Culture Clash
FRONTNACHRICHTEN AUS DEM KULTURKAMPF
Ein Mann mit (neuem) Stil. 31 Jahre ist gefährlich jung – nicht um ein guter Bundeskanzler zu sein, sondern um aus der Sache auch wieder heil herauszukommen.
Es hatte eine eigene Dynamik, wie am Freitag die beiden Parteichefs Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache vor die Kameras traten, um die Regierungseinigung zu verkünden. Einerseits ein durchaus erfreuliches Bild: nach den Jahren der aneinander wundgescheuerten SPÖ-ÖVP-Koalition endlich wieder zwei Menschen zu sehen, die es offensichtlich freut, miteinander arbeiten zu können. Ein Punkt für den „neuen Stil“.
Andererseits aber auch seltsam: Der souveräne Jungspund, dessen knappe Formulierungen („nicht bei den Menschen sparen, sondern beim System“) sich erst bei genauem Hinsehen in nichts auflösen (jede Sparmaßnahme nimmt Menschen was weg) – und der nervöse alte Hase, der den „neuen Stil“noch nicht so draufhat, dass ihm nicht doch noch alte Floskeln herausrutschen wie „Die realpolitischen Möglichkeiten möglich zu machen, ist die Kunst der Politik, im Interesse des Wählers“. Wem fällt da nicht Loriots satirische Bundestagsrede des fiktiven Abgeordneten Werner Bornheim ein: „Ich kann meinen politischen Standpunkt in wenigen Worten zusammenfassen: Erstens das Selbstverständnis unter der Voraussetzung, zweitens und das ist es was wir unseren Wählern schuldig sind, drittens die konzentrierte Beinhaltung als Kernstück eines zukunftweisenden Parteiprogramms.“
Wer wird den „neuen Stil“prägen? Es ist wie ein Memento, dass just in diesen Tagen der junge Wunderwuzzi der letzten schwarz-blauen Regierung vor Gericht steht. Immerhin stand auch Karl-Heinz Grasser einmal für einen neuen, smarten Stil.
Als Wirtschaftsjournalist habe ich ihn damals aus der Nähe erlebt – wie er durch Intellekt, Eloquenz, soziale Intelligenz und Sachorientierung innerhalb kurzer Zeit große Kompetenz aufgebaut und die schwierige Beamtenschaft des Ministeriums auf seine Seite gezogen hat. Und wie sich doch die Stillosigkeiten häuften – von der HomepageGeschichte über den Porsche vom Wahlonkel bis zu den Halbnacktfotos im Hotelbett. Mein Eindruck war damals, dass ihm ein väterlicher Freund gefehlt hat. Ein Lehrmeister, der zu den richtigen Momenten sagt: Das hast du doch nicht nötig.
Hat eigentlich Sebastian Kurz einen väterlichen Freund? Strache ist es ja wohl kaum. Muss Kurz ganz allein mit den Feindseligkeiten und den Versuchungen fertig werden, die in jedem Politikerdasein die Seele unter Dauerbeschuss nehmen? Auch davon hängt ab, ob der „neue Stil“kurzlebig und oberflächlich sein wird. Oder ob er tiefer gehen wird und wirklich etwas verändert. Und auch ob der Mensch Sebastian Kurz heil aus der ganzen Sache herauskommen wird. Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.