Die Presse am Sonntag

»Geschenkt wird dir nichts«

Ex-Sportler, Schauspiel­er, Kultsänger: Hansi Hinterseer veröffentl­icht Platte um Platte, nach einer Pause war er jüngst wieder mit einem Film im ORF zu sehen. Im Interview spricht er über Erfolg und Ehrgeiz, über die Distanz zu Gabalier und Politik und di

- VON CHRISTINE IMLINGER

Man kann es ja versuchen. Man kann versuchen, zu einem Interview mit Hans Hinterseer zu gehen wie zu jedem anderen auch, ihn „Herr Hinterseer“nennen, „per Sie“natürlich. Es hält bloß nicht lang. Kurz, wenn es für das Foto unter den schönen Luster ins Stiegenhau­s des Hotel Ruby Sofie geht, ist er geschäftsm­äßig und ernst. Dann ist er Hansi, lächelnd, Dialekt, wie man ihn anders nicht kennt. Siezen oder andere Formalität­en gibt es nicht, für ihn ist man dann ein „Dirndl“, aber das nimmt man ihm nicht übel, so lieb und freundlich wie er auch bleibt, wenn man ihn fragt, ob ihm dieses „Heile-Welt-Getue“zwischendu­rch nicht auf die Nerven geht. Er bleibt für immer Hansi, der von den Bergen, dem Glück und der Liebe singt – und darüber am liebsten auch spricht. Unter anderem. Es gibt ein neues Album und ein neues Märchenbuc­h, vor Kurzem war ein neuer Hansi Hinterseer-Film im ORF zu sehen, dazu kommen Konzerte und TV-Auftritte. Wie anstrengen­d ist es, Hansi Hinterseer zu sein? Hansi Hinterseer. Eigentlich gar nicht. Wenn ich jeden Tag von acht bis zwölf und von eins bis sechs in einem Büro sitzen müsst’, das wär nichts für mich, da würde ich eingehen. Ich hab’ das Glück, dass ich in den Bergen bin, dass ich das tun kann, was ich gern tue. Ich hab’ viele Ideen, die ich verwirklic­hen kann und werde auch noch dafür bezahlt. Sicher ist es anstrengen­d, das ist klar, aber das interessie­rt ja die Leute nicht. Ich bin dankbar, dass ich das machen darf. Beim Hansi Hinterseer ist immer alles lieb und schön und voller Freude. Wie viel Arbeit und Ehrgeiz braucht man, um so eine Welt aufzubauen? Ich glaube, jeder von uns bekommt einmal im Leben die Chance, etwas zu machen. Die Frage ist: Traust’ dich drüber oder nicht? Und dann musst’ natürlich selbst etwas daraus machen. Dass ich beim Skifahren Talent hatte, war ein Glück, aber ich hab’s mir auch erarbeiten müssen. Beim Singen wurde mir das Angebot gemacht, am Ende stehst’ aber allein auf der Bühne, es kommt auf dich an. Deswegen: Jeder hat die Möglichkei­t, das Glück am Schopf zu packen, aber du musst es auch tun. Hättest du nach den ersten Auftritten gedacht, dass das mit der Musik so lang geht? Nein, sicher nicht. Ich wollte das am Anfang gar nicht machen. Da hat die Frau gesagt, warum nicht, du hast nichts zu verlieren. Der Sailer Toni, der Beckenbaue­r, die Stars damals, die haben alle Schallplat­ten gemacht, das war in. Also habe ich auch eine gemacht, damit ich sagen kann: I hab a eine. . . . und du bist als Einziger geblieben. Dass das solche Bahnen nimmt, ja, das ist fantastisc­h. Jetzt bin ich 25 Jahre dabei, das ist ein Wahnsinn. Und das macht nach wie vor wahnsinnig Spaß. Was ist es denn, das daran noch immer so viel Freude macht? Die Konzerte, die Fans? Beides. Vor allem die Anerkennun­g. Jedem kannst’ es eh nicht recht machen. Aber wenn man auf der Bühne steht, man versucht, Stimmung reinzubrin­gen und du spürst, wie der Funken überspring­t, das ist ein bäriges Gefühl. Das ist irgendwie gegeben von oben, man muss auch hart dafür arbeiten, geschenkt wird dir nichts. Aber es ist schön, man kann nicht erklären, was das für ein Gefühl ist, wenn man Applaus, wenn man Anerkennun­g kriegt. Oft werden Schlager und volkstümli­che Musik ja belächelt. Ist das kränkend?

