Comeback der Alpine: Frankreichs Rückkehr zur Leichtigkeit
Mit der Neuauflage der Marke Alpine in Form eines leichten und historisch authentischen Sportwagens feiert Renault auch die Rückkehr zu alter Größe. Die Konzernallianz liefert einen Absatzrekord – und die Technik der Alpine A110 könnte sich auch für ander
Der Zeitpunkt ist günstig, nein: eigentlich perfekt. Frankreichs Autoindustrie, in den Krisenfolgejahren nach 2008 gründlich abgehaust – noch tiefer am Boden liegend als andere, die Opfer ihrer Überkapazitäten wurden –, dann mit Staatsgeld gerettet und gründlich restrukturiert, ist wieder eine Macht. Erstmals entstehen wieder Jobs in dieser Industrie, bei Renault immerhin 2000 im Jahr. Die Fabriken im Land sind ausgelastet. Statt auf dem Rückzug ist man auf Eroberungsfeldzug.
Die PSA-Gruppe (Peugeot, Citroen,¨ DS), geleitet vom asketischen Portugiesen Carlos Tavares, hat sich Opel einverleibt und arbeitet auf ein Comeback auf dem US-Markt hin.
Tavares’ Exboss, der Franko-Libanese Carlos Ghosn, hat im Pendelflug zwischen Paris und Tokio inzwischen ein Auto-Imperium gezimmert, das nach Absatzzahlen als heute weltweit größtes dasteht, mit 10,6 Mio. Stück vor Toyota, vor Volkswagen. Neben Renault zählen zu Ghosns Allianz die Hersteller Nissan, Mitsubishi, RenaultSamsung, Dacia und Lada, für Glanz sorgt die Edelmarke Infiniti. Symbolgehalt. Das Label, das (vorläufig in Gestalt eines solitären Modells) nun hinzukommt, spielt nach Produktionszahlen zwar im Bereich eines Rechenfehlers. Doch der Symbolgehalt ist explosiv: Die Alpine ist zurück – die Grande Nation hat wieder einen Sportwagen. Ihren Sportwagen.
Schnelle, flache und meist teure Autos sind kaum für große Volumina gut, doch vermögen sie das Selbstwertgefühl eines Landes zu nähren. Welcher Deutsche ist nicht irgendwie stolz auf Porsche, welcher Italiener würde sich nicht mit Ferrari und Lamborghini brüsten? Die Amerikaner haben ihre Corvette, die Engländer Lotus und Aston Martin.
Und Frankreich? Hatte die vergangenen zwanzig Jahre nichts dergleichen zu bieten. Nur einen historischen Namen mit speziellem Klang.
Im Fall von Alpine ist die Kluft zwischen dem Material, das auf die Straße Artgemäße Haltung: Rallye-Alpine im Drift. fand, und dem Stellenwert des nationalen Mythos besonders groß. Von der Alpine A110, Begründerin der Legende, wurden in 15 Jahren knapp 7500 Exemplare gebaut. Von den drei nicht mehr ganz so ruhmreichen Nachfolgemodellen waren es zusammen 20.000. 1994 mottete Renault die Unternehmung ein, Alpine wanderte in den Fundus der Heldenverehrung. Kontrahent Porsche. Ein an Stückzahlen doch etwas bescheidener Ausstoß, erst recht gemessen daran, dass bei Porsche heuer der einmillionste 911er gefeiert wurde. Der deutsche Kontrahent, zwei Jahre nach der A110 auf den Markt gekommen, hat nie eine Pause eingelegt.
Parallelen, neben der Anbetung als automobile Ikonen, gibt es einige – etwa den Zeitpunkt ihrer Entstehung und deren Art und Weise. So wie der Porsche 911 mit seinem luftgekühlten Boxermotor im Heck über den Vorläufer 356 auf den VW Käfer zurückzuführen ist, stammt auch die Alpine von einem Allerweltsmodell ab, dem Renault 4 CV, ebenfalls mit Heckmotor.
Das schien einem jungen RenaultHändler in der Normandie die geeignete Basis für ein Wettbewerbsauto, das sich vor allem auf den Straßen der Alpen bewähren sollte. Die großen Hersteller hatten nach dem Krieg andere Sorgen als Spielgerät für Gasfüße.
Nicht so jener Jean Red´el´e,´ der zwischen dem Neuwagenverkauf von Renault-Modellen Tuningarbeiten an dem billigen Modell in Auftrag gab und an den Wochenenden damit seine Rennen fuhr. Ein namhafter Sportwagen aus England oder Deutschland wäre unleistbar – und für einen Sohn der Normandie ohnehin undenkbar gewesen. So baute Red´el´e´ seinen eigenen. Aus dem Abenteuer wurde 1955 die Firma Alpine, nach zwei interessanten Vorläufern gelang 1962 der große Wurf. Ritterschlag. Connaisseurs wie auch Halbgebildete schmachten bei Erwähnung des Namens. Doch was begründet die Stellung der A110 als Fixstern am Firmament der großen Klassiker?
Sportliche Erfolge zum einen: Die Rennversion der Alpine gewann zweimal die Rallye Monte Carlo, Ritterschlag des Vollgasgewerbes und Beendigung der Siegesserie des Porsche 911, und 1973 die Premiere der Rallye- Weltmeisterschaft – zu einer Zeit, als die Sportart für das nationale Prestige noch ernsthafte Bedeutung hatte: „Aus dem Treffen von Porsche und Alpine wurde das Ländermatch Deutschland vs. Frankreich“, notierten Chronisten. Mit Kunststoff überzogen. Vor allem aber vermittelt das kleine, leichte und
Sportwagen vermögen das Selbstwertgefühl eines Landes zu nähren. Schwierigste Vorgabe an das neue Auto: maximal 1100 Kilogramm Gewicht.
traditionell blau lackierte Auto seine Anlagen auf unvergleichliche, bildhafte Weise. Aus einem Bericht: „Rallyeautos sind selten komfortabel, aber die Alpine war noch ein bisschen ärger. Es war, als hätte man zwei liegende Männer mit Kunststoff überzogen und auf die Räder gestellt. Die Türen bestanden nur aus blauer Farbe, und an der Haube bildeten sich Dellen schon durch den Luftstrom.“
Jeder Fahrer, so heißt es weiter, hatte eine Motivationsschwelle zu überwinden: „Du musst das Gefühl vertreiben, deine eigene Knautschzone zu sein, sonst wirst du es nie auf die Reihe