Klimt an der Goldenen Brücke
Zwei Ausstellungen über »Wien um 1900« sind diesen Winter in den USA zu sehen: Klimt und Rodin treffen sich in San Francisco, die Wiener Werkstätte kehrt nach New York zurück.
Dass man von Klimt und Rodin viel über Frauen und Männer lernen kann – klar. Aber das? „Sugardaddy“, also der gängige Begriff für einen reichen, alten Mann, der sich ein armes Mädchen angelt, wurde in San Francisco um 1900 erfunden. Und zwar von der größten Rodin-Sammlerin der USA, die natürlich Alma heißen musste und sich in ihrer Jugend als Aktmodell verdient hatte. 1908 heiratete sie dann den Zuckerfabrikanten Adolph Spreckels, 24 Jahre älter, ihren „Sugardaddy“. 1924 stiftete diese amerikanische Alma der Stadt gleich ein ganzes Museum, die „Legion of Honor“, nahe der Golden Gate Bridge (inkl. ihrer Kunstsammlung). Es gehört heute zum Reich von Max Hollein, der voriges Jahr Direktor der Fine-Arts-Museums von San Francisco wurde. Als eine Art Einstand des Wieners läuft hier diesen Herbst und Winter eine doppelte Premiere: Erstmals wird an der Westküste Malerei von Gustav Klimt gezeigt. Erstmals überhaupt in Kombination mit Skulpturen von Auguste Rodin (bis 28. Jänner).
Was nicht nur Kurator Tobias Natter überrascht. Denn die beiden KunstStars ihrer Zeit trafen sich 1902 in Wien sogar persönlich, wo sie sich zünftig über die hübschen Wiener Mädchen ausgetauscht haben sollen, ganz wie es sich für zwei „feurige Erotiker“, wie ihre Zeitgenossen es schon sahen, geziemte. 4000, 5000 Zeichnungen nackter Frauen schuf Klimt, so Natter, 10.000 sogar waren es bei Rodin. Beide verband ein großes Interesse an damals tabuhaften Themen, etwa der Liebe zwischen Frauen oder weiblicher Masturbation. „Das spricht einerseits natürlich alte Männerfantasien an, andererseits erzählt es sicher auch von der Angst dieser Zeit, in der der Feminismus aufkam, vor der Verzichtbarkeit des Mannes“, sagt Natter.
In öffentlichen Aufträgen provozierten Rodin und Klimt auch mit einem Weltbild, das nicht nur positiv und heroisch, sondern tief pessimistisch war. Gern wäre man Mäuschen gewesen bei dem Gespräch der zwei in Bertha Zuckerkandls Salon, wo sie über Erfolg und Skandal, über ihre Einsamkeit sinnierten. Für Klimt waren die Fakultätsbilder der Knackpunkt, die breit abgelehnt wurden, die er dann zurückzog und die im Zweiten Weltkrieg wohl verbrannten. Natter ließ sie für San Francisco in Originalgröße und schwarzweiß auf Leinwand aufziehen. Und stellte Rodins Figuren aus dessen „Höllentor“davor, eine ebenfalls komplexe, vielfigurige Jenseitsfantasie. Die „Verbindung von Lust und Schmerz“ist eine weitere Übereinstimmung zwischen den zwei.
Rodins großer Skandal war sein monolithisch wirkendes Balzac-Denkmal. Er soll Klimt erzählt haben, wie er sich wie zum Schutz des kritisierten Werks persönlich davor stellte, um alle Kritiker abzuwehren. Alma Spreckels gehörte sicher nicht zu diesen, sie verehrte den Bildhauer, kaufte 1916/17 direkt in seinem Atelier in Paris ein. So kann die Ausstellung in San Francisco heute ganz aus ihrer Sammlung schöpfen, die Klimts kommen dagegen aus dem Belvedere, dem Theatermuseum, aus Prag. Ein besonderer Ausflug in die Stadt der Hippies, wurde Klimts Werk doch nicht umsonst von den 68ern verehrt – Flower-Power, Schwelgen im Ornament, freie Liebe . . . Wiener Werkstätte in New York. Auch New York bekam dieses Jahr eine Wienum-1900-Ausstellung mit besonderem lokalen Bezug: Erstens ist es die erste Ausstellung hier, die sich ganz dem Phänomen der „Wiener Werkstätte“(WW) widmet, 1903 von Josef Hoffmann, Koloman Moser und dem Industriellen Fritz Waerndorfer gegründet. Zweitens eröffnete gegen Ende dieses kostspieligen, künstlerisch so herausragenden Projekts 1922 sogar eine Filiale in New York, auf der Fifth Avenue. Federführend dabei der erste Filmsetdesigner Hollywoods, ein 1911 in die USA emigrierter Österreicher namens Joseph Urban. Auch ihn begleitete dabei allerdings der wirtschaftlich ambivalente WW-Geist, auch er war derart begeistert von Hoffmanns GesamtkunstwerkIdee, von Architektur bis zum Kaffeelöfferl alles künstlerisch durchzugestalten, dass er die Interessen der Konsumenten hintanstellte: Man konnte im Shop zwar alles kaufen, aber nichts gleich mitnehmen, um eben das Gesamtarrangement nicht zu zerstören. Erst wenn das nächste Ensemble aufgebaut wurde, wurde geliefert, erzählt Kurator Christian Witt-Döring. Das konnte nicht gut gehen, schon gar nicht in New York. Vitrinen vom Boden bis zur Decke. Vor allem auf diese Spätzeit, in der viele Künstlerinnen die WW prägten, und die noch nicht derart aufgearbeitet ist wie die Frühzeit, konzentriert sich Witt-Döring jetzt in der „Neuen Galerie“. So ist der Hauptraum der 400 Objekte umfassenden Schau den letzten Jahren 1915–1932 gewidmet, mit aufwendig bemalten, teils vom Boden bis zur Decke reichenden, innen gelben Vitrinen. Vorbild war der von Hoffmann 1925 für die Internationale Kunstgewerbeausstellung Paris entworfene Raum.
»Das spricht Männerfantasien an, aber auch die Angst vor der Verzichtbarkeit des Mannes.« Man konnte im Shop der Wiener Werkstätte alles kaufen, aber nichts mitnehmen
In einem anderen Raum ganz in Pink erzählt Witt-Döring die Geschichte der New Yorker WW-Filiale. Sie existierte nur ein Jahr lang. Neues konnte er anhand von Briefen auch über Finanzier Waerndorfer herausfinden, der mehr war als ein Mäzen, der wie ein CEO durch die Welt reiste, um Aufträge an Land zu ziehen (wie den des Brüsseler Palais Stoclet, der der WW den finanziellen Todesstoß gab). 1914, nachdem der Millionär sein ganzes Geld verloren hatte, wurde er von seiner Familie zur Emigration in die USA gedrängt, so Witt-Döring. Dort lebte er dann auf einer Farm, irgendwo in Pennsylvania, wo er 1939 auch starb.