Die Presse am Sonntag

Wie man uns das Lenkrad aus der Hand nimmt

Die Entwicklun­g ©es Żutonomen FŻhrens ist heute ©er größte InnovŻtion­streiãer ©er AutoãrŻnch­e. Die meisten Hersteller gehen ©Żãei eigene Wege – wie BMW, ©Żs in Rekor©zeit einen CŻmpus hochgezoge­n hŻt, von ©em Żus potenziell fŻhrerlose Autos Żuf ©ie StrŻße

- VON TIMO VÖLKER

Wer frisch zum Thema dazustößt, mag es ja für widersinni­g halten: Die Autoindust­rie scheut derzeit keine Kosten und Mühen, um ihren Kunden das Autofahren abzunehmen. Genauer: Fahren sollen wir in absehbarer Zukunft schon noch, aber nach Möglichkei­t nicht mehr selbsttäti­g – nur noch als Passagiere.

Um den Themenkomp­lex „Autonomes Fahren“ist ein Wettstreit entfacht, für den die Hersteller auf der ganzen Welt laut Schätzung eines Branchendi­enstes während der letzten zwei Jahre rund 80 Mrd. Dollar aufgewende­t haben. Nicht die Fertigung von Motoren oder Getrieben – die Technologi­e des Roboteraut­os ist heute der größte Innovation­streiber der Branche.

Dahinter steckt die Sorge, dass Player von außerhalb das Ruder übernehmen könnten – die großen Namen der IT-Branche mit ihren nahezu unbeschrän­kten Forschungs­budgets – und den Autobauern, zu reinen Hardwarepr­oduzenten degradiert, bald nur mehr die Brosamen des Schweißens und Zusammenmo­ntierens übrig blieben.

Der Branchenve­teran Bob Lutz argumentie­rte („Die Presse am Sonntag“berichtete), dass in 20 Jahren ohnehin die Betreiber großer automatisi­erter Flotten das Business diktieren und das ganze Geld verdienen würden. Eigenes Ökosystem. BMW-Vertriebsv­orstand Ian Robertson hielt jüngst dagegen: „Wir bauen unser eigenes Ökosystem – um das Auto herum.“Damit meinte Robertson die frühe Entscheidu­ng des Unternehme­ns, Daten aus allen Neuwagen zu übertragen und zu sammeln (ob dies dem Kunden bewusst ist oder nicht), das Etablieren eigener Carsharing-Anbieter wie Drive Now, die Übernahme von App-Entwickler­n und eben die Arbeit am Roboteraut­o, die mit Vollgas vorangetri­eben wird.

Ein Zusammensc­hluss der Autoherste­ller, um den Aufwand besser stemmen zu können, zumindest auf nationaler Ebene, klänge wohl ver- nünftig. Doch nichts liegt ferner. Robertsons Worte vom „eigenen“Ökosystem sind wörtlich zu nehmen: In Deutschlan­d kochen BMW, Mercedes und der VW-Konzern mit Audi an der Spitze jeweils ihr eigenes Süppchen – und konkurrier­en mit allen namhaften Autoherste­llern weltweit. Es scheint fast, als wäre an das Geisteraut­o die Überlebens­frage geknüpft – unwahrsche­inlich, dass es in Zukunft Dutzende Systeme geben sollte. Nicht alle werden das Rennen machen. Dringliche­r RŻumbe©Żrf. Dass sich BMW definitiv bei der künftigen Elite sieht, legen Einblicke nahe, die wir auf dem brandneuen, tatsächlic­h noch gar nicht eingeweiht­en Campus für autonomes Fahren in Unterschle­ißheim bei München gewinnen konnten. Gern hätte man wohl einen architekto­nischen Renommierb­au in Angriff genommen, doch die zwei Jahre Bauzeit spielte es nicht: In der neuen Unterkunft ist man nur eingemiete­t, der Raumbedarf für die rasant wachsende Mannschaft war zu dringlich.

Über Hubraum und Zylinder wird hier vermutlich nicht gesprochen, wenn unter den 517 Ingenieure­n und Entwickler­n von Leistung die Rede ist, dann ist Rechenleis­tung gemeint, nicht PS. Unter den 1000 Mitarbeite­rn, die in den nächsten Monaten dazustoßen, ist neben BMW-Leuten auch Personal von Kooperatio­nspartnern wie Intel darunter. Der Chipherste­ller sieht einem feisten Wachstumsm­arkt entgegen: Das Datenaufko­mmen steigt mit automatisi­erten Fahrzeugen gewaltig. So betreibt BMW eine eigene Serverfarm in Unterschle­ißheim, um den Datenstrom aus den rollenden Versuchstr­ägern erden zu können. Augen un© Ohren. Es sind dies Fahrzeuge, die man für gewöhnlich­e BMW halten könnte: hellgraue Limousinen der 7er-Baureihe – mit empfindlic­h eingeschrä­nktem Kofferraum. Denn dieser ist randvoll gefüllt mit Elektronik samt Peripherie wie Kühlung und Stromverso­rgung. Und was man für die Vorbereitu­ng für Skiträger auf dem Dach halten könnte, ist Teil eines Sensoriums, mit dem die Fahrzeuge ihre Umgebung wahrnehmen: Nicht weniger als 44 Sensoren, von Kameras über Nah- und Fernbereic­hsradar bis Ultraschal­l und Laser, sind dem Auto Augen und Ohren, um möglich selbsttäti­g manövriere­n zu können. Wert pro Fahrzeug: gut 500.000 Euro.

Ohne Menschen auf dem Fahrersitz wird freilich noch keiner der teuren 7er auf die Straße entlassen. Das Fahrperson­al der Flotte ist ein eigener, nicht dem Campus zugerechne­ter Posten.

Im Schichtbet­rieb sind die Autos in halb Europa unterwegs, von der Münchner Innenstadt – „ein besonders anspruchsv­olles Terrain“, so ein Entwickler – bis zum Autobahnko­rridor vorbei am Gardasee. 40 Autos umfasst die Testflotte derzeit, im nächsten Jahr wird sie sich verdoppelt haben, 2019 mehr als verdreifac­ht, 2020 schließlic­h sollen es auf den Straßen Europas, Asiens und der USA 185 Fahrzeuge sein – ihre Mission: Daten produziere­n und sammeln.

Man kann erahnen, welche Dimension da auf die Datencente­r zukommt: Ein einziges Auto produziert in einer Achtstunde­nschicht rund 40

»Wir ãŻuen unser eigenes Ökosystem – um ©Żs Auto herum.« Ein einziges Auto pro©uziert in einer Achtstun©enschicht run© 40 TerŻãyte Żn DŻten.

Terabyte an Daten – „bislang übrigens unfallfrei“, so Robert Irlinger, quasi Rektor des Campus. Die ganze Angelegenh­eit sei „datengetri­eben“, so wäre auch hochwertig­es Kartenmate­rial eine Grundlage. In einer gemeinsame­n Aktion haben die großen deutschen Hersteller den Kartenanbi­eter Here erworben und damit Zugang zu HD-Material, dessen Genauigkei­t bei unter zehn Zentimeter­n liegt. Mit GPS käme man nicht weit: Dessen Genauigkei­t kann in Städten durch die Ablenkung

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