»Geschenkt wird dir nichts«
Ex-Sportler, Schauspieler, Kultsänger: Hansi Hinterseer veröffentlicht Platte um Platte, nach einer Pause war er jüngst wieder mit einem Film im ORF zu sehen. Im Interview spricht er über Erfolg und Ehrgeiz, über die Distanz zu Gabalier und Politik und di
Man kann es ja versuchen. Man kann versuchen, zu einem Interview mit Hans Hinterseer zu gehen wie zu jedem anderen auch, ihn „Herr Hinterseer“nennen, „per Sie“natürlich. Es hält bloß nicht lang. Kurz, wenn es für das Foto unter den schönen Luster ins Stiegenhaus des Hotel Ruby Sofie geht, ist er geschäftsmäßig und ernst. Dann ist er Hansi, lächelnd, Dialekt, wie man ihn anders nicht kennt. Siezen oder andere Formalitäten gibt es nicht, für ihn ist man dann ein „Dirndl“, aber das nimmt man ihm nicht übel, so lieb und freundlich wie er auch bleibt, wenn man ihn fragt, ob ihm dieses „Heile-Welt-Getue“zwischendurch nicht auf die Nerven geht. Er bleibt für immer Hansi, der von den Bergen, dem Glück und der Liebe singt – und darüber am liebsten auch spricht. Unter anderem. Es gibt ein neues Album und ein neues Märchenbuch, vor Kurzem war ein neuer Hansi Hinterseer-Film im ORF zu sehen, dazu kommen Konzerte und TV-Auftritte. Wie anstrengend ist es, Hansi Hinterseer zu sein? Hansi Hinterseer. Eigentlich gar nicht. Wenn ich jeden Tag von acht bis zwölf und von eins bis sechs in einem Büro sitzen müsst’, das wär nichts für mich, da würde ich eingehen. Ich hab’ das Glück, dass ich in den Bergen bin, dass ich das tun kann, was ich gern tue. Ich hab’ viele Ideen, die ich verwirklichen kann und werde auch noch dafür bezahlt. Sicher ist es anstrengend, das ist klar, aber das interessiert ja die Leute nicht. Ich bin dankbar, dass ich das machen darf. Beim Hansi Hinterseer ist immer alles lieb und schön und voller Freude. Wie viel Arbeit und Ehrgeiz braucht man, um so eine Welt aufzubauen? Ich glaube, jeder von uns bekommt einmal im Leben die Chance, etwas zu machen. Die Frage ist: Traust’ dich drüber oder nicht? Und dann musst’ natürlich selbst etwas daraus machen. Dass ich beim Skifahren Talent hatte, war ein Glück, aber ich hab’s mir auch erarbeiten müssen. Beim Singen wurde mir das Angebot gemacht, am Ende stehst’ aber allein auf der Bühne, es kommt auf dich an. Deswegen: Jeder hat die Möglichkeit, das Glück am Schopf zu packen, aber du musst es auch tun. Hättest du nach den ersten Auftritten gedacht, dass das mit der Musik so lang geht? Nein, sicher nicht. Ich wollte das am Anfang gar nicht machen. Da hat die Frau gesagt, warum nicht, du hast nichts zu verlieren. Der Sailer Toni, der Beckenbauer, die Stars damals, die haben alle Schallplatten gemacht, das war in. Also habe ich auch eine gemacht, damit ich sagen kann: I hab a eine. . . . und du bist als Einziger geblieben. Dass das solche Bahnen nimmt, ja, das ist fantastisch. Jetzt bin ich 25 Jahre dabei, das ist ein Wahnsinn. Und das macht nach wie vor wahnsinnig Spaß. Was ist es denn, das daran noch immer so viel Freude macht? Die Konzerte, die Fans? Beides. Vor allem die Anerkennung. Jedem kannst’ es eh nicht recht machen. Aber wenn man auf der Bühne steht, man versucht, Stimmung reinzubringen und du spürst, wie der Funken überspringt, das ist ein bäriges Gefühl. Das ist irgendwie gegeben von oben, man muss auch hart dafür arbeiten, geschenkt wird dir nichts. Aber es ist schön, man kann nicht erklären, was das für ein Gefühl ist, wenn man Applaus, wenn man Anerkennung kriegt. Oft werden Schlager und volkstümliche Musik ja belächelt. Ist das kränkend?
Johann Ernst „Hansi“
Hinterseer wurde 1954 in Kitzbühel geboren und ist dort auf der Seidlalm aufgewachsen. Er kam früh zum Skisport, im Weltcup gewann er von 1971 bis 1976 sechs Rennen. 1978, mit 24 Jahren, hat Hinterseer seine Weltcupkarriere beendet.
Die zweite Karriere
hat als Sänger auf einer Geburtstagsparty von Produzent Jack White, mit einem ersten Plattenvertrag 1994 und ersten Auftritten zur Debütsingle „Du hast mich heut’ noch nicht geküsst“begonnen.
