Die Presse am Sonntag

»Biathlon ist ein Selbstläuf­er«

Vor dem Weltcup in Hochfilzen sinniert Biathlet Daniel Mesotitsch, 41, über »Eier«, den Druck am Schießstan­d, den Zeitpunkt zum Aufhören und wie man mit den Dopern aufräumt.

- VON JOSEF EBNER

Mit Hochfilzen steht das erste Saisonhigh­light vor der Tür, im Februar haben Sie dort mit der Staffel WM-Bronze geholt. Denken Sie noch daran, wenn Sie im Stadion Ihre Trainingsr­unden drehen? Daniel Mesotitsch: Das ist verarbeite­t und abgespeich­ert. In den vergangene­n Tagen, die ich in Hochfilzen war, ist mir kein einziges Mal was eingefalle­n. Sie sind 41 Jahre alt, wäre die Medaille bei der Heim-WM im Februar 2017 nicht der ideale Zeitpunkt gewesen, um aufzuhören? Natürlich steht das in meinem Alter im Raum. Aber ich war noch nie näher am Aufhören als am Weitermach­en. Ich bin nach wie vor voll motiviert, habe überhaupt keine Probleme, mein Training durchzuzie­hen. Wenn ich sehe, wie viele Jüngere größere Probleme haben, habe ich auch keinen Grund. Viele verpassen den richtigen Zeitpunkt, um abzutreten. Nicht nur Sportler. Ich muss keinem mehr etwas beweisen. Es war mir auch nie wichtig, was andere von mir denken. Das war mir immer wurscht. Die Entscheidu­ng bleibt jedem selbst überlassen. Wenn das Fassl voll ist, hört man halt auf. Ich habe mir alles so gut eingericht­et, dass es perfekt läuft. Aber es wird nicht mehr ewig gehen, das ist klar. Es könnte meine letzte Saison sein, vielleicht hänge ich noch eine dran. Das entscheide ich im Frühjahr mit der Familie. Ole Einar Bjørndalen ist 43. Matchen Sie sich vielleicht, wer länger durchhält? Überhaupt nicht. Wir begrüßen uns, quatschen kurz darüber, wie es uns so geht. Wir sind ja schon lang zusammen und gegeneinan­der unterwegs. Als Sie 1999 Ihr erstes Rennen gelaufen sind, hat sich hierzuland­e niemand für Biathlon interessie­rt. Und jetzt? In Österreich war das Interesse klein, in anderen Nationen war Biathlon immer schon gut vertreten, auch in den Medien. Da hat sich einiges geändert, auch mit den Erfolgen. Die braucht es, damit die Medien aufspringe­n. Jetzt zeigt das Fernsehen die Rennen live, ich glaube, dass wir uns das verdient haben. Wir haben eine super Sportart und ein super Produkt. Dennoch sind immer wieder Neuerungen gefragt. Bei den Alpinen etwa laufen die TV-Übertragun­gen seit Jahrzehnte­n nach dem gleichen Schema ab. Sie lassen sich eh immer wieder etwas Neues einfallen. Jetzt haben wir die Single-Mixed-Staffel, auch für kleinere Nationen ein super Bewerb, da ist wieder für mehr Spannung gesorgt. Ich finde, dass die Rennen ausreichen­d sind. Und dass Biathlon sowieso fast ein Selbstläuf­er ist, weil die Dichte so brutal hoch ist und so viele Leute gewinnen können. Das macht die Sache auch so spannend. Österreich­s Herren waren im vergangene­n Winter Fünfter im Nationencu­p. Sind die großen Nationen wie Deutschlan­d, Frankreich und Russland zu weit weg? Ich glaube, dass noch mehr drinnen ist. Aber wir sind nur in der Single Mixed-Staffel mit Lisa (Hauser, Anm.) und Simon (Eder, Anm.) super vertreten und schenken in der Mixed-Staffel noch zu viele Punkte her. Das in den Einzelrenn­en aufzuholen, ist schwer. Diese Nationen sind nicht umsonst so stark, die haben immer drei Läufer, die mit einem guten Ergebnis durchkomme­n. Der Sieg ist sehr schwer zu holen, aber ein Podestplat­z in der Nationenwe­rtung ist möglich. Wir waren ja schon einmal Zweiter (2008/09, Anm.). Für heimischen Nachwuchs ist gesorgt? Ich denke schon. Bei den Herren sind wir noch relativ gut aufgestell­t. Wenn wir alle vier, fünf Jahre einen hinaufbrin­gen, ist das eine gute Leistung. So viele Biathleten haben wir nicht in Österreich. Und diese Talente musst du einmal finden und fördern, das ist beinharte Arbeit, natürlich gehört auch Glück dazu. Ist Ihre 16-jährige Tochter Soli ein solcher Glücksfall? Sie ist jetzt im C-Kader und auf einem guten Weg, aber absehbar ist natürlich

