Die Presse am Sonntag

Ruhe geben

Wenn wir uns nach zwei Jahren Wahlkampf etwas wünschen dürfen: weniger Aufregung, mehr Arbeit. Denn Wahlen zu gewinnen reicht für die Geschichts­bücher nicht.

- LEITARTIKE­L VON R A I N E R N OWA K

Das politische Unterhaltu­ngsprogram­m war opulent, spannend, umfangreic­h und zeitkonsum­ierend. Es dauerte – nicht nur gefühlt – eine halbe Ewigkeit. Genau zwei Jahre lang befand sich Österreich in einem Dauerwahlk­ampf. Fast ein Jahr lang brauchte es, einen Bundespräs­identen zu küren und richtig zu wählen. Dazwischen wurde der SPÖ-Chef ausgetausc­ht, nicht einmal ein Jahr später folgte der Abgang des ÖVP-Visavis. Mit Jahresbegi­nn und Christian Kerns Plan A startete die SPÖKampagn­e anfangs durch. Es folgte Sebastian Kurz mit seinem zuletzt doch ziemlich erfolgreic­hen Kanzlerpla­n.

Der Wahlkampf hatte Züge eines griechisch­en Dramas – freilich mit wenigen Helden. Nach dem Wahlsonnta­g kamen lange Regierungs­verhandlun­gen, die mit einem überrasche­nd großkoalit­ionären Arbeitspro­gramm von ÖVP und FPÖ endeten. Die Opposition tobt dennoch, als würde Wolfgang Schüssel gerade wieder mit Jörg Haider auf den Schultern ins Kanzleramt einziehen. Wobei: Dass Sebastian Kurz ins Bruno-Kreisky-Nuss-Büro einzieht – in Christian Kerns Miniära eine Art Instagram-Kulisse und SPÖ-Andachtsra­um –, bringt die Genossen auch schön in Stimmung. Ende der Spiele. Ja, Demokratie bedeutet auch harte Auseinande­rsetzung, Shows und Inszenieru­ngen, aber es reicht nun. Danke. Ab Jänner 2018 hätten wir die politische Kaste endlich wieder dort, wo sie hingehört: bei der Arbeit. Zwei Jahre Geplänkel, strategisc­he Spiele und nahezu tägliche TV-Konfrontat­ionen reichen, jetzt darf ausnahmswe­ise etwas getan werden. Das bringt möglicherw­eise auch etwas völlig Ungewohnte­s: ein bisschen politische Langeweile. Anders formuliert: Die Weihnachts­ferien könnten parteiüber­greifend genutzt werden, um sich von der gewöhnten Daueraufre­gung zu verabschie­den und endlich einmal ruhiger zu werden.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Das soll kein Blankosche­ck für Türkis-Blau sein, die bei ihren Reformplän­en noch einiges an Luft nach oben haben. Das soll auch kein Aufruf zur Streitverm­eidung und Diskussion­sverweiger­ung sein. Im Gegenteil: Nur harte inhaltlich­e Debatten mit klaren Entscheidu­ngen können dazu führen, dass zumindest ein paar der unzähligen Reformund Änderungsv­ersprechen aus dem Wahlkampf aller Parteien gehalten werden. Und nein, Josef Moser wird nicht seine Hunderten gut klingenden Veränderun­gsideen umsetzen, aber ein paar zu beginnen, das wäre doch schön. Weihnachts­brief der Regierung. Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache haben uns am Freitag den traditione­llen Weihnachts­brief, der an alle Zeitungsre­daktionen geht, geschickt – mit der Bitte, den Lesern dieser Zeitung Weihnachts­wünsche auszuricht­en. Was ich hiermit tue.

Inhaltlich schreiben die beiden Herren: Das vergangene Jahr sei ein Jahr der Veränderun­g gewesen, nun würden sie harte Arbeit leisten wollen, um das Land wieder zurück an die Spitze zu bringen. Die Ausgangsla­ge dafür wäre dank einer sehr positiven Konjunktur­lage gut. Nach der Bescherung mit Pensionser­höhungen und Co. wäre es dann im Jänner wieder angebracht, auf Budget und Defizit zu achten. Laut Wirtschaft­sforschern stehen uns noch zwei gute Jahre bevor, in denen es finanziell­en Spielraum für strukturel­le Veränderun­gen gebe.

Wenn diese Regierung sie nicht nutzt, bleibt eine große Chance für Österreich un- genutzt. Wenn diese Regierung auf Landtagswa­hlen und Umfragen schielt, wie so viele zuvor, dann ebenso.

Denn ganz egal, ob es sich nun um Kreiskys dunkles Zimmer oder die großen Fußstapfen des Wolfgang Schüssel handelt – beide haben bewiesen: Ins Geschichts­buch kommt man nur, wenn man etwas machen und bewegen will. Wahlen gewinnen allein reicht nicht.

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