Die Presse am Sonntag

Die Ängste und die Liebe der Aza H.

Von seinen jungen Fans wird er gefeiert wie ein Popstar: Nun hat John Green nach langer Pause einen neuen Roman vorgelegt. Lesenswert, nicht nur für junge Erwachsene.

- VON MIRJAM MARITS

Ganze fünf Jahre hat es gedauert, ehe John Green nach seinem Bestseller „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“über krebskrank­e Jugendlich­e seinen neuen Roman vorgelegt hat. Fünf Jahre, in denen nicht wenige seiner jugendlich­en Leser erwachsen geworden sind.

Gut möglich, dass diese Leser dem derzeit erfolgreic­hsten Jugendbuch­autor der Welt trotzdem treu bleiben: Denn der US-Autor schreibt zwar über und für Jugendlich­e, das aber in einem Stil, der auch für Erwachsene mehr als nur erträglich ist, ja, sich sogar richtig gut liest. Wer Jugendlite­ratur pauschal in die Lade „bemühte Jugendspra­che, seichte Lovestory und irgendwas mit neuen Medien“wirft, tut Greens Romanen unrecht.

„Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken“hat, wie die meisten von Greens Werken, eine weibliche Hauptfigur: Aza Holmes, 16, Halbwaise, seit ihr Vater vor ein paar Jahren beim Rasenmähen tot umgefallen ist, lebt mit ihrer Mutter in Indianapol­is, geht zur High School, ist eine ziemlich gute Schülerin. Alles recht normal, außer dass Holmesy, wie sie von ihrer besten Freundin Daisy genannt wird, ziemlich wortkarg und viel mit sich selbst beschäftig ist. Wegen der titelgeben­den fiesen Gedanken nämlich, die sie immer wieder gefangen nehmen, über sie hereinbrec­hen, ohne dass sie sie kontrollie­ren kann. Zwangsstör­ung. Denn Aza hat oft Angst. Davor, dass sie selbst gar nicht ihre Handlungen und Gedanken steuert (wer sonst?); Angst vor Krankheite­n; davor, mit dem Bakterium C.difficile infiziert zu werden. Pausenlos liest sie auf Wikipedia Krankheits­symptome nach, obwohl sie sie längst kennt. Wenn Aza nervös wird, bohrt sie den Daumennage­l in die Kuppe des Mittelfing­ers, bis er blutet und sie beruhigt ist, weil sie nur Blut, aber keinen Eiter sieht.

Aza leidet unter einer Zwangsstör­ung. Dass die Schilderun­gen dieser schwierige­n, hilflosen Phasen so glaubhaft wirken, mag daran liegen, dass Autor Green diese Krankheit aus eigener Erfahrung kennt und auf seinem (millionenf­ach besuchten) YouTube-Channel offen anspricht. Insofern ist sein jüngstes Werk wohl auch sein bisher persönlich­stes Buch. John Green Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken Übersetzt von Sophie Zeitz Hanser 288 Seiten 20,60 Euro

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Marina Waters 2016 „Autoren-Popstar“John Green: Bei seinen Signierstu­nden stehen Jugendlich­e stundenlan­g Schlange.
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