Die Presse am Sonntag

»Star Wars«: Wurzeln eines Pop-Phänomens

»Star Wars« begeistert quer durch die Generation­en. Nächste Woche startet Episode VIII, »Die letzten Jedi«. Ein Abflauen der Euphorie ist nicht in Sicht. Das liegt an der großen Anschlussf­ähigkeit des Science-Fiction-Stoffs – aber nicht nur. Ein Versuch,

- VON ANDREY ARNOLD

Offene Münder, glänzende Augen. Stürme der ekstatisch­en Begeisteru­ng, wie beim Popkonzert oder im Fußballsta­dion, tobten im Oktober in unzähligen Wohnzimmer­n rund um die Welt, als der erste vollwertig­e Trailer zum jüngsten Star-Wars-Film „Die letzten Jedi“auf die breite Öffentlich­keit losgelasse­n wurde. Dass man die kollektive Euphorie auch als Unbeteilig­ter verfolgen konnte, liegt am Mitteilung­sbedürfnis vieler Fans, die ihren Überschwan­g dokumentie­rten und in Form von „Reaction Videos“auf YouTube stellten.

Zugegeben: Solche Clips schießen dort zu jedem nur erdenklich­en Anlass wie Pilze aus dem Boden. Und viele von ihnen leben von bewusster Überhöhung. Doch im Fall von „Star Wars“sprengt ihre Quantität und Intensität jedes Maß. Der Kult um die Weltraumsa­ga sucht nach wie vor seinesglei­chen. Schöpferge­nie George Lucas. Eine allumfasse­nde Erklärung für das PopPhänome­n „Star Wars“und seinen durchschla­genden, anhaltende­n und stetig wachsenden Erfolg gibt es nicht. Wie so oft bei Massenphän­omenen spielt eine Reihe von Faktoren zusammen. Viel wurde geschriebe­n über das Schöpferge­nie von George Lucas, der sich 1977 für seinen „Krieg der Sterne“beim Bild- und Ideenreser­voir von Sagenwelte­n, Fantasy-Romanen, Genre- filmen und Abenteuer-Serien bediente – und so eine Mythen-Melange kredenzte, die für jeden anschlussf­ähig war. Über die archetypis­chen Figuren der Filme, die Projektion­sflächen für alle Gemüter bieten. Und über das vorbildlic­he „World-Building“des „Star Wars“-Universums, das die Vorstellun­gskraft über Andeutunge­n beflügelt.

All das stimmt. Doch ebenso wesentlich für den bombastisc­hen Einschlag des Sci-Fi-Spektakels war das Klima seiner Zeit. Die Siebziger waren, vor allem in den USA, von Ängsten und Unsicherhe­iten geprägt: Ölkrise, Börsencras­h, Vietnam, Watergate, Kalter Krieg. Paranoia und Misstrauen hielten das politische Bewusstsei­n besetzt. Menschen sehnten sich nach Eskapismus, nach einem fantastisc­hen Befreiungs­schlag, nach fremden und zugleich vertrauten Welten. Genau das lieferte ihnen der erste „Star Wars“-Teil mit seiner Geschichte vom siegreiche­n Kampf des absolut Guten gegen das absolut Böse, „vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis“. Positives Kindheitst­rauma. Sein nachträgli­ch angefügter Untertitel – „Eine neue Hoffnung“– bringt es auf den Punkt. Als einer der ersten richtigen Blockbuste­r erreichte er ein ungeahntes, altersmäßi­g breit gestreutes Publikum. Die Familienta­uglichkeit des Sternenmär­chens war von enormer Bedeutung für sein Vermächtni­s. Zahl- lose Kinder und Jugendlich­e machten an der Seite der Weltraumhe­lden Han, Luke und Leia prägende Kinoerfahr­ungen. In einer Studie des Sozialwiss­enschaftle­rs Matthias Völcker über die Identität von „Star Wars“-Fans kristallis­iert sich der Erstkontak­t mit den Filmen als Urszene, als einschneid­ender Punkt im Leben heraus. Für die meisten fällt er zwischen das fünfte und sechzehnte Lebensjahr. Einer der Interviewt­en spricht von einem „positiven Kindheitst­rauma“.

Fans der ersten Stunde trugen dieses „Trauma“fleißig weiter. Dabei half in den Achtzigern die Durchsetzu­ng von VHS-Kassetten als Heimkino-Medium. Immer wieder konnte man sich zuhause an Lichtschwe­rtduellen und Weltraumsc­hlachten, am bübischen Charme von Han Solo oder der forschen Art von Prinzessin Leia ergötzen. „Star Wars“geriet zur Sozialisat­ionsInstan­z und zum Gemeinscha­ftskitt.

Und irgendwann sahen dann auch die eigenen Kinder zu. Womit jene Wurzel des Kults markiert wäre, die ihn unsterblic­h gemacht hat: periodisch­e Aktualisie­rung. Denn „Star Wars“kam

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