Die Presse am Sonntag

Endlich kommt die Autobahn

UnfŻlltote, StŻus, L´rm un© Dreck: NŻch lŻngen JŻhren Żls TrŻnsitgem­ein©e ist Poys©orf nun ©en Durchzugsv­erkehr los. Wie ein Ort ©ie neue AutoãŻhn feiert.

- VON CHRISTINE IMLINGER

So viel Freude über eine Großbauste­lle ist selten. „Wir sind wahrschein­lich der erste Ort, in dem es nicht Proteste und Bürgerinit­iativen gegen, sondern für eine Autobahn gegeben hat“, sagt Thomas Grießl. Er ist der Bürgermeis­ter (ÖVP) des Weinviertl­er Städtchens Poysdorf, und in seinem Büro im Gemeindeam­t mitten im Zentrum hört man unentwegt, warum dem so ist. Schweres Brummen, in einer Tour schiebt sich morgens, mittags, nachmittag­s wie abends ein Lkw nach dem anderen um die enge Kurve mitten in der kleinen Stadt.

Drei Tote, sagt Grießl, habe es allein in seiner Amtszeit, also seit 2014, gegeben. Alles ältere Leute, überfahren auf Schutzwege­n im Ort. Zur Gefahr – direkt an der Durchzugss­traße liegen auch Schulen – kommt der unentwegte Lärm, die Belastung ist jenseits empfohlene­r Grenzwerte, die Feinstoffb­elastung ebenso, und natürlich der Stau.

„Lebensqual­ität: gleich null“, so fasst Grießl die Situation, seit der Durchzugsv­erkehr immer mehr geworden ist, zusammen. Seit den 2000erJahr­en sei der Verkehr immer mehr geworden. 2009 wurden pro Tag 1800 Lkw gezählt, heuer im Sommer waren es schließlic­h 4100 Lkw pro Tag. Auch der Pkw-Verkehr ist in der Zeit signifikan­t mehr geworden, der Leidensdru­ck genauso. Pläne, die Autobahn auszubauen, gab es schon lange, so lange, dass im Ort schon niemand mehr daran geglaubt hat, dass tatsächlic­h gebaut wird.

„Wir sind nirgends so freundlich aufgenomme­n worden wie hier“, erzählt Karl Klaus, der Projektlei­ter der Bauaufsich­t, von der Zeit, als der Bau dann begann. „Ich baue seit 15 Jahren Autobahnen, aber so wie hier war es noch nirgends. Es gab eine sehr große Bereitscha­ft der Bevölkerun­g, Staub, Schmutz und Unannehmli­chkeiten durch die Baustelle auszuhalte­n.“

Nun ist die Autobahn also fertig. Seit Freitagmit­tag ist die neue Strecke bis Poysbrunn für den Verkehr freigegebe­n. Ein Feiertag für den Ort. Und ein Tag, der lange erwartet wurde.

„Wunderbar, einfach nur wunderbar!“, so kommentier­en die Poysdorfer nun das neue Lebensgefü­hl, tauschen ungläubig Videos von der nun ruhigen Durchzugss­traße via Social Media aus und berichten, sie hätten seit dem 8. Dezember nun besser geschlafen. Schätzunge­n gehen davon aus, dass der Lkw-Verkehr um 70 bis 80 Prozent abnehmen wird, Lärm- und Feinstaubb­elastung sollen signifikan­t sinken.

In den vergangene­n Jahren hat die Belastung durch den Verkehr die Stimmung in der Transitgem­einde ordentlich angespannt: Es gab Straßenblo­ckaden, Transparen­te, Facebook-Gruppen, Protestakt­ionen gegen den Verkehr – beziehungs­weise gegen die lange Stagnation der Ausbauplän­e der Autobahn Richtung Staatsgren­ze. Wie eine StrŻße einen Ort spŻltet. Als diese schließlic­h konkret wurden, gab es freilich auch kritische Stimmen – nicht grundsätzl­ich gegen die Autobahn, sondern für mehr Umweltschu­tz. Als eine Bürgerinit­iative etwa gegen den Wasserrech­tsbescheid Einspruch erhob – mit dem Bedenken, die Retentions­becken seien zu klein, der Wasserhaus­halt sei in Gefahr –, kam es zu unschönen Szenen: Ein Protestzug zog vor das Haus einer Kritikerin, es kam zu Anzeigen, bis hin zur Bitte um Polizeisch­utz für die Kritikerin.

Nun hofft man in Poysdorf, dass die neue Autobahn einen neuen Geist im Ort mit sich bringt. Wein, Tourismus, Erneuerung, davon spricht Bürgermeis­ter Grießl heute. Es gebe viele Ideen zur Umgestaltu­ng des Ortszentru­ms, auch eine Art Begegnungs­zone sei geplant. Auch der Weintouris­mus soll stärker vermarktet werden, „wir haben die schönsten Kellergass­en Österreich­s, aber die Leute verbinden Poysdorf oft nur mit den Staumeldun­gen aus dem Radio“.

Sorgen, dass der Ortskern ausstirbt, wie es in so vielen anderen Kleinstädt­en der Fall ist, wenn Umfahrungs­straßen

»Ich ãŻue seit 15 JŻhren AutoãŻhnen. Aãer so wie hier wŻr es noch nirgen©s.« Mit ©er A5 w´chst ©ie Gegen© Żn Wien herŻn – ©Żs merkt mŻn Żuch Żn Bo©enpreisen.

gebaut werden, hat er nicht. Zunächst einmal sei die Autobahn sowieso ohne Alternativ­en gewesen, außerdem habe Poysdorf eine positive Wanderungs­bilanz. Junge, die zum Studieren weggegange­n sind, kommen zurück aufs Land. Überhaupt ziehen Leute zu. Das Wiener Umland wächst, das merke man mittlerwei­le hier, im nördlichen Weinvierte­l, an deutlich anziehende­n Boden- und Immobilien­preisen. Immerhin pendelt man nun, dank der neuen Autobahn, wohl fünf bis zehn Minuten schneller nach Wien als zuvor. Poysbrunn Schrick

Newspapers in German

Newspapers from Austria