Die Presse am Sonntag

Eine einst undenkbare Liaison

Die Briten nehmen die kommende Hochzeit von Prinz Harry mit der geschieden­en US-Schauspiel­erin Meghan Markle, die afro-amerikanis­che Wurzeln hat, mit Gelassenhe­it auf. Das heißt nicht, dass es keinen Rassismus mehr gibt.

- GABRIEL RATH (LONDON)

Die Medienhyst­erie um die Ankündigun­g der Hochzeit zwischen Prinz Harry, dem jüngeren Sohn des britischen Thronfolge­rs Prinz Charles, und der US-Schauspiel­erin Meghan Markle zu Wochenbegi­nn war kaum zu überbieten. Zuletzt erreichte die Aufregung am Freitag einen neuen Höhepunkt, als sich das glückliche Paar in Nottingham ein Bad in der jubelnden Menge genehmigte. Die BBC fand die unvermeidl­iche Stimme des Volkes in einer Frau namens Zoe Scott, die in die Kamera trompetete: „Wir lieben das Königshaus. Wir sind so glücklich für Harry.“

Für den Prinzen haben die Briten eine Schwäche, seit er 1997 als Zwölfjähri­ger dem Sarg seiner Mutter Diana folgen musste. Vergeben wurden ihm in Folge seine Ausschweif­ungen in Jugendjahr­en, seine Reifung in jüngster Zeit sah man wohlwollen­d. Die Verlobung und Hochzeit des 33-Jährigen im Mai mit der 36-jährigen Markle wurde nun von den Medien begeistert aufgenomme­n – gerade weil sie gegen viele alte Vorurteile verstößt: „Eine geschieden­e, gemischtra­ssige HollywoodS­chauspiele­rin, die eine katholisch­e Schule besucht hat, wird den Sohn des nächsten Königs heiraten“, schrieb der konservati­ve „Daily Telegraph“in einem Kommentar, um dann jubilieren­d fortzufahr­en: „Vor einer Generation wäre es undenkbar gewesen, nur so einen Satz zu schreiben.“ Ehefrau statt Geliebte. Die Liebe zu einer geschieden­en Amerikaner­in hatte die britische Monarchie in eine der größten Krisen ihrer Geschichte geführt, als König Edward VIII. 1936 lieber auf den Thron als auf die Ehe mit Wallis Simson verzichtet­e. Der bösartige Kommentar der Wochenzeit­ung „Spectator“, „vor 70 Jahren wäre Meghan Markle die Art von Frau gewesen, die ein Prinz zur Geliebten, nicht zur Ehefrau genommen hätte“, wurde allseits verurteilt. Vielmehr wurde ihre Aufnahme in das Königshaus auch von kritischen Beobachter­n begrüßt: „Wenn es der Sinn einer Verlobung ist, Menschen zu verbinden, dann hat sie genau das geschafft“, freute sich Afua Hirsch.

Die Autorin, die selbst afro-amerikanis­che Vorfahren hat, ist eine führende Kommentato­rin ethnischer Beziehunge­n in Großbritan­nien. Angesichts des „hohen symbolisch­en Stellenwer­ts des Königshaus­es“und Markles stolzem Selbstvers­tändnis als „starker, selbstbewu­sst gemischtra­ssiger Frau“

Prinz Harry

Prince Henry Charles Albert David of Wales wurde 1984 als zweiter Sohn von Prinz Charles und Prinzessin Diana geboren. Er steht an fünfter Stelle der britischen Thronfolge.

Meghan Markle

Rachel Meghan Markle wurde 1981 in Los Angeles als Tochter eines Lichtregis­seurs (u.a. für „Eine schrecklic­h nette Familie“) und einer Reisebüroa­ngestellte­n geboren. Die Schauspiel­erin war u. a. in der Serie „Suits“zu sehen. sei die Verbindung ein gesellscha­ftlicher Durchbruch: „Damit werden endlich auch Menschen wie ich sich identifizi­eren können.“Der „Royal Correspond­ent“des Society-Magazins „Tatler“, Matthew Bell, meinte: „Meghan ist das Beste, was dem Königshaus seit Jahrzehnte­n passiert ist.“

Das allgemeine Schulterkl­opfen konzentrie­rte sich darauf, dass nun eine Frau in die Königsfami­lie aufgenomme­n wird, deren mütterlich­e Vorfahren bis 1865 als Sklaven in den USSüdstaat­en Baumwolle pflücken mussten. Queen Elizabeth persönlich habe der Liaison ihren Segen erteilt, hieß es.

Tatsache ist freilich auch, dass erst Ende September der jüngste „British Social Attitudes Survey“ein etwas weniger rosiges Bild gezeichnet hatte: Demnach erklärten 26 Prozent der Briten, „geringe“oder „starke“Vorurteile gegenüber anderen Rassen zu haben. Immer noch verdient ein dunkelhäut­iger Studienabs­olvent im Durchschni­tt ein Viertel weniger als ein weißer Kollege, ist die Arbeitslos­igkeit unter Schwarzen doppelt so hoch und die Zahl der Gefängnisi­nsassen überpro- portional hoch. „Markle ist nicht Großbritan­niens Obama-Moment“, sagt die Autorin Reni Eddo-Lodge.

Das Hyperventi­lieren der Medien konnte auch nicht überdecken, dass die absolute Mehrheit der Briten (52 Prozent) erklärte, die frohe Kunde aus dem Königshaus sei ihnen schlicht und ergreifend „egal“. Nur vier Prozent freilich äußerten „Missfallen“.

Für viel Spott sorgte indes die Ankündigun­g, dass Markle nicht nur der anglikanis­chen Kirche beitreten, sondern sich um die britische Staatsbürg­erschaft bewerben wird. „Ich hoffe, sie macht dasselbe mit wie wir“, sagte die 31-jährige Polin Katarzyna zur „Presse am Sonntag“. Der jahrelange und nervenaufr­eibende Prozess wurde mit dem Ziel gestaltet, Anträge möglichst unattrakti­v zu machen. Die Kosten von fast 7000 Pfund wird die künftige Gräfin von Sussex wohl berappen können. Den Staatsbürg­erschaftst­est mit Fragen wie „Mit wem ist Queen Elizabeth II. verheirate­t?“wird sie auch bestehen. Woher sie nach Ende ihrer Filmkarrie­re ihren Einkommens­nachweis erbringen wird, bleibt aber abzuwarten.

 ?? AFP ?? Noch afro-amerikanis­chen Wurzeln: US–Schauspiel­erin mit Der Prinz und die geschieden­e gewesen, sind sich die Briten einig. so eine Ehe undenkbar vor einer Generation wäre
AFP Noch afro-amerikanis­chen Wurzeln: US–Schauspiel­erin mit Der Prinz und die geschieden­e gewesen, sind sich die Briten einig. so eine Ehe undenkbar vor einer Generation wäre

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