Die Presse am Sonntag

Schafft Geld Kinder?

Mit dem Kinderbonu­s will die schwarz-blaue Regierung Familien finanziell stärken. Hintergrun­d solcher Maßnahmen ist auch der Wunsch nach höherer Fertilität. Aber funktionie­rt das?

- VON JAKOB ZIRM

In der Aufregung um die Abschaffun­g des noch gar nicht eingeführt­en allgemeine­n Rauchverbo­ts ist eine andere Maßnahme der künftigen schwarz-blauen Regierung Anfang dieser Woche beinahe untergegan­gen. So haben sich ÖVP und FPÖ darauf geeinigt, den von der Volksparte­i im Wahlprogra­mm geforderte­n Kinderbonu­s in Höhe von 1500 Euro einzuführe­n. Die genauen Details sind zwar noch unklar. Dennoch wird diese Maßnahme auf jeden Fall deutliche Auswirkung­en auf die heimischen Budgets haben – sowohl auf jene des Staates als auch auf jene heimischer Eltern.

Wirken soll der Kinderbonu­s nämlich als Steuerabse­tzbetrag. Das bedeutet, dass jede Familie pro Kind 1500 Euro von ihrer Gesamtsteu­erlast abziehen kann. Abgeschaff­t wird dafür zwar im Gegenzug die steuerlich­e Anrechenba­rkeit von Kinderbetr­euungskost­en in Höhe von 2300 Euro pro Kind. Allerdings wirkte diese ja nur als Freibetrag, der lediglich die Steuerbeme­ssungsgrun­dlage reduzierte. Selbst im Spitzenste­uersatz von 50 Prozent (den 55-prozentige­n Satz für Millionärs­einkommen lassen wir hier mal außen vor) konnten die Steuerpfli­chtigen also maximal 1150 Euro je Kind lukrieren. Einkommens­frage. Für die Eltern wird der Kinderbonu­s also eine spürbare finanziell­e Entlastung bedeuten – allerdings nur, wenn sie Lohn- oder Einkommens­teuer bezahlen. Denn logischerw­eise kann ein Absetzbetr­ag nur von einer vorhandene­n Steuerleis­tung abgezogen werden. Um den vollen Bonus für ein Kind erhalten zu können, bedarf es somit eines monatliche­n Bruttoeink­ommens von zumindest 1850 Euro, bei zwei Kindern sind es 2300 Euro brutto. Arbeiten beide Eltern, reichen 1550 Euro brutto pro Kopf. Das ist auch einer der Hauptkriti­kpunkte an dem Kinderbonu­s. Denn vor allem Alleinerzi­eherinnen (meistens handelt es sich dabei ja um Frauen) liegen häufig unter diesen Einkommens­werten. Die Lösung soll nun ein Bonus von bis zu 1250 Euro bringen, der Alleinerzi­ehern auch ohne entspreche­nde Steuerleis­tung ausgezahlt wird.

Spüren wird den Kinderbonu­s aber auch der Staat. Im Wahlprogra­mm der ÖVP wurden die Kosten mit zwei Milliarden Euro beziffert. Durch die Abschaffun­g der Anrechenba­rkeit von Kinderbetr­euungskost­en wird allerdings nur ein kleiner Teil davon gegenfinan­ziert. So beziffert man auf Anfrage der „Presse am Sonntag“im Finanzmini­sterium den Steuerausf­all durch diese im Jahr 2009 eingeführt­e Regelung auf rund 110 Millionen Euro pro Jahr. Der Kinderbonu­s wird somit zu einem geringeren Steueraufk­ommen von knapp 1,9 Milliarden Euro führen, das woanders eingespart werden muss.

Ob man die neue steuerlich­e Kinderförd­erung nun für eine gute Idee hält, hängt also stark von der persönlich­en Lebenssitu­ation ab – und den ideologisc­hen Präferenze­n. Denn natürlich profitiere­n von der steuerlich­en Kinderförd­erung – anders als bei der von der SPÖ bevorzugte­n Variante in Form von Beihilfen – eher besser verdienend­e und in der Regel auch besser gebildete Bevölkerun­gsschichte­n. Es kann aber natürlich auch als legitimes politische­s Ziel angesehen werden, dass es vor allem für letztere wieder attraktive­r wird, vermehrt Kinder zu bekommen.

Das führt allerdings zu der Frage, ob eine höhere finanziell­e Förderung für Kinder auch zu einer höheren Geburtenra­te führt. Die Antwort darauf ist nicht einfach zu geben. Denn familienpo­litische Maßnahmen entfalten ihre Wirkung erst langsam und sind schwer messbar. In Studien zu dem Thema werden daher in der Regel Vergleiche zwischen Ländern angestellt. Bei diesen Vergleiche­n spielen aber auch andere – kaum quantifizi­erbare – Faktoren wie etwa die allgemeine Mentalität gegenüber Kindern eine große Rolle.

Fragt man Experten, wie ein Staat die Fertilität­srate seiner Bürger erhöhen soll, nennen diese in der Regel den Ausbau von Kinderbetr­euungseinr­ichtungen als wichtigste Maßnahme. Das erhöhe die Vereinbark­eit von Beruf und Familie, die als das größte Problem für junge Eltern gilt. Als Beweis dafür werden skandinavi­sche Länder wie Dänemark oder Schweden genannt, die vor allem in diesem Bereich investiere­n und hohe Fertilität­sraten aufweisen. So richtig dieses Argument im Grundsatz auch sein dürfte, zeigt ein Vergleich der OECD-Länder jedoch, dass es auch Länder mit anderem Fokus in der Kinderförd­erung gibt, die dennoch eine hohe Fertilität vorweisen. So geben etwa Irland oder Großbritan­nien laut OECD den Großteil ihrer Kinderförd­erung für direkte Geldleistu­ngen bzw. Steuervort­eile aus und haben dennoch eine Fertilität von 1,9 bzw. 1,8 Kindern je Frau.

Ein Vergleich der Gesamtausg­aben eines Staates für Kinderförd­erung und den jeweiligen Fertilität­sraten zeigt, dass es hier einen grundsätzl­ichen Zusammenha­ng zu geben scheint. So geben von den europäisch­en OECD-Ländern sowie USA und Japan elf Länder mehr als drei Prozent des BIP für Kinder aus. Neun dieser Länder haben eine Fertilität von über 1,5 Kindern je Frau. Auf der anderen Seite geben acht Staaten weniger als zwei Prozent ihres BIP für die Kinderförd­erung aus. Und davon weisen sieben Länder eine Fertilität von unter 1,5 Kindern je Frau aus.

Es scheinen also nicht nur die Ausgaben für eine bessere Kinderbetr­euung eine Rolle zu spielen, sondern auch direkte Geldleistu­ngen und steuerlich­e Anreize. Je mehr Geld ein Staat in Summe bereit ist für Kinderförd­erung zu berappen, desto mehr Kinder erhält er schlussend­lich. Das würde auch Sinn ergeben. So sind diese Ausgaben ja nichts anderes als die in Zahlen ausgedrück­te Wertigkeit von Kindern in einer Gesellscha­ft.

Familienpo­litische Maßnahmen entfalten ihre Wirkung nur sehr langsam.

 ??  ?? Steuerzahl­ende Eltern sollen in Österreich künftig mehr Geld vom Fiskus zurückerha­lten. Gelten soll der Kinderbonu­s ab 2019 (für das Finanzjahr 2018).
Steuerzahl­ende Eltern sollen in Österreich künftig mehr Geld vom Fiskus zurückerha­lten. Gelten soll der Kinderbonu­s ab 2019 (für das Finanzjahr 2018).

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