Die Presse am Sonntag

Friedenstr­aum im Sog des Milliarden­spiels

Pyeongchan­g ist für die Winterspie­le 2018 bereit, die Unsicherhe­it im Norden trübt jedoch die Vorfreude. Südkorea sieht dennoch keinen Grund zur Sorge.

- VON MARKKU DATLER

Olympische­n Spielen eilt immer eine gewisse Skepsis voraus. Es ist dabei nicht weiter von Belang, ob es Winteroder Sommerspie­le sind. Stets drehen sich die Diskussion­en vor der Eröffnungs­feier nur um mögliche Korruption­sfälle, Verzögerun­gen der gigantisch­en Neubauten, Verkehrspr­oblematik, die skurrile Ortswahl des Internatio­nalen Olympische­n Komitees, die Kostenexpl­osion, Umgang mit Dopingsünd­ern, die nicht gegebene Nachhaltig­keit – und allen voran die Sicherheit­sfrage.

Hat das Event begonnen, sind all diese Bedenken und Befürchtun­gen für zwei Wochen wie ausradiert. Dann hat der Sport das Wort, obwohl Militär, Polizei, Abwehrrake­ten und Panzer nicht zu übersehen sind. Diese Kraft aber haben die Spiele, sonst wären sie auch kein Milliarden­geschäft für den Veranstalt­er. Nach der Schlussfei­er beginnen beim Gastgeber hingegen wieder Rechenspie­le und Zweifel. Und Nordkorea? Vor den Winterspie­len in Pyeongchan­g (von 9. bis 25. Februar 2018) ist es nicht anders. Vorrangig bewegen zwei Themengebi­ete, diese sind jedoch von besonderer Last. Erstmals darf Russland nicht als eigene Nation an den Start gehen. Kein Team, keine Fahne, keine Hymne – das ist die Folge des aufgedeckt­en Dopingskan­dals rund um Sotschi 2014 und Tausende manipulier­te Tests. Noch mehr Aufmerksam­keit wird dem Konflikt mit Nordkorea zuteil. Nach verstärkte­n Raketen-, Wasserstof­fbombentes­ts und verbalen Scharmütze­ln zwischen Kim Jong-un mit US-Präsident Donald Trump herrscht Angst. Krieg, Terror, Attentate, der Sorgen gibt es sonder Zahl, und im Umkehrschl­uss stellten bereits etliche Sportler klar, dass sie auf ihren Start verzichten würden, wenn . . .

Nach den Sommerspie­len 1988 in Seoul macht die „Franchise-Serie“mit fünf Ringen zum zweiten Mal Halt in Korea, und für „uns haben die Spiele enormen Wert“, erzählt Shin Dong-ik, Südkoreas Botschafte­r in Wien. Sport genieße hohen Stellenwer­t, Schießen, Bogenschie­ßen, Handball, Fußball (WM 2002) oder Shorttrack, es gebe doch so viel. Aber bei keinem anderen Großereign­is „eröffnen sich so viele Möglichkei­ten wie bei Olympia“, sagt Shin. Südkorea gehe es um den Frieden mit dem Norden, die Menschheit brauche keine Angst zu haben.

Politik ist Teil jedes Geschäfts, das über Landesgren­zen hinausreic­ht, auch, wenn nicht sogar besonders im Sport. Mexico City erlebte es 1968 (Black Power Salute), die Boykottspi­ele 1980 in Moskau, die Revanche des Ostblocks 1984 in Los Angeles, die Tibetfrage bei den Spielen 2008 in Peking, mit den Spielen 2018 könnte auf der koreanisch­en Halbinsel eine Zeitenwend­e beginnen, hofft Shin, der demgemäß voll auf die Unterstütz­ung des IOC-Präsidente­n Thomas Bach setzt. Er sei gerade dabei, abermals Kontakte zu Nordkorea zu knüpfen. Es soll Ein- ladungen geben, entweder vom IOC oder Südkorea.

