»Ich spüre die Spannungen in den
In der Wiener Staatsoperntradition wird Franz Grundheber vom Doktor Schön zum Schigolch und erzählt im »Presse«-Gespräch von seiner Eroberung der musikalischen Moderne und mythologischer Opernfiguren.
Alban Bergs „Lulu“in der Inszenierung von Willy Decker erlebte ihre Wiener Premiere in der zweiaktigen Version. Nun studiert Decker die von Friedrich Cerha vervollständigte dreiaktige Version ein. Sie waren damals Doktor Schön und sind nun der Schigolch; eine geradezu mythologische Figur. Franz Grundheber: Genau deshalb hab’ ich ihn singen wollen. Schon damals dachte ich: Was für eine Partie! Seither war ich Schigolch in Barcelona, in Madrid, in New York und in Paris – dort sogar in dieser Decker-Inszenierung! Was fasziniert Sie so an dieser Figur? Er sagt viele Sätze, die einem lang im Gedächtnis bleiben. Und er rührt in dieser Frau etwas auf, indem er sie Lulu nennt. Sie entgegnet: „Ich heiße seit Menschengedenken nicht mehr Lulu“. Sie erinnern sich an gemeinsame Zeiten und sie meint dann: „Jetzt bin ich ja nur noch ein Tier“. Das sind die Augenblicke, wo Alban Berg die Musik stillstehen lässt und wo gesprochen wird. Die Partitur ist ja ein Zwölfton-
Franz Grundheber,
geboren 1937 in Trier, debütierte 1966 in Hamburg.
In Wien
sang er seit seinem Debüt (1976) als Mozarts Figaro 27 verschiedene Partien. Werk – und doch gilt diese Musik als gut singbar, wenn auch höchst komplex. Wie erarbeiten Sie sich solche Partien in einem harmonischen Raum, der vielfach frei von Dur- oder Moll-Assoziationen ist? Ich habe ja kein absolutes Gehör. Aber ich habe ein Gefühl für die Spannungen von Intervallen. Bei Komponisten, die Texte so sensibel vertonen wie Alban Berg, findet man immer heraus, warum welches Wort wie in Musik gesetzt ist. Die Komponisten drücken mit den Intervallen etwas aus – und das kommt immer von der Sprache her. Auch bei einem Werk wie „Wozzeck“, der ja keine Zwölftonkomposition ist, aber, wie es so schön heißt, „atonal“, findet man auf diese Weise sofort den Einstieg. Der „Wozzeck“ist für mich überhaupt die perfekte Oper. Und wohl auch Ihre meistgesungene Partie? Es waren jedenfalls 13 verschiedene Produktionen, in denen ich den Wozzeck gesungen habe. Aber ich führe über meine Auftritte nicht Buch. Es wa-