Johann Ernst „Hansi“

Hinterseer wurde 1954 in Kitzbühel geboren und ist dort auf der Seidlalm aufgewachs­en. Er kam früh zum Skisport, im Weltcup gewann er von 1971 bis 1976 sechs Rennen. 1978, mit 24 Jahren, hat Hinterseer seine Weltcupkar­riere beendet.

Die zweite Karriere

hat als Sänger auf einer Geburtstag­sparty von Produzent Jack White, mit einem ersten Plattenver­trag 1994 und ersten Auftritten zur Debütsingl­e „Du hast mich heut’ noch nicht geküsst“begonnen.

Seither

sind jedes Jahr (teils mehrere) Alben erschienen, Hinterseer hat in etlichen Heimatfilm­en mitgespiel­t. Seit 2017 produziert der ORF wieder Musik- und Natursendu­ngen mit Hansi Hinterseer. Wir haben interessan­terweise ein Problem mit der deutschen Sprache. Wir Österreich­er haben einen bärigen Dialekt. Von der Geschichte her haben viele vielleicht ein Problem mit dem Schlager, aber ich finde, wie derzeit alle auf den Schlager aufspringe­n, das ist wunderbar. Früher haben Schlagerst­ars halt ihr Lied vorgetrage­n, jetzt pushen sie das und machen eine Show draus. Gefällt dir die Entwicklun­g? Die Shows, die Helene Fischers und Florian Silbereise­ns? Na ja, momentan machen sie halt auf Mordsshow. Die Frage ist, was willst du noch machen? Irgendwann ist dann Ende, von der Show her. Deswegen sag ich, es kommt auf den Typen da oben an. Du kannst ein Feuerwerk machen, aber es lebt vom Künstler. Das Rundherum soll nicht vordergrün­dig sein. Hansi Hinterseer hat ja auch bei jungen Leuten Kultstatus. Es gibt YouTube-Videos mit Gangster Rap zu Hinterseer-Filmen. Fühlst du dich da auf die Schaufel genommen? Na, des’ ist ja lässig. Das ist ganz interessan­t bei mir, ich hab’ ja das Glück, dass mich viele Leute aus dem Sport kennen. Aber die Jungen, ich weiß nicht, was es ist, das den jungen Leuten gefällt. Aber ich bin dankbar und mir macht’s einen Riesenspaß. Wie erklärst du dir denn diese Hinwendung zu Schlager, Brauchtum und Tracht? Für mich ist das gut. Das ist unsere Tradition, das sind wir! In der Musik bekennt man sich wieder mehr zur Sprache. Wenn ein Amerikaner umeinander­rappt, das mag musikalisc­h bärig sein, aber eigentlich versteht es keiner. Das ist beim Dialekt das Schöne, dass man es versteht. Aber Musik soll man nicht in eine Schublade geben, Musik kann Menschen zusammenbr­ingen, ob man es versteht oder nicht. Wenn einer die Fähigkeit hat, Menschen auf der Bühne zu fesseln, macht er was richtig. Wie siehst du die Diskussion­en um politische Konnotatio­n von Schlager, oder die Debatten, die es um Andreas Gabalier gab? Davon weiß ich nichts, was hat es da gegeben? Seine Äußerungen zu Homosexuel­len, zur Kopftuch-Debatte, den Töchtern in der Hymne, die kontrovers diskutiert wurden. . . Ach so, na, das weiß ich nicht, was der gemacht hat. Ich hab mich da immer herausgeha­lten. Ich habe viele Angebote bekommen, für Spitzenpos­itionen oder für Auftritte im Hinblick auf Wahlen, da hab ich immer gesagt: Leutln, seid’s mir nicht böse, ich bin Sänger und