»Emir, wir stehen hinter dir«
Neue Politallianzen, mehr Milchkühe, andere Handelswege: Wie das kleine Emirat Katar dem Boykott der mächtigen Golfstaaten – angeführt von Saudiarabien – widersteht.
Sein Bild ist fast allgegenwärtig: Ob riesig auf Hochhausfassaden, ob klein auf Geschäftstüren oder Mauern oder als Aufkleber auf Autos – an dem Bildnis von Scheich Tamim bin Hamad al Thani, dem erst 37-jährigen Herrscher von Katar, kommt kaum jemand vorbei. „Unterstützung für den Herrscher gab es schon immer, aber seit dem Boykott haben diese Bilder massiv zugenommen“, erzählt ein Unternehmer in der Hauptstadt Doha. „Das sind klare Botschaften und die bedeuten: Emir, wir stehen hinter dir, wir halten zusammen.“
Ob die Bilderflut wirklich Ausdruck eines spontanen Volkswillens ist, bleibt offen. Sicher ist, dass das kleine Land am Golf bisher erfolgreich einer Boykottfront fast übermächtiger Gegner trotzt und politisch und wirtschaftlich nicht kapituliert. Anfang Juni haben Saudiarabien, Bahrain, die Arabischen Emirate und Ägypten wegen Dohas angeblicher Unterstützung des Terrors die diplomatischen Beziehungen zu Katar abgebrochen, die saudische Landgrenze geschlossen, die Schiffsund Flugverbindungen nach Doha eingefroren. Sodann wurden 13 Forderungen gestellt, darunter der Abbruch der Beziehungen mit dem Iran oder die Schließung des TV-Senders Al Jazeera.
Das Ergebnis: Der Sender ist in Doha aktiv wie eh und je, die Beziehungen zum Iran sind immer noch intakt – und Katar ist wirtschaftlich nicht stranguliert worden. Und das Emirat arbeitet auch mit voller Geschwindigkeit weiter an den Vorbereitungen für die umstrittene Fußball-WM im Jahr 2022. Ein Event, der einigen Golfstaaten ebenfalls ein Dorn im Auge ist.
Im Alltag ist der Boykott nur an Kleinigkeiten zu merken. So muss beim Anflug aus Europa die Maschine einen kleinen Umweg über den iranischen Luftraum machen, weil der sau- dische gesperrt ist. Manche Nahrungsmittel, die früher über die offene Landgrenze aus Saudiarabien kamen, seien wegen längerer Transportwege per Schiff oder Flugzeug jetzt etwas teurer geworden, erzählt ein Hotelmanager. In einem reichen Land wie Katar fällt das aber kaum auf. Positive Berichte. Doch wie schafft es die Regierung, dem Boykott der mächtigen Golfstaaten zu trotzen? Zuerst einmal musste die Logistik geändert werden. Jene Güter und Lebensmittel, die bisher über den größten Hafen am Golf, nämlich Jebel Ali, in Dubai ankamen und dann am Landweg über Saudiarabien weitertransportiert wurden, werden jetzt mit dem Schiff direkt nach Katar angeliefert, nicht wenige Güter auch mit dem Flugzeug.
Eine weitere Strategie ist, grundsätzlich mehr Unabhängigkeit bei der Nahrungsmittelversorgung zu erreichen. So gibt es derzeit massive Bestrebungen, Hühnerfarmen im Land auszubauen. Der Chef einer Rinder-Großfarm gab bekannt, dass in den USA 10.000 Milchkühe gekauft werden und dafür raschest riesige Stallzentren gebaut werden müssen. „Der Boykott ist ein Weckruf für uns, die eigenen Landwirtschaftsstrukturen auszubauen“, so der Farmchef in der „Qatar Tribune“.
Außerdem werden die Wirtschaftsbeziehungen zu jenen Staaten, die nicht am Boykott teilnehmen, forciert. Genüsslich und ausführlich zitieren die Medien Berichte ausländischer Zeitungen, wenn sie ins Bild passen. Wenn etwa der renommierte „Economist“einen Bericht bringt, dass Dubai und die anderen Emirate durch den Boykott verlieren, weil reiche Kataris dort nicht mehr in Immobilien oder Firmen investieren, wird das in Doha groß vermeldet und diskutiert. „Ein ungerechter Boykott, der aber ohnehin ins Leere geht“, sagt ein Verkäufer im Souk von Doha.
Politisch verfolgt der Emir die Strategie, befreundete Staaten noch mehr zu hofieren und ins Boot zu holen. Da wird in den Medien groß und positiv über einen Besuch des Außenministers von Kuwait, das sich der Boykottfront nicht angeschlossen hat, berichtet. Da wird bei jeder Möglichkeit über die positive Rolle der Omanis gesprochen und da darf auch Tayyip Erdogan,˘ dessen Türkei sich voll auf die Seite Katars gestellt hat, in Medien groß über seine Sicht der Krise sprechen. Und darüber, wie wichtig es sei, dass Ankara in dem Land einen Militärstützpunkt mit 250 Soldaten unterhalte. Mitte November besuchte Erdogan˘ das Emirat.
Der Kreis der Unterstützer wird seit Ausbruch der Krise auch durch großzügige Deals erweitert. Ende Oktober
Al Jazeera ist in Doha aktiv wie eh und je, die Beziehungen zum Iran sind intakt. Militärabkommen, Kampfjets, Kriegsschiffe: Katar schließt Waffendeals in aller Welt ab.
wurde mit Russland ein Abkommen zur militärischen Zusammenarbeit geschlossen. Aber auch der Westen sieht wohlwollend auf Katar: Mit Großbritannien wurde der Kauf von 24 Kampfjets vereinbart. Italien liefert um fünf Mrd. Euro Kriegsschiffe an Katar. Und zehn Mrd. Euro will Doha für Kampfflugzeuge aus den USA ausgeben.
Das ist gut für die US-Wirtschaft. Aber politisch passt dieser innerarabische Konflikt der US-Regierung, die auf eine einige Front gegen den Erzfeind Iran drängt, so gar nicht ins Konzept. Eine Lösung finden die Amerikaner, die auch einen großen Militärstützpunkt in Katar haben, nicht. Er plädiere für einen Dialog, sagte US-Außenminister Rex Tillerson dieser Tage in Doha. Aber er habe „keinen Hinweis, dass es in Riad Gesprächsbereitschaft“gebe. Und man könne ein Land nicht zu einem Dialog zwingen, fügte er resignierend hinzu.
Dass die Saudis auf hart spielen wollen, zeigte sich Mitte dieser Woche. In Kuwait fand der Gipfel des Golf-Kooperationsrates statt und der Gastgeber hatte dazu auch Katar eingeladen. Worauf auf Betreiben Riads die anderen Golfstaaten keine hochrangigen Vertreter schickten und der Gipfel nach wenigen Stunden ergebnislos endete.