Die Presse am Sonntag

Im Palais Epstein naht das Ende

Endspurt bei den Koalitions­verhandlun­gen. Die FPÖ ist hochzufrie­den, sie soll bis zu sechs Schlüsselm­inisterien bekommen.

- VON ANNA THALHAMMER

Sperrstund­e war am Samstag im Palais Epstein um drei Uhr morgens – elf Stunden hatten die Chefverhan­dler von FPÖ und ÖVP gefeilscht. „Es konnten große Brocken ausgeräumt werden“, hieß es aus Verhandler­kreisen. Die Regierung könne vielleicht schon am 18. Dezember angelobt werden. Auf den letzten Metern zur Koalition findet ein regelrecht­er Kuhhandel statt: So soll die FPÖ ihren Willen in Dingen Rauchverbo­t bekommen haben – und die ÖVP ihren im Gegenzug bei Ceta. Ab Mitte 2018 soll ein generelles Rauchverbo­t in der Gastronomi­e kommen. Die ÖVP sprach sich stets dafür aus – FPÖ-Chef HeinzChris­tian Strache, selbst starker Raucher, dagegen. Die aktuelle Regelung besagt, dass Lokale ab einer bestimmten Größe getrennte Raucher- und Nichtrauch­erbereiche haben müssen. Die FPÖ fordert, dass diese Regelung zumindest die nächste Gesetzgebu­ngsperiode weiter gültig ist – und so wie es aussieht, hat die ÖVP vor, diesem Wunsch zu entspreche­n.

Dafür zeigt sich die FPÖ großzügig, was das Freihandel­sabkommen mit Kanada (Ceta) betrifft – die Blauen hatten eine Volksabsti­mmung dazu angekündig­t. Diese soll nun doch nicht stattfinde­n müssen, denn die ÖVP will Ceta unbedingt; die internatio­nale Vereinbaru­ng soll nächstes Jahr im Nationalra­t ratifizier­t werden. Und dann ist da noch das Thema direkte Demokratie: Die ÖVP hat vor, Zugeständn­isse an die FPÖ zu machen. Strache und Kurz ringen hier aber noch um ein Modell – ebenso wie bei der Kammernmit­gliedschaf­t oder der Kassenzusa­mmenlegung. Potenziell­e blaue Ministerie­n. Auch die Ressortauf­teilung nimmt immer konkretere Formen an. Vor allem in der FPÖ ist man mehr als zufrieden – immerhin zeichnet sich ab, dass sie sechs Ministerie­n bekommen könnten. Wie gefordert, soll das Innenminis­terium an die FPÖ gehen – Generalsek­retär Herbert Kickl wird nun häufiger als potenziell­er Minister genannt. Bisher tauchte sein Name eher im Zusammenha­ng mit dem Sozialmini­sterium auf – allerdings will die FPÖ auch Frauen auf ihren Ministerpo­sten, und für das Sozialmini­sterium bieten sich gleich zwei an: Die Sozialspre­cherin Dagmar Belakowits­ch-Jenewein wird ebenso genannt wie Beate Hartinger, die bis 2009 stellvertr­etende Generaldir­ektorin des Hauptverba­ndes der österreich­ischen Sozialvers­icherungst­räger war. Das Sozialress­ort wird mit großer Wahrschein­lichkeit mit dem Gesundheit­sressort verschmolz­en.

Es verdichtet sich weiters, dass neben dem Innenminis­terium auch das Verteidigu­ngsressort an die FPÖ gehen könnte – somit würden erstmals seit Langem wieder beide Ressorts bei einer Partei liegen. Dass man die Ministerie­n bisher eher trennte, hat historisch­e Gründe: Während des Bürgerkrie­gs 1934 schossen Polizei und Bundesheer gemeinsam auf Arbeiter. Es war übrigens bei der zweiten schwarz-blauen Regierung (2003-2006), als erstmals nach dem Krieg beide Ressorts in einer Koalition wieder in die Hand einer Par- tei kamen – nämlich die der ÖVP. Wer Verteidigu­ngsministe­r werden könnte, wird noch diskutiert. Der steirische FPÖ-Klubobmann und Soldat Mario Kunasek wird genannt – aber auch Parteichef Strache selbst. Es gilt aber eher als wahrschein­lich, dass für Vizekanzle­r Strache ein weiteres, kleineres Sicherheit­sressort herausgelö­st wird.

Das größte und budgetstär­kste Ministeriu­m, das die FPÖ erhalten soll, ist das Bundesmini­sterium für Verkehr, Innovation und Technologi­e, das wohl um den Bereich „Forschung“aufgefette­t werden soll. Für das Ressort meldete Norbert Hofer Interesse an. Das sechste und letzte Ressort, das auch in gewisser Weise an die FPÖ geht, ist das Außenminis­terium. Das soll Nahostexpe­rtin Karin Kneissl leiten, die zwar parteiunab­hängig ist, aber von der FPÖ vorgeschla­gen wurde. Schwarze Macht. Wahrschein­lich ist auch, dass ÖVP-Chef Sebastian Kurz die Europaagen­den aus dem Außenresso­rt herauslöst und ins Bundeskanz­leramt mitnimmt. Ob die Themen Integratio­n und Verfassung­sschutz dort angegliede­rt werden, wird noch verhandelt. Für die ÖVP bleiben dann als große Ressorts noch Finanz und Justiz. Ersteres böte sich für Wolfgang Sobotka an, der einen neuen Job braucht. Für die Justiz Strache und Kurz schlagen sich dieses Wochenende die Nächte um die Ohren und verhandeln open end. wünscht man sich dem Vernehmen nach eine Frau. Es wird die Nationalra­tsabgeordn­ete Michaela Steinacker genannt, die aber viele Kritiker hat. Alternativ fällt Georg Lienbacher­s Name, der auch als Nachfolger von Verfassung­sgerichtsh­of-Präsident Holzinger gehandelt wird.

Ein weiteres ÖVP-Superresso­rt wird das sogenannte Zukunftsmi­nisterium sein, wo Bildung, Wissenscha­ft, Jugend und Familie vereint werden könnten. Pläne, Wirtschaft­s- und Landwirtsc­haftsminis­terium zu verschmelz­en, gelten als gescheiter­t. Zu groß war der Widerstand von Wirtschaft­s- und Bauernbund. Für das Wirtschaft­sministeri­um gilt Bettina Glatz-Kremsner als gesetzt. Landwirtsc­haftsminis­ter könnte Andrä Rupprechte­r bleiben – aber auch die Juristin und Direktorin des niederöste­rreichisch­en Bauernbund­s, Klaudia Tanner, hat gute Karten. Heute, Sonntag, wird jedenfalls weitergefe­ilscht. Open end.

Die FPÖ könnte Innen-, Außen-, Verteidigu­ngs- und Heimatschu­tzressort erhalten.

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