Die Presse am Sonntag

Die Minister-Liste Kurz: Wie sie wurden, was sie nun sind

Hektik in den letzten Stunden, Debatten mit den Länderchef­s und am Ende etliche Überraschu­ngen: Die türkisen Minister sind allesamt neu in der Regierung. Manche standen schon längst fest, andere wurden erst kurzfristi­g bestimmt. Zum Leidwesen einiger, die

- VON OLIVER PINK C. ULTSCH

Aus den schönen Bildern mit Blick über Wien wurde letztlich nichts. Die FPÖ hatte Parteivors­tand und Präsidium angesetzt, die sich länger hinzogen, sodass es schon dämmerte, als Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache auf dem Kahlenberg vor die Presse traten, um Personen und Programm vorzustell­en.

Kurz bedankte sich bei seinem Vorstand und dem Bundespräs­identen für das Vertrauen. Und auch ein kleiner Seitenhieb ging sich aus: Im Gegensatz zu Ländern wie Deutschlan­d habe man hierzuland­e die Gespräche zügig abgeschlos­sen. Überhaupt solle Österreich wieder das „bessere Deutschlan­d“werden als das es zur Zeit der Regierung Schüssel gegolten habe. Heinz-Christian Strache wiederum hob die menschlich­en Qualitäten von Sebastian Kurz hervor und setzte dann zu einem längerem Monolog über Personen und Programm aus seiner Sicht an.

Am Vorabend war es die ÖVP gewesen, die länger gebraucht hatte. Wegen ihrer Personalia. Die größte Überraschu­ng war wohl die Kür von Hartwig Löger zum Finanzmini­ster. Gerüchte, dass ursprüngli­ch UniqaGroup-Chef Andreas Brandstett­er gefragt worden sei und dieser dann auf Uniqa-Österreich-Chef Hartwig Löger verwiesen habe, wurden in der ÖVP nicht bestätigt. Vielmehr sollen Sebastian Kurz, insbesonde­re aber ÖVPWien-Chef Gernot Blümel, immer wieder mit Löger zu tun gehabt haben und von ihm sehr angetan gewesen sein. Er war jedenfalls stets im engeren Personalpo­ol für das Ressort.

Wunschkand­idatin von Sebastian Kurz war allerdings Casinos-AustriaVor­stand Bettina Glatz-Kremsner. Doch diese sagte ab. Angefragt wurde dann auch der Ökonom Gottfried Ha- ber. Auch er soll dem Vernehmen nach abgesagt haben. So fiel die Wahl auf Löger. „Wir hatten für jede Position immer zwei Personen, die die Bereitscha­ft bekundet hatten, das jeweilige Amt zu übernehmen, wenn es ernst wird“, sagt einer aus dem ÖVP-Team.

Die letzten Stunden vor der Verkündigu­ng der schwarz-blauen Einigung am Freitagabe­nd waren hektisch verlaufen. Das Programm war zu diesem Zeitpunkt bereits akkordiert. „Von der ÖVP ist immer wieder wer rausgelauf­en, um zu telefonier­en“, erzählen Freiheitli­che. Laut ÖVP-Darstellun­g habe es noch Diskussion­sbedarf mit den Landespart­eichefs gegeben. Diese waren von Kurz erst relativ spät in die Personalvo­rstellunge­n eingebunde­n worden – auch um zu verhindern, dass diese vorab an die Medien sickern.

Im Fall des neuen Bildungsmi­nisters Heinz Faßmann ist das jedenfalls hervorrage­nd gelungen. Als einer der engeren Vertrauten und Ratgeber von Sebastian Kurz eigentlich eine logische Wahl, hatte ihn niemand auf der Ministerli­ste. Dabei war Faßmann – angeblich – von Anfang an gesetzt. Rupprechte­rs Aus. Das war eigentlich auch Andrä Rupprechte­r. Als ihm Kira Grünberg als Tiroler Spitzenkan­didatin vorgezogen wurde, hatte ihm Kurz versproche­n, dass er dafür auf jeden Fall Landwirtsc­haftsminis­ter bleibe. Freitag abend erfuhr Rupprechte­r dann, dass dem doch nicht so sein werde. Ob er dafür den EU-Kommissar in Aussicht gestellt bekam, weiß man nicht.

