – der war noch nie da. Das allein macht einen schon glücklich. Was kommt jetzt? Ich bin gespannt auf die ersten Fliederbüsche. Das Tyrannchen, der Tod, kann noch warten . . .“
Die über neunzigjährige, ewige Poetin ist heute „nur äußerlich das alte Weib, das durch die Straßen humpelt, innerlich bin ich immer noch das junge Mädchen, das in Deinzendorf barfuß über die Wiese läuft ...“.
Die bisher erschienenen Serienteile nachzulesen unter: diepresse.com/DichterundDenker
Die Wiener Dichterin hŻt sprŻchlich immer mehr gewŻgt Żls Żlle Żn©eren. Die 1950er-JŻhre sin© ihre wil©e Zeit, Żls es ihr um ©Żs reine Experimentieren geht. Der DrŻng, zu schreiãen, resultiert immer Żus ©er Wehmut, ©er TrŻuer.