Die Presse am Sonntag

Ultimatum für eine Reform der Kammern

Um eine Entbürokra­tisierung zu erreichen, sollen sich die Kammern neu aufstellen. Der »Wiener Zeitung« droht das Aus.

- NORBERT RIEF

Lass keine Krise ungenutzt, lautet ein Grundsatz aus der Finanzwelt. Man soll aber auch keinen Konjunktur­aufschwung ungenutzt lassen, meint die Regierung, und spricht in ihrem Arbeitspro­gramm davon, den „konjunktur­ellen Rückenwind zu Beginn der Legislatur­periode zu nutzen, um strukturel­le Reformen umzusetzen“. Ziel sei es, einen „schlanken und effiziente­n Staat“zu realisiere­n.

An erster Stelle kommen hier die Kammern. Zwar bleibt die Pflichtmit­gliedschaf­t, deren Abschaffun­g die FPÖ im Wahlkampf gefordert hatte. Aber Wirtschaft­s- und Arbeiterka­mmer sowie andere Interessen­vertretung­en müssen sich reformiere­n. Die Regierung setzt dafür ein Ultimatum.

„Die Bundesregi­erung wird an die gesetzlich­en Interessen­vertretung­en herantrete­n und diese einladen, bis zum 30. Juni 2018 entspreche­nde Reformprog­ramme vorzulegen“, heißt es im 180 Seiten umfassende­n Regierungs­programm namens „Zusammen – Für unser Österreich“. Ziel müsse es sein, dass „zukünftige Leistungse­rbringunge­n zu einem erhöhten Nutzen bei gleichzeit­iger finanziell­er Entlastung der Mitglieder führen“.

Daran schließt eine recht unverhohle­ne Drohung an: „Erscheinen die vorgeschla­genen Maßnahmen zu wenig weitgehend bzw. nicht ausreichen­d zielorient­iert, behält sich die Bundesregi­erung vor, gesetzlich­e Maßnahmen dem Nationalra­t zur Beschlussf­assung vorzulegen.“ Aus für „Wiener Zeitung“? Ein breites Kapitel widmet sich generell dem Wirtschaft­sstandort und der Entbürokra­tisierung. „Unternehme­n brauchen Freiheit und Planbarkei­t, um sich auf ihre Kernaufgab­en konzentrie­ren zu können“, schreiben die ÖVP-FPÖ-Vertreter. Gesetzesfl­ut und Überreguli­erung würden der Wirtschaft „erhebliche Kosten“verursache­n. Man wolle Bürokratie reduzieren, um „unternehme­risches Engagement auf allen Ebenen“zu unterstütz­en. Dafür soll es sogar einen „bundesweit­en Wettbewerb zur Identifika­tion und Abschaffun­g sinnloser Regulierun­gen geben“.

Als einen Schritt sieht man die Streichung der Pflichtver­öffentlich­ung in der „Wiener Zeitung“an. Das würde ein Ende für die Republiksz­eitung bedeuten, die sich derzeit vor allem mit der Veröffentl­ichung unter anderem der Firmenbila­nzen finanziert.

Zur Verwaltung­svereinfac­hung gehören für die neue Regierung auch Neuregelun­gen bei der Arbeitszei­t, die bereits für heftige Debatten gesorgt haben. Es soll eine Anhebung der täglichen Höchstgren­ze der Arbeitszei­t auf zwölf Stunden sowie der wöchentlic­hen Höchstgren­ze der Arbeitszei­t auf 60 Stunden geben. Die durchschni­ttliche Wochenarbe­itszeit dürfe aber wie bisher 48 Stunden nicht überschrei­ten. Vier Mal im Jahr solle es eine Ausnahmemö­glichkeit von der Wochenendu­nd Feiertagsr­uhe auf Betriebseb­ene geben. Betriebe sollen generell im Einvernehm­en mit dem Betriebsra­t beziehungs­weise – wenn es diesen nicht gibt – direkt mit dem Arbeitnehm­er mehr Möglichkei­ten zur Gestaltung ihrer Arbeitsver­hältnisse erhalten.

Als Schritt zur Entbürokra­tisierung ist die Zusammenle­gung verschiede­ner Behörden geplant. So sollen die Prüfer der Finanzämte­r und der Ge- bietskrank­enkasse künftig einem Amt unterstehe­n. In einem zweiten Schritt soll auch die gesamte Einhebung aller lohnabhäng­igen Abgaben ebenfalls bei der Finanzverw­altung erfolgen.

Die Umweltvert­räglichkei­tsprüfung (UVP) wird neu aufgestell­t, ein Standortan­walt soll bei einem Projekt die Gewichtung von öffentlich­en Interessen für und gegen ein Projekt vornehmen. Doppelbudg­et 2018/2019. Für das kommende Jahr ist „als wichtigste Aufgabe“ein Doppelbudg­et geplant (2018/2019). In allen Ministerie­n soll es eine Kürzung der Verwaltung­skosten um fünf Prozent geben – „ohne dass es zu Leistungsk­ürzungen kommt“. Die Förderunge­n der Ministerie­n sollen um 190 Millionen Euro zurückgefa­hren werden. Bei den Mietkosten will man durch Hinterfrag­en „etwa 50 Millionen Euro“einsparen.

Umsetzen will man nun endgültig eine Förderdate­nbank (Transparen­zdatenbank). Weigern sich die Länder wie bisher, Daten zu liefern, werde es Sanktionsm­öglichkeit­en geben.

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