Das bittere Erwachen aus dem katalanischen Traum
Die sezessionistischen Ambitionen ©er RegionŻlregierung, ©ie hŻrte Antwort Żus MŻ©ri© un© wochenlŻnge MŻssen©emos hŻãen einen Riss ©urch ©ie kŻtŻlŻnische GesellschŻft gezogen: Die einen pochen weiter Żuf einen neuen StŻŻt, ©ie Żn©eren for©ern eine »schnel
Gespenstisch ist die Ruhe auf der „Placa¸ de la Constitucio“´ im katalanischen Girona. Noch vor wenigen Wochen hatten hier Menschenmassen für die katalanische Unabhängigkeit demonstriert, an diesem regnerischen Dezembernachmittag ist der Platz aber nahezu menschenleer. Umso mehr stechen die Spuren der „katalanischen Revolution“ins Auge: Die graue Betonfläche wird von gelben Tupfern belebt – Gelb, das ist jetzt die Farbe katalanischer Solidarität für inhaftierte Separatisten. Die dürren Stämme der jungen Bäume sind in gelbe Wollschals eingewickelt, eine riesige gelbe Schleife schmückt die Fassade eines Hochhauses am Rande des Platzes. Gelbe „Wadenwärmer“aus Wolle trägt sogar die Bronzestatue des lächelnden Mädchens. Die Skulptur wurde in den 1980er-Jahren aufgestellt, als Hommage an Spaniens damals junge demokratische Verfassung .
Geht es nach der separatistischen Stadtregierung, soll der Platz bald ohnehin nicht mehr der verhassten Verfassung aus Madrid gewidmet sein. Ein Antrag zur Umbenennung wurde eingereicht, Papierschilder mit dem neuen Namen hängen schon: „Placa¸ De L’1D’ Octubre“soll der „Platz der Verfassung“heißen, um das von Madrid verbotene Unabhängigkeitsvotum vom 1. Oktober zu würdigen. Etwas versteckt, an einer unscheinbaren Säule, findet man die pro-spanische Antwort darauf. Jemand hat dort eine kleine spanische Fahne befestigt und „wir schätzen Spanien“daraufgeschrieben. Auf die Fahne wurde später Hundekot geschmiert.
Girona schwelgt auch in Zeiten harscher Madrider Anti-SezessionismusMaßnahmen und Notstandsartikeln im Unabhängigkeitstraum. Die 98.000-Einwohner-Stadt befindet sich mitten im katalanischen Kernland, im Gegensatz zur Metropole Barcelona oder anderen Küstenorten hört man auf den Straßen fast nur Katalanisch. Die Heimatstadt des abgesetzten Regionalpräsidenten Carles Puigdemont, der Ende Oktober nach Belgien geflohen ist, ist seit jeher Hochburg der Unabhängigkeitsbefürworter: Separatistische Parteien stellen in der Stadtregierung die absolute Mehrheit. Sezessionistenanführer Puigdemont war von 2011 bis 2015 Bürgermeister in Girona. Für viele Separatisten in der Stadt ist er ein Held.
In der prachtvollen, mittelalterlichen Altstadt gibt es kaum ein Kaffeehaus, nahezu kein Geschäft oder Wohnhaus, das nicht mit bunten Fahnen an das „katalanische Selbstbestimmungsrecht“, an die „Meinungsfreiheit“oder an das Recht zur „Demokratie“erinnert. Die Estelada, die Unabhängigkeitsfahne, gehört zum Standardschmuck der alten Steinhäuser.
Die Absetzung der sezessionistischen Regionalregierung und die Inhaftierung der Separatistenchefs haben bei einigen Einwohnern den Willen zur Rebellion gegen Madrid gestärkt. So etwa bei Marta, 20, die sich vor ihren Vorle- sungen einen Cappuccino im Kaffeehaus gegenüber der Uni gönnt. Die junge Frau lehnt lässig an der Theke, tippt immer wieder ins Handy. Sie habe ein Semester in Frankfurt studiert, erzählt sie auf Deutsch, bezeichnet sich als Europäerin. „Natürlich habe ich beim Referendum für Ja gestimmt. Genauso wie meine Eltern, Großeltern, Freunde. Ich lasse mich nicht von spanischen Schlagstöcken einschüchtern. Ich bin Demokratin, ich wähle.“Das Argument, das Votum habe gegen spanisches Recht verstoßen, lässt die angehende Kunsthistorikerin nicht gelten. „Das sind Kolonialisten, das ist ein repressiver Staat, das hat doch am 1. Oktober die ganze Welt gesehen. Wieso würden sie uns sonst verbieten, friedlich zu wählen?“, empört sie sich.