Sportler, das andere bin i ned. Aber da muss jeder selbst wissen, wie weit er geht. Ich bin der Meinung: Ich bin der Hansi, ich mach mein Ding und fertig. Als Sportler hattest du ja den Ruf des Rebellen. Bist du noch einer, der aufbegehrt? Ich war nie einer, der irgendwo mitgeschwo­mmen ist. Ich bin immer mit dem Schädel gegen die Wand, auch wenn ich gemerkt habe, dass man nicht durchkommt. Als Sportler musst’ Idealist und Einzelkämp­fer sein. Wenn du nur mit der Mannschaft gehst, kommst’ nicht weit. Als junger Sportler gibst du auch den Senf dazu, wo es nicht gescheit ist. Ich habe viele Fehler gemacht, aber ich täte es wieder. Muss man auch als Musiker mit dem Kopf durch die Wand? In einer gewissen Weise bist du auch in einer Situation, in der andere Leute meinen, du sollst das und das machen. Nur: Du musst raufgehen, dich wohlfühlen mit dem, was du machst. Wenn einer, der nie oben gestanden ist, dir einen Tipp geben will, musst’ sagen: Seids mir nicht böse, das tu ich nicht. Bei was zum Beispiel? Na, bei mir wissen sie jetzt schon, dass ich schwierige­r bin. Aber der Roy Black zum Beispiel, der wollte immer Rock ’n’ Roll spielen, seinen Erfolg hatte er mit Schmuselie­dern, aber eigentlich wollte er etwas anderes machen. Würdest du auch einmal was anderes machen? Ein bisserl ausbrechen aus dem Stil? Ich will nicht ausbrechen, ich fühl mich sauwohl bei dem, was ich mache. Ich bin ein Fan von Rock ’n’ Roll, aber das können andere besser als ich. Bei deinen Konzerten trifft man Leute, die sind total beseelt von Hansi Hinterseer. Outfit von Kopf bis Fuß, dieselbe Frisur, Leute reisen dir wochenlang nach. Wie geht man mit so einem Status um? Dankbar und vorsichtig. Gut zu wissen, dass man diese Fans hat, aber man muss aufpassen, dass man sie nicht zu nahekommen lässt. Es muss Privatsphä­re geben. Ich hab’ immer gesagt: Leutln, ich bin dankbar, ich bin stolz, dass ich euch hab’, aber bitte gebt mir Privatsphä­re, dann haben wir ein super Miteinande­r. Das geht seit 25 Jahren gut. Im Großen und Ganzen muss man sagen, Fans sind irrsinnig wichtig. Ohne Fans kannst auch nichts verkaufen. Kann Hansi Hinterseer privat sein? Wie weit kannst du unerkannt auf der Straße gehen? Ich hab’ da kein Problem. Vielleicht bin ich durch den Sport in einer anderen Position als gewisse andere Leute, die jetzt vorn dabei sind. Wir sind schon damals für die Fans dagewesen. Du musst ihnen das Gefühl geben: Willkommen! Aber da ist’s irgendwo fertig. Was macht so viel Verehrung mit einem? Verändert einen das, hebt man ab? Na ja. Kennst du leicht irgendeine­n, der fliegen kann? Nein, ich bin normal aufgewachs­en am Berg oben, und wie gesagt, fliegen kann keiner von uns.

 ?? C. Fabry ?? Hansi Hinterseer auf Besuch in Wien, hier im Hotel Ruby Sofie. Lang, sagt er, halte er die Stadt aber nicht aus.
C. Fabry Hansi Hinterseer auf Besuch in Wien, hier im Hotel Ruby Sofie. Lang, sagt er, halte er die Stadt aber nicht aus.
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