»Österreich muss markieren, wo es steht«
Außenministerin Karin Kneissl bezeichnet Israels Kontaktsperre als nicht nachvollziehbar, signalisiert Sympathien für Kataloniens Unabhängigkeit und erklärt, warum sie das Angebot ausschlug, auf der Liste Kurz zu kandidieren.
Wie emotional war Ihre Rückkehr nach fast 20 Jahren ins Außenministerium? Karin Kneissl. Bei meiner Rede am Montag hatte ich am Schluss einen Knödel im Hals. Ich war immer mit vielen freundschaftlich verbunden. Ich kenne die Kollegen, die 45- bis 65-Jährigen, mit denen ich groß geworden bin. Ich habe meinen Abgang damals wirklich nicht bedauert und hätte nie damit gerechnet, als Ministerin zurückzukehren. Es war bewegend. Auf Ihrer Homepage prangt das Motto Senecas: „Lieber will ich durch Wahrheit anstoßen, als durch Schmeichelei gefallen.“Kann man das als Diplomatin durchhalten? Ich habe einen anderen Stil. Ich verliere mich nicht in Worthülsen. Wenn alles im diskreten Rahmen bleibt, kann man auch gegenüber einem Ministerkollegen klare Worte finden und es trotzdem freundlich rüberbringen. Hatten Sie Bedenken, das Amt anzunehmen? Große Bedenken, weil ich weiß, wie schwierig es ist, einen Riesenapparat zu bewegen und politischen Zwängen ausgesetzt zu sein. Ich habe mich nicht selbst ins Spiel gebracht. Ich wurde gefragt und habe mir das in drei schlaflosen Nächten überlegt. Sie haben die österreichische Außenpolitik lange kommentiert. Welche neue Akzente wollen Sie nun als Ministerin setzen? Kommentieren ist leichter. Ich möchte mein Kabinett anders als bisher zusammensetzen. Ich habe um die Dienstzuteilung eines Generalstabsoffiziers gebeten, der uns in Abstimmung mit dem Verteidigungsministerium bei der Umsetzung der gesamtstaatlichen Sicherheitsstrategie unterstützen wird. Sicherheit war das Thema des Wahlkampfes und bleibt Thema: im Blick auf die Migration, die Weltlage und die Herausforderungen für Europa. Es geht mir um eine starke interministerielle Zusammenarbeit. Um für Österreich etwas zu schaffen, brauchen wir eine nationale Anstrengung und kein engstirniges Ressortdenken. Sie wollen Österreich stärker als bisher positionieren. Da schwingt Kritik mit. Für mich ist Außenpolitik vor allem Kontinuität. Aber Außenpolitik kann, wie Ex-Außenminister Peter Jankowitsch zu seinem 80. Geburtstag sagte, nicht darin bestehen, EU-Positionen abzunicken. Österreich muss wieder stärker markieren, wo es steht. Das hat Sebastian Kurz in der Migrationsdebatte sehr klar gemacht. Aber wir können uns auch anderswo einbringen. Das Außenamt ist geschwächt. Europapolitische Agenden wandern ins Bundeskanzleramt ab. Haben Sie darum gekämpft, diese Kompetenzen zu behalten? Es war absehbar, dass es zu einer Kompetenzübertragung kommt. Ich habe mich in den letzten Nächten der Koalitionsverhandlungen dafür stark gemacht, dass der Kanzler seine Weisungen für die Ratstagungen nur im Einvernehmen mit dem Außenministerium vornehmen kann. Die Weisungshoheit für die Vertretung in Brüssel verbleibt im Außenamt, auch die Fachabteilung für die gemeinsame europäische Außenpolitik. Es gab zudem ein Quid pro quo: Das Außenministerium wird erstmals seit 1945 aus dem Kanzleramt die OECD-Agenden übernehmen. Wir wollen eine neue Fachabteilung schaffen und gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium eine Außenwirtschaftsstrategie entwickeln. Außenpolitisch ist Ihr Spielraum eingeschränkt. Israel will nicht mit Ihnen reden. Das stimmt nicht ganz. Israels früherer Botschafter in Wien, der jetzt in Peking ist, hat mich am Sonntag angerufen, um mir zu gratulieren. Der Anruf erfolgte vor der Erklärung des Premiers, momentan keine Kontakte mit FPÖ-Ministern zu haben. Unter diesen Bann fallen auch Sie, obwohl Sie parteilos sind. Das ist für mich nicht ganz nachvollziehbar. Ich habe nächste Woche fünf Interviews mit israelischen Medien. Ich frische gerade mein Hebräisch auf, weil ich das Radiointerview in der Landessprache machen will. Vielleicht kommt es nach