Wie aus der ungestümen »Resi« eine Herrscherin wurde
Robert Dornhelms ORF-Zweiteiler »Maria Theresia« geht mit Historie locker um. Ein vortreffliches TV-Debüt für Burgstar Marie-Luise Stockinger.
(damals nur) Duke of Edinburgh sein. (Die Ernennung zum Prinzen durch seine Frau folgte erst später.) Er sollte Großbritannien in der Welt repräsentieren und sich danach besser in die Lage der Königin versetzen. Doch das Volk begann damals zum ersten Mal über die königliche Ehe zu spekulieren. Darf ein Paar so lange getrennt sein? Ist da noch alles in Ordnung? Peter Morgan stellt die Ehe jedenfalls als reichlich zerrüttet dar und unterstellt Prinz Philip eine Affäre mit einer russischen Ballerina. Das sind Skandale und Geschichten, die das Königshaus stets abstritt. Diverse Medien und Dokus (siehe unten) widmen sich nun der Frage, was in „The Crown“wirklich stimmt und was nicht. Genau das macht den Reiz dieser Serie aus. Der Zuseher weiß in groben Zügen, wie die Geschichte ausgeht, aber er bekommt die Chance, hinter den Zaun des Buckingham Palace zu blicken. Sogar bis in Ankleideraum und Schlafzimmer der Queen.
Kurz bevor Philips Reise zu Ende geht, kommt es in der Serie zu einem Skandal. Weil sein erster Sekretär in einem Brief an die daheim gebliebenen Gentlemen im Londoner Thursday Club von amourösen Abenteuern auf der Reise prahlt und dies daheim rasch die Runde macht, muss sich der Duke of Edinburgh von seinem Gefährten trennen, obwohl der längst zum Freund geworden ist. „Mach mir den nächsten Schritt nicht zu schwer“, sagt er. „Du bist viel zu lange dabei, als dass du nicht weißt: Es gibt keinen Platz für Fehler. Es gibt keinen Platz für Skandale. Es gibt keinen Platz für Menschlichkeit.“Ein pathetischer Satz, der Großbritanniens Königsfamilie doch treffend umschreibt. Und den sich Meghan Markle schon einmal hinter die Ohren schreiben kann. Heimliche Serienabende im Palast. Viel wurde seit dem Start von „The Crown“im November 2016 gescherzt, ob sich die Mitglieder der Royal Family daheim im Buckingham Palast oder in Clarence House (dem Wohnsitz von Prinz Charles) die Serie ansehen, und im Stillen sogar befinden, dass manche Erlebnisse darin treffend dargestellt werden. Offiziell schweigt das Königshaus dazu – und befeuert die Spekulationen so nur noch mehr.
Das US-Onlinemagazin „Vulture“hält es jedenfalls für möglich, dass „The Crown“das nächste „Game of Thrones“ist. Die Zutaten dafür hätte die Serie nämlich: „Eine große Familie, Macht, eine sich verändernde Welt, Verrat – und sogar einen Thron!“ Wenn der Kaiser zum ehelichen Geschlechtsverkehr antritt, dann nimmt er die Perücke ab und die Gemahlin noch schnell einen Schluck aus dem Rotweinglas, bevor sie sich mit einem Seufzer in das Unausweichliche fügt. Weil der Gatte aber gar so widerwillig dreinschaut, bestellt sie schnell die Diener: „Zeigt ihm die Bilder!“– und schon werden riesige Gemälde mit üppigen nackten Frauen hereingetragen, die für Stimulanz sorgen sollen. So tut der Herrscher seine Pflicht, während der Pfarrer hinter dem Paravent Gebete gen’ Himmel schickt: Ein Stammhalter und Kronerbe muss her!
Geholfen hat es nichts. Kaiser Karl VI. und seine Frau Elisabeth mussten den frühen Tod eines Sohnes beklagen – und die Tatsache, dass ihnen danach kein weiterer männlicher Nachfolger mehr geschenkt wurde. Dafür eine Tochter, die Geschichte schreiben sollte: Maria Theresia. Zum Abschluss des Jubeljahres der Regentin (anlässlich ihres 300. Geburtstages) zeigt der ORF am 27. und 28. Dezember (25.15 Uhr, ORF 2) einen Zweiteiler über die Habsburgerin – Regisseur Robert Dornhelm inszeniert die ersten dreißig Jahre der Herrscherin als heiteres Biopic, das locker mit der Historie umgeht.
