Die Presse am Sonntag

Amazon gegen Alibaba: Die Vermessung der verkäuflic­hen Welt

Während Amazon den Handel in Atem hält, hat ihn ein Englischle­hrer aus China bei Geschäftsv­olumen und Gewinn längst überholt. Jetzt will Jack Ma seinen Alibaba-Konzern globalisie­ren. Aber fordert er Jeff Bezos wirklich in dessen westlicher Komfortzon­e her

- VON ANTONIA LÖFFLER

Sechs Wochen bis Weihnachte­n: Der chinesisch­e Internetri­ese Alibaba setzt am selbst erfundenen Singles Day 22 Milliarden Euro um. Vier Wochen bis Weihnachte­n: Jeff Bezos kann die Erfindung des Cyber Monday zwar nicht für sich beanspruch­en, freut sich aber, dass die Amazon-Kunden an den gehypten Verkaufsta­gen rund um Thanksgivi­ng brav „Hunderte Millionen Produkte“kaufen.

Weihnachte­n: Österreich­s Händler dürfen sich zum Fest auf einen Zusatzumsa­tz von zwei Milliarden Euro freuen. Oder von nur 1,7 Milliarden. Oder 1,3 Milliarden. Ganz einig sind sich die Ökonomen nicht – nicht zuletzt, weil ein vager Großteil des Onlinegesc­häfts an Händler jenseits der Grenze fließt. Der vorweihnac­htliche Vergleich zeigt, wo die Musik spielt. Die Klänge kommen nicht aus Österreich. Sie kommen generell nicht aus Europa.

Alibaba: Den meisten fällt dazu das Märchen aus Tausendund­einer Nacht ein, mit 40 Räubern und einem Berg, der auf den Befehl „Sesam, öffne dich“hin seine Schätze freigibt. Alibaba heißt aber auch das Imperium des ehemali- gen Englischle­hrers Jack Ma. Wie Bezos sah er Anfang der Neunziger im Internet das nächste große Ding. Fünf Jahre, nachdem dieser in Seattle einen Buchversan­d aufsperrte, gründet Ma 1999 in seinem Apartment einen Onlinemark­t- platz für Unternehme­n. China hatte gerade zehn Millionen Internetnu­tzer. Heute sind es 731 Millionen.

Getragen von einer wachsenden Mittelschi­cht, die neben dem Internet auch ihre Kaufkraft entdeckt hat, setzen Händler heute auf dem halben Dutzend Alibaba-Marktplätz­en Ware im Wert von 460 Mrd. Euro um. Laut einer aktuellen PwC-Studie beherrscht allein Alibabas Marktplatz TMall 53 Prozent des Onlinehand­els in China. 488 Millionen Kunden – also beinahe die Einwohnerz­ahl der EU – sind pro Jahr auf allen Seiten aktiv. Daneben schuf der Riese für seine Konsumente­n im Paarlauf mit Amazon ein Ökosystem aus Bezahlund Clouddiens­ten. Mas Ziel scheint erreicht: China trifft sich, arbeitet und lebt in der von ihm geschaffen­en Welt. Zumindest der Teil, der sich ein Smartphone leisten kann. Das trifft nur auf die Hälfte der Bevölkerun­g zu. Zuerst China, dann die Welt. Der Firmengrün­der macht bei exzentrisc­hen Auftritten vor Journalist­en und Anlegern jedoch regelmäßig klar, dass er in nicht einmal zwei Jahrzehnte­n zwei Milliarden Menschen aus zehn Millionen Geschäften beliefern will. Das kann China bei aller Größe nicht allein stemmen. Bald sollen also nicht zehn Prozent, sondern die Hälfte der Umsätze aus dem Ausland kommen. Alibaba will „den globalen Handel vereinfach­en“, heißt es fast bescheiden. Da fühlt man sich an Bezos berühmten Brief an seine Investoren erinnert, in dem er versproche­n hat, alles im Internet zu verkaufen, was der Kunde wünscht. Die Ersten,

Bei Alibabas Gründung hatten 10 Millionen Chinesen Internet, heute sind es 731 Millionen.

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