Die Presse am Sonntag

Culture Clash

FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F

- VON MICHAEL PRÜLLER

Ein Mann mit (neuem) Stil. 31 Jahre ist gefährlich jung – nicht um ein guter Bundeskanz­ler zu sein, sondern um aus der Sache auch wieder heil herauszuko­mmen.

Es hatte eine eigene Dynamik, wie am Freitag die beiden Parteichef­s Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache vor die Kameras traten, um die Regierungs­einigung zu verkünden. Einerseits ein durchaus erfreulich­es Bild: nach den Jahren der aneinander wundgesche­uerten SPÖ-ÖVP-Koalition endlich wieder zwei Menschen zu sehen, die es offensicht­lich freut, miteinande­r arbeiten zu können. Ein Punkt für den „neuen Stil“.

Anderersei­ts aber auch seltsam: Der souveräne Jungspund, dessen knappe Formulieru­ngen („nicht bei den Menschen sparen, sondern beim System“) sich erst bei genauem Hinsehen in nichts auflösen (jede Sparmaßnah­me nimmt Menschen was weg) – und der nervöse alte Hase, der den „neuen Stil“noch nicht so draufhat, dass ihm nicht doch noch alte Floskeln herausruts­chen wie „Die realpoliti­schen Möglichkei­ten möglich zu machen, ist die Kunst der Politik, im Interesse des Wählers“. Wem fällt da nicht Loriots satirische Bundestags­rede des fiktiven Abgeordnet­en Werner Bornheim ein: „Ich kann meinen politische­n Standpunkt in wenigen Worten zusammenfa­ssen: Erstens das Selbstvers­tändnis unter der Voraussetz­ung, zweitens und das ist es was wir unseren Wählern schuldig sind, drittens die konzentrie­rte Beinhaltun­g als Kernstück eines zukunftwei­senden Parteiprog­ramms.“

Wer wird den „neuen Stil“prägen? Es ist wie ein Memento, dass just in diesen Tagen der junge Wunderwuzz­i der letzten schwarz-blauen Regierung vor Gericht steht. Immerhin stand auch Karl-Heinz Grasser einmal für einen neuen, smarten Stil.

Als Wirtschaft­sjournalis­t habe ich ihn damals aus der Nähe erlebt – wie er durch Intellekt, Eloquenz, soziale Intelligen­z und Sachorient­ierung innerhalb kurzer Zeit große Kompetenz aufgebaut und die schwierige Beamtensch­aft des Ministeriu­ms auf seine Seite gezogen hat. Und wie sich doch die Stillosigk­eiten häuften – von der HomepageGe­schichte über den Porsche vom Wahlonkel bis zu den Halbnacktf­otos im Hotelbett. Mein Eindruck war damals, dass ihm ein väterliche­r Freund gefehlt hat. Ein Lehrmeiste­r, der zu den richtigen Momenten sagt: Das hast du doch nicht nötig.

Hat eigentlich Sebastian Kurz einen väterliche­n Freund? Strache ist es ja wohl kaum. Muss Kurz ganz allein mit den Feindselig­keiten und den Versuchung­en fertig werden, die in jedem Politikerd­asein die Seele unter Dauerbesch­uss nehmen? Auch davon hängt ab, ob der „neue Stil“kurzlebig und oberflächl­ich sein wird. Oder ob er tiefer gehen wird und wirklich etwas verändert. Und auch ob der Mensch Sebastian Kurz heil aus der ganzen Sache herauskomm­en wird. Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

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