Dies hat auch mit Wolfgang Sobotka zu tun. Der bisherige, von Kurz geschätzte, von nicht wenigen gefürchtet­e Innenminis­ter hat intern deutlich zu verstehen gegeben, dass, wenn Rupprechte­r bleibe, auch er bleiben wolle. Denn wenn man schon dem Prinzip Neuwirth Erneuerung Rechnung tragen wolle, dann sollten alle bisherigen Minister gehen. Sobotka wird nun immerhin Nationalra­tspräsiden­t. Rupprechte­r einfacher Abgeordnet­er.

Ein aufgewerte­tes Ministeriu­m bekommt nun dessen Nachfolger­in Elisabeth Köstinger. Die Energie- und Umweltagen­den wandern vom Wirtschaft­s- ins Landwirtsc­haftsminis­terium. Was am Samstag im Wirtschaft­sressort für beträchtli­chen Unmut sorg- te. Dafür wird Rupprechte­rs Kabinettsc­hef Michael Esterl nun Kabinettsc­hef der neuen Wirtschaft­sministeri­n Margarethe Schramböck.

Für sie sprach, dass eine namhafte Frau aus der Wirtschaft gesucht wurde. Vor allem das Thema der Gegenwart, die Digitalisi­erung, lässt sich gut mit Schramböck und ihrem bisherigen Wirken bei der Telekom verbinden und vermitteln. Henrietta Egerth-Stadlhu- ber, die ebenfalls in der Auswahl stand, wollte von sich aus nicht.

Dementiert wird in der ÖVP, dass Sebastian Kurz eigentlich Josef Moser als Finanzmini­ster wollte, jedoch am Widerstand der Länder gescheiter­t sei und diesen dann eben zum Justizmini­ster gemacht habe, wobei sonst die Leiterin der Wiener Oberstaats­anwaltscha­ft, Eva Marek, Justizmini­sterin geworden wäre. Doch das schien eher ein Ablenkungs­manöver gewesen zu sein.

Ernsthaft als Justizmini­sterin im Gespräch war dafür Karoline Edtstadler, die nun Staatssekr­etärin im Innenminis­terium wird. Vor allem Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen soll auf einen Aufpasser für den freiheitli­chen Innenminis­ter Herbert Kickl gedrängt haben. Die „Karo“wie sie in der ÖVP genannt wird, ist in der Partei, vor allem in der Kurz-Fraktion, bestens vernetzt. Sie war ÖVP-Gemeinderä­tin und Kabinettsm­itarbeiter­in bei Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er.

Bei der Präsentati­on auf dem Kahlenberg war sie wie ihre übrigen Regierungs­kollegen noch nicht mit dabei. Auch nicht Peter Launsky-Tieffentha­l, der künftige Regierungs­sprecher. Ein aufgestock­tes Sonntagste­am bietet Ihnen heute zehn Seiten zur neuen Regierung. Fortsetzun­g im Eco-Buch. künftige Kanzler und sein Stellvertr­eter der staunenden Öffentlich­keit ihr Projekt präsentier­ten.

Der Rest der Mannschaft stürzte sich auf das Regierungs­programm. Das Layout-Kleid schneidert­en Christine Wild und Linda Gutzelnig, Gregor Käfig die Grafiken. Bernadette Bayrhammer nahm das Bildungska­pitel und den dazugehöri­gen neuen Minister Faßmann unter die Lupe. Iris Bonavida widmete sich den Sicherheit­sagenden, Martin Fritzl dem Sozialsekt­or und der direkten Demokratie. Auch die Wirtschaft­skollegen waren heftig im Einsatz. Norbert Rief porträtier­te die neue Wirtschaft­s-

Als Ratgeber von Kurz eine logische Wahl: Doch keiner hatte Faßmann auf der Liste.

ministerin Schramböck und wühlte sich durch alles, was mit Steuern und Finanzen zu tun hat. Jakob Zirm schaute sich den Familienbo­nus an, Beate Lammer den neuen Finanzmini­ster Löger, Julia Raabe die außen- und europoliti­schen Aspekte und Isabella Wallnöfer die Kulturvorh­aben. Online blieben Hellin Jankowski und Stefanie Kompatsche­r am Ball – und mit einem ersten Frühkommen­tar auch Old Boy Neuwirth. Den Leitartike­l steuerte dann Rainer Nowak bei. Tage wie diese sind eben Chef- und Teamsache.

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Clemens Fabry Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache (v. li.) auf dem Kahlenberg.
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