Die Presse am Sonntag

Mode als Kulturgut: Das Universum der Weltmarke Dior

Paris zeigt derzeit die größte Christian-Dior-Ausstellun­g, die die Welt je gesehen hat. Für die Zeitschrif­t »Vogue« ist die Schau über den »Couturier der Träume« das Ereignis des Jahres. Wir präsentier­en Diors Anfänge und einen Rundgang durch die Ausstell

- VON GÜNTHER HALLER

Mona Lisa hat Konkurrenz bekommen. Täglich stehen Tausende vor dem nordwestli­chen Flügel des Louvrepala­stes, dem Musee´ des Arts decoratifs.´ In einer grandios inszeniert­en Schau wird hier noch bis 7. Jänner 2018 das Modehaus, das seit 70 Jahren die Entwicklun­g der Mode entscheide­nd prägte, gefeiert: Christian Dior. Erschöpft, aber glücklich kommen die Besucher nach zwei Stunden sauerstoff­armem Gedränge aus dem Museum, das seine ganze Ausstellun­gsfläche auf zwei Stockwerke­n dem „Couturier du reve“,ˆ dem Designer der Träume, widmet. Zum ersten Mal werden in der vom Haus Dior selbst kuratierte­n Ausstellun­g über 300 Haute-CoutureRob­en, die Entwürfe des Ateliers, Fotografie­n, Illustrati­onen und die Bilder zu den Kampagnen vorgestell­t.

Die Ausstellun­g ist nicht nur ein Stoffrausc­h aus Tüll, Samt, Wolle und Seide, präsentier­t von langbeinig­en Kunststoff­modellen auf Podesten und in Vitrinen in lässig-eleganter Pose, sondern eine Gesamtinsz­enierung des Werks von Dior. Die Kleider leuchten wie Blumenkelc­he, man sieht endlose Variatione­n von Farben und Formen. Doch die einzelnen Konzepträu­me zeigen auf 3000 Quadratmet­ern weit mehr als nur großartige Kleider. Heiligenfi­guren und Goldregen. Ein samtschwar­zer Raum ist gepflaster­t mit Fotos und Daten. Die große Ära der Modefotogr­afie und Modezeichn­ung wird gezeigt, ein Raum ist bis zur Decke gefüllt mit den Vorstufen der Roben, den Modellen der Schneideri­nnen, an denen noch die Abnäher zu sehen sind. Röcke, Mäntel, Schuhe und Handtasche­n sind nach Farben gestaffelt. Der letzte Raum ist wie ein Ballsaal inszeniert, die Abendroben stehen meterhoch auf Podesten wie Heiligenfi­guren, das Licht von der Decke funkelt wie ein herabriese­lnder Goldregen.

Zusätzlich werden die Nachfolger der Maison nach dem frühen Tod des

Christian Dior

1947–1957

Yves Saint Laurent

1958–1960

Marc Bohan

1960–1989

Gianfranco Ferr´e

1989–1996

John Galliano

1996–2011

Raf Simons

2011–2015

Maria Grazia Chiuri

2016 Meisters 1957 präsentier­t, die das Erbe in einer gemeinsame­n Vision weiterführ­ten: Yves Saint Laurent, Marc Bohan, Gianfranco Ferre,´ John Galliano, Raf Simons und Maria Grazia Chiuri. Zu sehen sind auch die weltberühm­ten Bilder von Grace Kelly, Marlene Dietrich und Lady Diana in Dior. Bei der Eröffnung der Ausstellun­g im Juli 2017 waren Jennifer Lawrence und Natalie Portman im Dior-Look zugegen.

Der Freudentau­mel Frankreich­s nach der Befreiung 1945 war gerade vorüber, doch das Land stand immer noch im Schatten des Zweiten Weltkriegs, als Dior mit seiner ersten prächtigen Kollektion Paris wieder für die Mode begeistert­e. Mit einem Mal durfte man sich wieder zu Genuss und Lebensglüc­k bekennen. Florence Müller, die die Ausstellun­g mitkuratie­rte, im Interview: „1947 war die vorherrsch­ende Ästhetik immer noch die des Krieges. Der Stil war streng, maskulin, mit Schulterbr­eiten wie bei Boxern, kurz geschnitte­nen Röcken und Umhängetas­chen, sehr praktisch, um mit dem Fahrrad unterwegs zu sein.“Der Krieg hatte eben die Frauen gleichbere­chtigt an die Seite der Männer gestellt, das wurde durch diese streng geschnitte­nen Kostüme symbolisie­rt, da lag das Bedürfnis nach einer Rückkehr des Weiblichen in der Luft. „Diors Mode stand für Wiedergebu­rt und für einen Glauben an eine bessere Zukunft.“(Florence Müller)

Man kannte Dior damals noch nicht, als er in der Avenue Montaigne 30 am 12. Februar 1947, am letzten Tag der Modewoche für die Frühling-Sommer-Modeschaue­n, antrat, am 13. Februar war er ein berühmter Mann. Alle internatio­nalen Modejourna­listen waren da, natürlich auch Diors Freund

Ein Stoffrausc­h aus Tüll, Samt und Seide. Die Kleider leuchten wie Blumenkelc­he.

Jean Cocteau, er fehlte bei keiner Schau. Literweise wurde „Miss Dior“versprüht, das Parfum, das der Couturier kurz zuvor kreiert hatte. Als er den „New Look“vorstellte (der Begriff wurde von einer amerikanis­chen Journalist­in geprägt), wurde er mit dieser neuen Art von Femininitä­t, Eleganz und Schönheit über Nacht zum gefeierten Star der Haute Couture.

150 Arbeitsstu­nden waren für das „Bar“-Kostüm aufgewende­t worden, für die knappe Jacke mit den weichen Schultern, die Wespentail­le und den wadenlange­n Glockenroc­k, Pierre Cardin war damals Leiter des Schneidera­teliers. Für den schwarzen Rock aus plissierte­m Wolltuch wurden fast zwölf Meter Stoff verarbeite­t, verschwend­erisch viel für die Nachkriegs­zeit. Schmale Taille, betonte Hüften, eine akzentuier­te Oberweite und dezente Schultern waren die Charakteri­stika des „Bar“Kostüms, das zum Sinnbild

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„Frauen schöner und dadurch glückliche­r machen.“Ein
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