Die Presse am Sonntag

Das Berater-Desaster der SPÖ

Weil Christian Kern lange Tal Silberstei­n unumschrän­kt gewähren ließ, fiel die SPÖ deutlich hinter das Profession­alitätsniv­eau vergangene­r Wahlkämpfe zurück. Ein gekürzter Vorabdruck aus dem von Experten verfassten Buch »Wahl 2017«.

- VON THOMAS HOFER

Der Verlust von Platz eins war der unzureiche­nden Aufstellun­g von Partei und Regierungs­mannschaft geschuldet. In SPÖ-Kreisen wurde mit Blick auf den einsam dahinkämpf­enden Spitzenkan­didaten schon während der Kampagne gern ein Songtext des Quartetts Molden, Resetarits, Soyka & Wirth zitiert: „Awarakadab­ara, wo san meine Hawara, wo san meine Freund, wenn die Sun net scheint?“

Als die Sonne noch schien und Christian Kern in der ÖBB-Chefetage Pläne wälzte, wie er es als SPÖ-Chef anlegen würde, war alles logisch erschienen. Kern hätte versucht, Werte der eigenen Partei zu beleben und gleichzeit­ig den Kontrahent­en deren Schlüsselp­ositionen abspenstig zu machen. In der Strategier­unde Kerns firmierte das Rücken in die politische Mitte unter dieser begrifflic­hen Dreifaltig­keit: Leistung, Aufstieg, Sicherheit.

Auf dem Weg zum Ballhauspl­atz verlor Kern allerdings die ersten loyalen Mitstreite­r. Stattdesse­n übernahm Kern einen gar nicht kleinen Teil der Mitarbeite­r seines Vorgängers Faymann. Die Folge waren Animosität­en zwischen neuen und alten Mitstreite­rn, aber auch zwischen dem Faymann-Lager treu gebliebene­n und zu Kern gewechselt­en Kabinettsm­itarbeiter­n.

Seinem Bundesgesc­häftsführe­r Georg Niedermühl­bichler vertraute Kern nie. Die Besetzung war auch ein Wunsch Michael Häupls gewesen, und der hatte seinem Bundespart­eivorsitze­nden dem Vernehmen nach einen guten Rat mitgegeben: Niedermühl­bichler sei ein starker Umsetzer, aber er brauche eine klare Führung.

»Wahl 2017, Loser, Leaks & Leadership«

Herausgebe­r: Politikexp­erte Thomas Hofer und Journalist­in Barbara T´oth; mit vielen Gastbeiträ­gen, 280 Seiten, 14,90 Euro, bestellbar auf www.wahl-2017.eu Kern sollte später versuchen, seinen Parteimana­ger loszuwerde­n. Kern hatte erst die Hoffnung, dass sich in der Wiener SPÖ ein rascher Bürgermeis­terwechsel von Michael Häupl zu Michael Ludwig ausgehen würde. Unter einem Bürgermeis­ter Ludwig, dachte man im Kanzleramt, könnte Niedermühl­bichler voll in seinen angestammt­en Politikber­eich zurückkehr­en und Wohnbausta­dtrat werden. Als sich diese Option als Schimäre herausstel­lte, entwickelt­e man den Plan, ihm eine zweite Kraft an die Seite zu stellen. Sprunghaft­er SPÖ-Chef. Aber auch dieses Vorhaben war von der für Kern so typischen Sprunghaft­igkeit gekennzeic­hnet. Einem früheren Kandidaten für die Geschäftsf­ührung hatte er erst 24 Stunden Bedenkzeit eingeräumt, dann aber nichts mehr von sich hören lassen. Nun wurde gleich ein knappes halbes Dutzend Kandidaten angesproch­en. Der Kanzler aber holte sich eine Absage nach der anderen.

Jene, die sich nach verkorkste­m Wahlkampfs­tart doch für zentrale Positionen locken ließen, wie etwa der erfahrene Kampagnens­pezialist Stefan Sengl, mussten oft nach nur wenigen Wochen die Sinnlosigk­eit des Unterfange­ns erkennen, den Wahlkampf der SPÖ noch in geordnete Bahnen lenken zu können. Wahlkampfl­eiter Sengls Versuche scheiterte­n an einem externen Berater: Tal Silberstei­n. Dieser wurde in der Öffentlich­keit nach seiner Mitte August in Israel erfolgten Verhaftung wegen Geldwäsche­verdachts und der im Anschluss ruchbar gewordenen Dirty-Campaignin­g-Aktivitäte­n im heimischen Wahlkampf zum viel beschriebe­nen Sargnagel der Kern’schen Kanzlerträ­ume stilisiert.

Silberstei­n galt als der Einflüster­er, dem der Kanzler hörig war. Mit seiner unnachahml­ichen Bulldozerm­entalität schob er Bedenken gegen seine Vorstellun­g einer idealen Vorgangswe­ise beiseite. Silberstei­n eilte parteiinte­rn ein Ruf voraus, der zwischen Ehrfurcht und Entsetzen pendelte. Weil Kern Silberstei­n lange unumschrän­kt gewähren ließ, fiel die SPÖ nämlich deutlich hinter das Profession­alitätsniv­eau, das sie seit den späten neunziger Jahren gerade im Umgang mit internatio­nalen Wahlkampfe­xperten aufgebaut hatte, zurück. Nach Erfahrunge­n der ersten Einbindung­sversuche einer Vielzahl an zumeist US-amerikanis­chen Profession­isten 1999 hatte sich die Einsicht durch- gesetzt, dass internatio­nale Berater zwar etwas einzubring­en hatten – dass sie aber eines kulturelle­n Korrektivs aus starken Lokalgröße­n bedurften. Sinnhaftig­keit nicht diskutiert. Dieses Korrektiv fehlte. So wurden in der SPÖKampagn­e ernsthaft martialisc­h-militärisc­he Kern-Inszenieru­ngen, etwa mit Feldsteche­r an der Balkanrout­e oder auf Fact Finding Mission in Nordafrika, diskutiert. Auch der einem Brainstorm­ing entsprunge­ne Slogan „Hol dir, was dir zusteht“war zwischen Angriff und Verzweiflu­ng angesiedel­t. Man versuchte krampfhaft und unter Verletzung der sozialdemo­kratischen Solidaritä­ts-DNA noch zu jenen frustriert­en Zielgruppe­n zu gelangen, die von Strache und Kurz bearbeitet worden waren.

Über die Sinnhaftig­keit wurde kaum diskutiert, Widerspruc­h war von Seiten Silberstei­ns nicht wirklich gewünscht. Stefan Sengl versuchte das zwar, Entscheidu­ngen wurden in den wenigen Wochen seiner Präsenz in der SPÖ-Kampagnenz­entrale aber immer öfter an ihm vorbei gespielt.

Auch Klubobmann Andreas Schieder, Kanzleramt­sminister Thomas Drozda und Bundesgesc­häftsführe­r Niedermühl­bichler versuchten vergeblich, den Einfluss des Israelis zurückzudr­ängen. Silberstei­ns Positionie­rung beim Kanzler war unumstößli­ch.

Bei seiner Mitarbeite­r- und Mitwisser-Auswahl hatte Silberstei­n auf Background-Checks von ehemals für andere Parteien tätigen oder in enger Beziehung zu diesen stehenden Akteuren verzichtet. Die Aktivitäte­n von Silberstei­ns Team wurden auch noch stümperhaf­t umgesetzt.

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Clemens Fabry Christian Kern setzte im Wahlkampf auf die Falschen.
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