Geboren

22. Mai 1976 in Villach.

Familie

Mesotitsch wohnt mit seiner Frau und drei Kindern in St. Jakob im Rosental.

Weltcup

Acht Weltcupsie­ge, fünf davon mit der Staffel. 2002 gewann er in Antholz sein erstes Einzelrenn­en (20 km), 2010 ebenfalls in Antholz sein zweites (12,5 km Verfolgung). „Der zweite Sieg war fast noch besser, weil ich acht Jahre warten musste. Eine richtige Genugtuung.“ Der bisher letzte Einzelsieg gelang im Dezember 2010 in Pokljuka (20 km).

Olympia

Staffel-Silber (Vancouver 2010), Staffel-Bronze (Sotschi 2014).

WM

Staffel-Bronze 2005 und 2017 in Hochfilzen, Staffel-Silber in Pyeongchan­g 2009. noch nichts. Sie ist fast gleichstar­k wie Anna Gandler (B-Kader, Anm.), die Tochter von Markus Gandler. Die matchen sich voll. Dann kommt auch noch die Tochter von Christoph Sumann nach, also bei den Mädels wird mir beim Nachwuchs nicht bang. Nicht zuletzt, weil auch Ihre Tochter diesen Sport ausübt – wie kann Biathlon denn seinen Dopingruf endlich loswerden? Längere Sperren sind das einzige Mittel, um da einmal aufzuräume­n. Auch bei den Geldstrafe­n könnte man noch härter hineinfahr­en. Wenn jemand bescheißt, macht er das mit voller Absicht. Mittel wie EPO kannst du nicht einfach schlucken, das wird dir schon irgendwie hineingeja­gt. Wenn so einer zehn Jahre ausfasst, kann er sich nicht aufregen. Die Abschrecku­ng ist wichtiger als alles andere. Ist ein sauberer Ausdauersp­ort auf diesem Niveau überhaupt glaubhaft? Ich denke schon. Ich habe nie etwas Verbotenes eingenomme­n, war aber auch nie der schnellste Läufer auf dieser Welt. Man kann mit brutaler Konsequenz, guter Arbeit und Planung viel erreichen. Biathlon geht außerdem immer mehr in Richtung Kraftausda­uer, die Distanzen sind nicht so lang. Braucht es eigentlich ein Mentalcoac­hing für den Schießstan­d? Wir haben seit ein paar Jahren einen Sportpsych­ologen als Ansprechpa­rtner. Mehr ist auch nicht notwendig. Ein bisschen Eier in der Hose musst du halt noch haben. Man kann nicht immer alles auf andere abwälzen, hin und wieder musst du es einfach selbst durchziehe­n. Und wenn du das nicht schaffst, wird dich der beste Psychologe der Welt auch nicht retten können. Haben Sie mit Ihren Teamkolleg­en schon über die Olympia-Staffel gesprochen? Überhaupt nicht. An Südkorea denkt jetzt noch keiner, ich persönlich ganz sicher nicht. Es gilt noch so viele andere Sachen abzuarbeit­en. Und das mit hundertpro­zentigem Einsatz.

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