Einmal sitzt der Kaiser (Fritz Karl) mit Gattin und Töchtern am Esstisch – und „Resi“, wie Maria Theresia hier im vertrauten Kreis gerufen wird, führt sich auf wie ein Teenager in einer amerikanischen Fernsehserie: aufmüpfig und ganz und gar nicht so wohlerzogen, wie es ihr die Gouvernante und vor allem der herrische Pfarrer beigebracht haben. Dornhelm nimmt sich die künstlerische Freiheit heraus, mit der Historie locker umzugehen und dieses Stück österreichischer Geschichte zu einem opulenten Fernsehfilm nach heutigem Geschmack aufzupolstern. Besser: zu einer Love-Story zwischen Maria Theresia und ihrem Franz Stephan (Vojtechˇ Kotek). Für Stockinger „ein Glücksfall“. Burgschauspielerin Marie-Luise Stockinger gibt in ihrem TV-Debüt der jungen Maria Theresia einen frischen Touch. „Maria Theresia zu spielen, das ist ja ein Glücksfall, weil sie ist bisher im Film weitgehend unbeachtet gewesen. Jeder hat so seine Vorstellung über diese Person, aber man kann sich ihr nur nähern, indem man sehr viel erfindet“, erzählt sie der „Presse am Sonntag“. Dass vieles in dem Film womöglich gar nicht der Realität entspricht, etwa der saloppe Ton, in dem „Resi“selbst mit ihrem Vater spricht, hält sie für kein Problem. „Die Wahrheit über Maria Theresia weiß doch sowieso keiner. Ich kann mich ihr nur nähern, indem ich meine Fantasie und meinen Ausdruck zur Verfügung stelle.“
»Die Wahrheit über Maria Theresia weiß doch sowieso keiner.« »Sie war ständig in der Spannung zwischen Autorität und Unterwerfung.«
Und so ist ihre Maria Theresia auch keine vom steifen Zeremoniell überschattete Persönlichkeit, sondern eine kaum zu bändigende junge Frau, die sich stur über die herrschenden gesellschaftlichen Zwänge hinwegsetzt und nur mit sichtbarem Widerstand das ganze Theater, das am Hof veranstaltet wird, mitmacht. „Es geht ja hier um die frühen Jahre und die Machtübernahme. Und man kennt Maria Theresia doch eher als diese rigorose, kalte, sture Herrscherin, die zum Ende ihrer Herrschaft sehr unbeweglich war. Ich fand es spannend, zu erforschen – oder zu erfinden –, wie sie gestartet ist, den Weg zu erzählen, den sie gegangen ist: vom Objekt zum Subjekt.“
In einer Schlüsselszene zeigt sich Maria Theresia unterwürfig vor dem Vater und seinen Beratern – nur, um die Herren dann mit einer unerwartet geschliffenen und vor allem einer (für eine Frau der damaligen Zeit undenkbaren) politischen Rede um den Finger zu wickeln: „Sie war ständig in der Spannung zwischen Weiblichkeit und Männlichkeit, Autorität und Unterwerfung – und sie hat ihre Weiblichkeit für sich zu nützen gewusst. Sie hat das schwache Geschlecht als schützenswert und hilfsbedürftig inszenieren können – und dadurch den Männern, den Politikern, ganz neue Rollenfächer zugewiesen: Sie hat sie als Beschützer einer Mutter der Monarchie inszeniert. Und ich will gern glauben, dass sie das ganz bewusst gemacht hat.“
Neben Stockinger spielen u. a. Karl Markovics (als Prinz Eugen), Cornelius Obonya (als Lehrer) und Julia Stemberger (Gouvernante) – neben Kollegen aus Tschechien, Ungarn und der Slowakei. Ein unterhaltsames TV-Spektakel zum 300er.