den Interviews zu einem Umdenken. Ich glaube, es wird sich legen. Ich mache daraus keine große Sache: Abwarten und Tee trinken. Müssten Sie nicht zuerst mit dem IKG-Präsidenten Oskar Deutsch sprechen, der offenbar Druck auf Premier Netanjahu ausübt? Er schreibt in „Haaretz“, dass sich die FPÖ nicht von ihrer Nazi-Vergangenheit distanziert habe und dies auch nicht durch symbolische Israel-Besuche übertünchen könne. Ich verstehe das nicht. Ich teile die Einschätzung von Martin Engelberg (Abgeordneter der Liste Kurz und ehemaliges Vorstandsmitglied der Kultusgemeinde; Anm.): Der wirklich gefährliche Antisemitismus kommt heute sicherlich nicht von FPÖ-Seite. Fühlen Sie sich vom Kanzler im Stich gelassen? Könnte er nicht stärker darauf hinweisen, dass das Außenministerin von einer Parteiunabhängigen geführt wird? Es war doch Sinn der Übung, um internationale Kritik abzufangen. Sonst hätte man gleich einen Freiheitlichen hierhersetzen können. Ich war die Ideallösung, mit der alle Beteiligten – sowohl die Koalitionspartner als auch der Bundespräsident – einverstanden waren. Im Stich gelassen fühle ich mich nicht. Aber natürlich wundere ich mich über die verkürzte Darstellung in Israel. Die FPÖ hat mich als Ministerin eingeladen, aber ich bin parteilos. Die Israelis haben einfach im großen Bausch und Bogen meine Person auch mit hineingenommen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat Ihnen als „weiblicher Bruno Kreisky“Rosen gestreut. Ist das nicht auch eine Bürde und ein schwieriges Entree, gerade in Israel? Ich bin, ehrlich gesagt, rot geworden, als ich diese Überschrift gelesen habe. Ich habe es nicht als Bürde gesehen, sondern als riesiges Kompliment. Als ich als junges Mädel unterwegs war, musste man niemandem erklären, wo Österreich liegt. Alle haben etwas mit Österreich verbunden: Das war Kreiskys Verdienst. Aber ich möchte schon meine eigenen Akzente setzen. Was mich, scherzhaft gesagt, am meisten mit Kreisky verbindet, ist, dass ich auch zwei Boxerhunde habe. Hätten Sie das Ministeramt auch übernommen, wenn die ÖVP Sie nominiert hätte? Wenn mich die ÖVP eingeladen hätte, dann nur über die Liste Kurz. Ich wurde gefragt, aber ich wollte auf keine Liste, sondern parteiunabhängig bleiben. Ich habe ja auch die Präsidentschaftskandidatur abgelehnt, weil ich die Kandidatin einer Partei (FPÖ; Anm.) gewesen wäre. Die erste Reise wird Sie in die Slowakei führen, danach soll es nach Ungarn gehen. Wollen Sie damit ein Signal setzen? Manche haben sich schon einen Reim darauf gemacht, dass ich jetzt alle Visegrad-´Staaten besuche. Aber meine zweite Reise geht in ein westliches Land. Ich habe in den letzten Tagen mit 14 Außenministern telefoniert. Alle wollen dich sehen – und alle im Jänner. Die Minister wollen sich auch bilateral treffen, nicht nur für drei Minuten in den Brüsseler Korridoren miteinander reden. Die meisten österreichischen Außenminister sind als Erstes nach Bern gereist. Die Slowakei war noch nicht dran. Ich werde mit dem Rex fahren, das kostet zehn Euro. Das ist der Zug, mit dem ich sonst täglich von Gramatneusiedl nach Wien gefahren bin – gemeinsam mit slowakischen Krankenschwestern und Studenten. Es gibt aber schon die Idee, dass Österreich eine Mittlerrolle spielen kann zwischen den Visegr´ad-Staaten und der Rest-EU. Strache hat sogar angeregt, dass Österreich der Visegr´ad-Gruppe beitreten soll. Soweit ich das verstanden habe, wollen die Visegrad-´Staaten unter sich bleiben. Wo kann Österreich eine Vermittlerrolle spielen? Man darf sich nicht als Vermittler selbst ins Spiel bringen, sondern muss gefragt werden. Ich werde mich sicher nicht aufdrängen. Ich gehöre nicht zu denen, die sagen: Hier bin ich. Im Regierungsprogramm heißt es, die Koalition will hinarbeiten in Richtung Lockerung, Aufhebung der Sanktionen gegen Moskau. Kann Österreich in der EU vorpreschen? Es gibt zwischen Deutschland und Russland neben dem, was auf EU-Ebene läuft, den St. Petersburger Dialog. Je