Sie ist von der EU enttäuscht, „wegen der mangelnden Unterstützung für Katalonien“. Aber nach der von Madrid einberufenen Regionalwahl am 21. Dezember werde Brüssel sehen, dass „die Mehrheit der Katalanen einen eigenen Staat will. Dann kann man uns nicht mehr sagen, dieses Ziel sei illegal.“Marta ist überzeugt, dass die Separatisten gewinnen werden. Sie glaubt nicht an Prognosen über eine Pattsituation. „Eine verfügbare Utopie“. Dass immer mehr Firmen aus der wirtschaftsstarken Region Katalonien abziehen, der Tourismus stockt und deshalb düstere wirtschaftliche Zeiten drohen, erschreckt die Studentin nicht: „Einige Jahre Unsicherheit“nehme sie in Kauf, danach würde sich die Lage sicher stabilisieren. „Uns geht es ja schon als Teil Spaniens schlecht, es gibt keine Jobs, Politiker sind korrupt, man hasst uns. Mit unserem eigenen Staat haben wir zumindest die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.“Woher sie so sicher sei, dass Katalonien der bessere Staat sein werde? „Wir sind anders als die Spanier: Wir arbeiten viel, wir sind ein Volk der Unternehmer.“
Kataloniens Separatismus setzt auf diese Mischung aus Überlegenheitsgefühl, sprachlicher Identität und der Perzeption der ewigen spanischen Unterdrückung. Eine zentrale Rolle spielen hochemotional besetzte Begriffe wie „katalanische Würde“. Doch vor allem punkten Sezessionisten mit dem Traum des gerechten Staates: Die katalanische Soziologin Marina Subirats beschrieb bereits 2014 den katalanischen Separatismus als „verfügbare Utopie“in Zeiten der Wirtschaftskrise. Politisch mehr- AND. heitsfähig machten den Sezessionismus aber die jahrzehntelang regierenden Zentristen: Die Partei (heute JuntxCat von Puigdemont) habe ab 2012 auf den Unabhängigkeitsdiskurs gesetzt, um von Korruption, Finanzkrise und Sparzwängen abzulenken, erklärt Steven Forti, Historiker und Katalanismus-Experte an der Uni UAB in Barcelona: Davor hatten die katalanischen Zentristen stets die Abspaltung abgelehnt.
Gelã ist ©ie FŻrãe kŻtŻlŻnischer Soli©Żrit´t für inhŻftierte SepŻrŻtisten. » Wir sin© Żn©ers Żls ©ie SpŻnier: Wir Żrãeiten viel, sin© ein Volk ©er Unternehmer. «
Auffallend ist, wie wenig in diesem kurzen Wahlkampf die sezessionistischen Parteien über Unabhängigkeitspläne diskutierten. Vielleicht liegt es am Chaos der letzten Monaten, vielleicht an Ratlosigkeit oder fehlender Strategie. Sezessionistische Parteien setzen jedenfalls lieber auf „spanische Repression“: Der exzessive Gewalteinsatz der spanischen Polizei am 1. Oktober, der von Menschenrechtsorganisationen scharf verurteilt wurde, ist Dauerthema. Hinzu kommt die Heroisierung „politischer Häftlinge“, jener Sezessionistenchefs, die wegen des Vorwurfs der Rebellion oder des Missbrauchs öffentlicher Mittel im Exil sind oder in U-Haft sitzen. Für Amnesty International jedenfalls sind diese Inhaftierten weder „politische Gefangene“noch Häftlinge „aus Gesinnungsgründen“.
Das Thema „spanische Unterdrückung“beherrscht an diesem Dezembernachmittag auch die Diskussion im Presseraum der Stadtregierung von Girona. Frauen und Schwestern inhaftierter Separatisten bitten um Geldspenden, um ihre Lieben regelmäßig besuchen zu können. Alle tragen etwas Gelbes – einen Schal, einen Pullover, ein Jackett. „In Katalonien soll das Grundrecht auf freie Meinung wieder respektiert werden“, fordern sie. Bürger-