Seither
sind jedes Jahr (teils mehrere) Alben erschienen, Hinterseer hat in etlichen Heimatfilmen mitgespielt. Seit 2017 produziert der ORF wieder Musik- und Natursendungen mit Hansi Hinterseer. Wir haben interessanterweise ein Problem mit der deutschen Sprache. Wir Österreicher haben einen bärigen Dialekt. Von der Geschichte her haben viele vielleicht ein Problem mit dem Schlager, aber ich finde, wie derzeit alle auf den Schlager aufspringen, das ist wunderbar. Früher haben Schlagerstars halt ihr Lied vorgetragen, jetzt pushen sie das und machen eine Show draus. Gefällt dir die Entwicklung? Die Shows, die Helene Fischers und Florian Silbereisens? Na ja, momentan machen sie halt auf Mordsshow. Die Frage ist, was willst du noch machen? Irgendwann ist dann Ende, von der Show her. Deswegen sag ich, es kommt auf den Typen da oben an. Du kannst ein Feuerwerk machen, aber es lebt vom Künstler. Das Rundherum soll nicht vordergründig sein. Hansi Hinterseer hat ja auch bei jungen Leuten Kultstatus. Es gibt YouTube-Videos mit Gangster Rap zu Hinterseer-Filmen. Fühlst du dich da auf die Schaufel genommen? Na, des’ ist ja lässig. Das ist ganz interessant bei mir, ich hab’ ja das Glück, dass mich viele Leute aus dem Sport kennen. Aber die Jungen, ich weiß nicht, was es ist, das den jungen Leuten gefällt. Aber ich bin dankbar und mir macht’s einen Riesenspaß. Wie erklärst du dir denn diese Hinwendung zu Schlager, Brauchtum und Tracht? Für mich ist das gut. Das ist unsere Tradition, das sind wir! In der Musik bekennt man sich wieder mehr zur Sprache. Wenn ein Amerikaner umeinanderrappt, das mag musikalisch bärig sein, aber eigentlich versteht es keiner. Das ist beim Dialekt das Schöne, dass man es versteht. Aber Musik soll man nicht in eine Schublade geben, Musik kann Menschen zusammenbringen, ob man es versteht oder nicht. Wenn einer die Fähigkeit hat, Menschen auf der Bühne zu fesseln, macht er was richtig. Wie siehst du die Diskussionen um politische Konnotation von Schlager, oder die Debatten, die es um Andreas Gabalier gab? Davon weiß ich nichts, was hat es da gegeben? Seine Äußerungen zu Homosexuellen, zur Kopftuch-Debatte, den Töchtern in der Hymne, die kontrovers diskutiert wurden. . . Ach so, na, das weiß ich nicht, was der gemacht hat. Ich hab mich da immer herausgehalten. Ich habe viele Angebote bekommen, für Spitzenpositionen oder für Auftritte im Hinblick auf Wahlen, da hab ich immer gesagt: Leutln, seid’s mir nicht böse, ich bin Sänger und Sportler, das andere bin i ned. Aber da muss jeder selbst wissen, wie weit er geht. Ich bin der Meinung: Ich bin der Hansi, ich mach mein Ding und fertig. Als Sportler hattest du ja den Ruf des Rebellen. Bist du noch einer, der aufbegehrt? Ich war nie einer, der irgendwo mitgeschwommen ist. Ich bin immer mit dem Schädel gegen die Wand, auch wenn ich gemerkt habe, dass man nicht durchkommt. Als Sportler musst’ Idealist und Einzelkämpfer sein. Wenn du nur mit der Mannschaft gehst, kommst’ nicht weit. Als junger Sportler gibst du auch den Senf dazu, wo es nicht gescheit ist. Ich habe viele Fehler gemacht, aber ich täte es wieder. Muss man auch als Musiker mit dem Kopf durch die Wand? In einer gewissen Weise bist du auch in einer Situation, in der andere Leute meinen, du sollst das und das machen. Nur: Du musst raufgehen, dich wohlfühlen mit dem, was du machst. Wenn einer, der nie oben gestanden ist, dir einen Tipp geben will, musst’ sagen: Seids mir nicht böse, das tu ich nicht. Bei was zum Beispiel? Na, bei mir wissen sie jetzt schon, dass ich schwieriger bin. Aber der Roy Black zum Beispiel, der wollte immer Rock ’n’ Roll spielen, seinen Erfolg hatte er mit Schmuseliedern, aber eigentlich wollte er etwas anderes machen. Würdest du auch einmal was anderes machen? Ein bisserl ausbrechen aus dem Stil? Ich will nicht ausbrechen, ich fühl mich sauwohl bei dem, was ich mache. Ich bin ein Fan von Rock ’n’ Roll, aber das können andere besser als ich. Bei deinen Konzerten trifft man Leute, die sind total beseelt von Hansi Hinterseer. Outfit von Kopf bis Fuß, dieselbe Frisur, Leute reisen dir wochenlang nach. Wie geht man mit so einem Status um? Dankbar und vorsichtig. Gut zu wissen, dass man diese Fans hat, aber man muss aufpassen, dass man sie nicht zu nahekommen lässt. Es muss Privatsphäre geben. Ich hab’ immer gesagt: Leutln, ich bin dankbar, ich bin stolz, dass ich euch hab’, aber bitte gebt mir Privatsphäre, dann haben wir ein super Miteinander. Das geht seit 25 Jahren gut. Im Großen und Ganzen muss man sagen, Fans sind irrsinnig wichtig. Ohne Fans kannst auch nichts verkaufen. Kann Hansi Hinterseer privat sein? Wie weit kannst du unerkannt auf der Straße gehen? Ich hab’ da kein Problem. Vielleicht bin ich durch den Sport in einer anderen Position als gewisse andere Leute, die jetzt vorn dabei sind. Wir sind schon damals für die Fans dagewesen. Du musst ihnen das Gefühl geben: Willkommen! Aber da ist’s irgendwo fertig. Was macht so viel Verehrung mit einem? Verändert einen das, hebt man ab? Na ja. Kennst du leicht irgendeinen, der fliegen kann? Nein, ich bin normal aufgewachsen am Berg oben, und wie gesagt, fliegen kann keiner von uns.