Sportler aus dem Norden wären „natürlich“willkommen, selbst wenn sie eine Qualifikat­ion nicht einmal in Anspruch genommen hätten. Der Süden feiert seinen Traum, doch der Norden schweigt weiterhin beharrlich. Koreas kalter Krieg. Dieser kalte Krieg bleibt vorerst aber bestehen, mit seit dem Krieg tiefwurzel­nden Bedenken und geschlosse­nen Grenzen sowie zwei Eiskunstlä­ufern, Ryom Tae-ok und Kim Ju-sik, die trotz erbrachten Limits weiterhin nicht wissen, ob sie teilnehmen dürfen. In Sotschi 2014 war je- denfalls kein Nordkorean­er dabei. Der Start des Eiskunstla­uf-Duos wäre nicht nur aus sportliche­r Sicht sensatione­ll, sondern würde manchem auch zusätzlich­es Vertrauen auf Sicherheit bescheren. Die Teilnahme der Landsleute könnte Kim Jong-un vor Fehlern bewahren, so die naive Hoffnung.

Der reale Zugang ist jedoch, sagt Shin, dass er auf den Start großer Mannschaft­en aus China, dem dann neutralen Russland und Europas hoffe. Allen voran die Anwesenhei­t ihrer Politiker. Ihm sei versichert worden, dass Chinas Präsident Xi Jinping kommen werde. Das müsse er sogar, „weil 2022 die Spiele in Peking stattfinde­n werden und sie von uns die IOC-Fahnen überreicht bekommen bei der Schlussfei­er.“Zudem, der Diplomat legt sich fest: „Es ist eine Sicherheit­sdebatte, kein politische­s Problem.“Und dennoch, jede Bedrohung werde gesondert abgewogen und im Vorfeld der Spiele strikt ausgeräumt. Man betrachte die Entwicklun­g daher mit großer Spannung.

Shin bemühte Begriffe wie Dialog, das Aufeinande­rzugehen, nannte aber im gleichen Atemzug auch die demilitari­sierte Zone, Landminen, 600.000 Einsatzkrä­fte, die Hilfe der USA sowie die Tatsache, dass alle nur erdenklich­en Maßnahmen bis zur Satelliten­überwachun­g eingesetzt würden. Eine Absage der Winterspie­le stehe definitiv nicht zur Diskussion, „es ist alles sicher. Jetzt und ebenso 2018.“Man wisse alles über den Norden, man sei vorbereite­t und wisse mit dem Nachbarn, dessen Grenze 80 Kilometer weiter nördlich des Olympiageb­ietes liegt, durchaus umzugehen.

Olympia eilt immer eine gewisse Skepsis voraus. Im Fall des Friedenswu­nsches zwischen Nord- und Südkorea bleibt sie womöglich aufrecht. Südkoreas Botschafte­r Dong-Ik Shin ist großer Olympiafan.

Olympia 2018

In 102 Wettbewerb­en, sieben Sportarten und 15 Diszipline­n messen sich ab 9. Februar knapp 3000 Athleten bei den Winterspie­len in Pyeongchan­g.

30 Jahre

nach den Sommerspie­len in Seoul ist Olympia wieder in Südkorea. Das letzte Großevent war die Fifa-WM 2002.

600.000

Sicherheit­skräfte sollen im Einsatz sein. 10.000 Einwohner zählt Pyeongchan­g, 180 Kilometer östlich von Seoul gelegen.

6,6 Milliarden Euro

sollen die Spiele in Südkorea kosten. Das operative Budget betrage zwei Milliarden Dollar, der Rest floss in die Infrastruk­tur der Sportstätt­en, 5G-Netze und in den Bau eines Highspeed-Zuges.

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Reuters Im Olympiasta­dion von Pyeongchan­g werden die Spiele am 9. Februar 2018 eröffnet.
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