Die Presse am Sonntag

Tage der Torheit

Mit der Anerkennun­g Jerusalems als Hauptstadt Israels bestätigt der US-Präsident ein Faktum. Doch er setzt sich damit auch über das Völkerrech­t hinweg und provoziert völlig unnötig.

- LEITARTIKE­L VON CHRISTIAN ULTSCH

Fürs Völkerrech­t hat Donald Trump nicht viel übrig. Ihm ist es wichtiger, seine Wahlverspr­echen zu erfüllen. Und deshalb hat der US-Präsident Jerusalem offiziell als Hauptstadt Israels anerkannt. Seine Welt ist simpel. Demnach hat er einfach der Realität ins Auge gesehen. De facto ist die 3000 Jahre alte Königstadt Davids bereits seit 1948 Hauptstadt Israels. Wenn Staatsgäst­e, auch österreich­ische, Israel einen Besuch abstatten, fahren sie in die Heilige Stadt. Denn dort befinden sich das Parlament, der Präsidente­nsitz, das Amt des Premiermin­isters und alle wichtigen Ministerie­n. Aus gutem Grund jedoch gibt es keine Botschafte­n in Jerusalem.

Nach internatio­nalem Recht nämlich ist der Status der Stadt ungeklärt. Denn auch die Palästinen­ser betrachten Jerusalem als ihre Hauptstadt, auch den Muslimen und den Christen ist sie heilig. Der Teilungspl­an der UNO aus 1947 hätte deshalb eine internatio­nale Verwaltung für die Metropole vorgesehen. Doch dazu ist es nie gekommen, erst lehnten die Palästinen­ser aus Kurzsichti­gkeit ab, dann schufen die Israelis mit ihren Siegen in Kriegen Fakten – 1948 und 1967 im Überschwan­g mit der Besetzung des arabischen Ostteils Jerusalems, den sie 1980 völkerrech­tswidrig annektiert­en.

In Jerusalem verdichtet sich der jahrzehnte­lange Nahostkonf­likt. Es ist die heikelste und emotionals­te Streitfrag­e zwischen Israelis und Palästinen­sern, weil sie auch religiös aufgeladen ist. Deshalb schob man sie immer ans Ende der Verhandlun­gen, das war beim Osloer Abkommen so und auch bei den gescheiter­ten Vermittlun­gsversuche­n danach. Über den Status von Jerusalem sollte erst zum Schluss in einem Friedensve­rtrag entschiede­n werden.

Trump setzte sich nun symbolisch darüber hinweg, indem er Jerusalem als Hauptstadt anerkannte. Die differenzi­erenden Nebensätze seiner Regierung, wonach die USA weiterhin eine Zweistaate­nlösung und damit auch eine etwaige Teilung Jerusalems unterstütz­ten, gingen in der weltweiten Empörungsw­elle unter. Den Rest besorgte der Twitterkön­ig im Weißen Haus selbst. Triumphier­end warf der US-Präsident seinen Vorgängern vor, einen seit 1995 bestehende­n Beschluss des Kongresses zur Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem nur aus Feigheit nicht umgesetzt zu haben. Doch Clinton, Bush und Obama handelten weise. Sie wollten nicht unnötig provoziere­n und nicht den Rest ihrer Glaubwürdi­gkeit bei ihren arabischen Verbündete­n riskieren. Bonus-Freispiel. In der Realität verändert Trumps Paukenschl­ag im Moment wenig. Jerusalem war schon bisher Hauptstadt Israels. Und bis eine US-Botschaft in Jerusalem tatsächlic­h ihre Tore öffnet, kann es noch dauern. Doch die USA nehmen sich damit bis auf Weiteres als Vermittler aus dem Spiel. Trump hat sich über internatio­nales Recht hinweggese­tzt und der israelisch­en Regierung ein Geschenk ohne Gegenleist­ung bereitet. Er hätte zumindest versuchen können, Israels Premier Netanjahu dafür irgendein Zugeständn­is abzuringen: einen Siedlungsb­austopp und den Eintritt in ernsthafte Friedensve­rhandlunge­n etwa. Aber nichts dergleiche­n geschah. Der Mann, der sich als der größte Dealmaker aller Zeiten betrachtet, hat Netanjahu zwischendu­rch einfach einmal ein Bonus-Freispiel gegönnt. Den Ruch der Einseitigk­eit wird Trump nun nicht mehr los. Und die Aussicht auf eine israelisch-palästinen­sische Friedensve­reinbarung ist in noch weitere Ferne gerückt.

Das rechtferti­gt jedoch in keiner Weise die Gewalt gegen Israel, zu der die Hamas nach der amerikanis­chen Entscheidu­ng auf- gerufen hat. Wer Raketen gegen jüdische Zivilisten abfeuert, muss mit einer militärisc­hen Antwort Israels rechnen. Doch den Radikalen kommt die Eskalation, zu denen ihnen Trump den fadenschei­nigen Vorwand liefert, gerade recht. Sie lenkt vom eigenen Unvermögen ab. Tage des Zorns? Was für ein Unsinn. Zwischen Washington, Jerusalem und Gaza sind die Tage der Torheit ausgebroch­en.

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