Neue Käufer für Alte Meister
Sotheby’s Altmeisterexperte George Gordon ist für seine Sparte so optimistisch wie lange nicht mehr. Im Interview zeigt er die neuen Trends auf.
Der Auktionsrekord von 450 Millionen Dollar für Leonardo da Vincis „Salvator mundi“hat mit einem Schlag das Altmeistersegment wieder ins Rampenlicht gerückt. Die Sparte hat über Jahre verglichen mit zeitgenössischer Kunst eher ein stiefmütterliches Dasein geführt. Ist „Salvator mundi“ein Zeichen einer Trendwende, oder war das Werk aufgrund der Einzigartigkeit ein einmaliger Ausreißer? George Gordon: Es ist generell ein Aufschwung im Altmeistersegment festzustellen. Sotheby’s hat 2017 bei den Auktionen in London 94,4 Millionen Pfund umgesetzt. Das ist deutlich mehr als im Jahr zuvor. Es sind neue Käufer aus Asien, Russland, Lateinamerika und dem Nahen Osten dazugekommen. Russen haben beispielsweise einen konservativen Geschmack. Das liegt vermutlich an ihrer klassischen Bildung. Und auch in Asien sehen wir einen Hunger nach Wissen. Gerade in Asien gibt es viele herausragende Musiker, die klassische westliche Musik spielen. Es überrascht nicht, dass sie sich auch für klassische westliche Kunst interessieren. Wir hatten heuer bei einer Altmeister-Vorschau in Hongkong 10.000 Besucher. Das war unglaublich. Wir sehen aber auch neue Käufer aus dem Bereich Gegenwartskunst. Ich war selten so optimistisch für Alte Meister wie jetzt. Woher kommt plötzlich das Interesse von Sammlern zeitgenössischer Kunst für Alte Meister? Der Markt für zeitgenössische Kunst ist immer noch sehr stark, aber die Sparte wird jetzt mehr als ein Teil des gesamten Spektrums der Kunst gesehen. Es ist uns besser gelungen, den Menschen die Angst vor alter Kunst zu nehmen. Das ist auch einigen neuen Händlern zu verdanken, einer jüngeren Generation, die den Markt aufmischt. Sie haben eine völlig andere Herangehensweise, wie sie Alte Meister präsentieren. Sie agieren im Internet, in den sozialen Netzwerken, und vor allem sind sie sehr transparent, was die Preise betrifft. Das war nicht immer so. Damit gewinnt man jüngere Käufer. Wir haben in London ein Event gemacht, bei dem wir Alte Meister präsentiert haben. Dieses Event haben Leute unter 35 Jahren organisiert für ein junges Publikum, und es wurde ausschließlich über soziale Medien beworben. Es haben sich 1600 Leute angemeldet. Zum Glück sind nicht alle gekommen, weil das hätte unseren Rahmen gesprengt. Hat sich auch der Geschmack verändert? Was ist innerhalb der Sparte Alte Meister besonders gesucht? Es gibt eine starke Nachfrage nach frühen niederländischen und italienischen Meistern bis etwa zur Renaissance. Diesen Trend gibt es seit fünf bis acht Jahren. Auch Lucas Cranach d. Ä. mit seinem Naturalismus ist sehr begehrt. Der Markt für die dunklen Gemälde des 17. Jahrhunderts, die in den 1950er- bis 1990er- Jahren vermehrt gekauft wurden, getrieben von der Wirtschaftswundergeneration, ist hingegen geschrumpft. Generell gilt aber die Regel wie in den meisten anderen Sparten auch: Das Topsegment steigt. Und wie sieht es mit dem mittelpreisigen Markt aus, der Bereich leidet in den meisten Sparten. Ist das auch bei den Alten Meistern der Fall? Das ist unterschiedlich. Bei den Niederländern hat sich der mittlere Markt relativ gut gehalten. Ganz anders sieht das beispielsweise beim italienischen Barock aus. Dieser Bereich des Marktes war lange von sehr starker Inlandsnachfrage getrieben. Seit der Finanzkrise schwächelt die italienische Wirtschaft, und damit einher ging auch eine Schwäche des Marktes für italienische Barockmalerei. Kann man sagen, wofür sich speziell die neuen Käufer interessieren, die aus dem zeitgenössischen Segment kommen? Das ist natürlich nicht ganz einfach. Aber ein interessanter Fakt ist, dass sich generell brutale Themen gut verkaufen. Beängstigende, starke Bilder verkaufen sich gut. Früher hieß es immer, dass sich solche Motive nicht verkaufen lassen. Daher denke ich, dass das Interesse für diese brutalen Werke auch aus dem Eck der neuen Käufer kommt. Immerhin war bis zum diesjährigen neuen Rekord von Leonardo da Vinci das teuerste Werk eines der brutalsten Motive, das man sich vorstellen kann. Bis heuer hielt das 2002 versteigerte Werk „Das Massaker der Unschuldigen“von Peter Paul Rubens mit 49,5 Millionen Pfund den unangefochtenen Höchstpreis. Wie schwierig ist es eigentlich mit der Akquisition im Altmeistersegment? Ist genug gute Ware zu bekommen? Wir stehen immer wieder vor der Situation, dass wir Experten uns denken, oh mein Gott, wir haben nichts Tolles für die nächste Auktion. Und dann kommt doch immer gute Ware rein. Man muss auch sagen, dass wir viel selektiver geworden sind. Wir haben die Anzahl der Prestigeauktionen pro Jahr reduziert, gleichzeitig haben wir die Qualität angehoben und auch die Loszahl pro Auktion reduziert. Wenn man das Angebot von jetzt mit vor zehn Jahren vergleicht, dann haben wir früher in den Abendauktionen Werke angeboten, die wir heute nicht einmal in den Daysales anbieten würden. Das Motto lautet: Weniger ist mehr, dafür aber die höchste Qualität. Wie ist das mit den Neuentdeckungen? Welche Rolle spielen sie für den Altmeistermarkt? Neuentdeckungen sind der Lebenssaft des Altmeistermarktes. Es kommen immer wieder gänzlich neue Entdeckungen auf den Markt und gerade in diesem Segment auch viele marktfrische Werke, die Jahrzehnte im selben Privatbesitz waren. In unserer Dezemberauktion waren über die Hälfte der Lose mehr als 40 Jahre nicht am Markt.