Die Presse am Sonntag

Die Rückkehr der Separatist­en

Nach der Regionalwa­hl in Katalonien droht der Konflikt zwischen Barcelona und Madrid erneut zu eskalieren: Der abgesetzte Regionalch­ef Puigdemont feiert bereits den »Sieg der Republik«.

- VON SUSANNA BASTAROLI

Carles Puigdemont ist gut gelaunt, als er aus Brüssel per Videoschal­tung mit den Parteikoll­egen in Barcelona das katalanisc­he Regionalwa­hlergebnis bespricht. Die Analyse des Nationalhe­lden im Exil fällt eher salopp aus: „Da sitzt Spanien jetzt ganz schön in der Patsche“, freut er sich. „Rajoy [Spaniens Premier, Anm.] hat das Match gegen uns verloren. Er ist nur noch eine politische Leiche, die europäisch­en Kanzlern hinterherl­äuft.“Das Video wurde Spaniens Medien zugespielt.

Ausgelasse­ne Stimmung herrscht also am Tag nach der katalanisc­hen „Schicksals­wahl“unter Sezessioni­sten, vor allem unter Puigdemont­s Leuten: Nicht nur hat der „Weg von Spanien“Block seine Mehrheit im Regionalpa­rlament behalten. Sondern die Partei des von Madrid gefeuerten Regionalch­efs Puigdemont­s, der wegen einer drohender Haftstrafe nach Belgien geflohen ist, bleibt stärkste politische Kraft im Separatist­enlager – entgegen allen Prognosen. Offenbar ging die ganz auf Puigdemont-Heroisieru­ng angelegte Wahlstrate­gie auf.

Vor der internatio­nalen Presse präsentier­te sich Puigdemont am Freitag denn auch als staatsmänn­ischer Separatist­enanführer. Er feierte den „Sieg der katalanisc­hen Republik“und „die Niederlage des spanischen Coups“. Doch auch versöhnlic­he Töne schlug er an. Premier Mariano Rajoy bot er ein „Treffen außerhalb Spaniens an“. Er bestehe nicht auf ein bestimmtes Gesprächst­hema, „ich will nur, dass er uns zuhört“: Rajoy hat stets einen Dialog über die Unabhängig­keit abgelehnt. Puigdemont forderte Madrid auf, den Haftbefehl gegen ihn und die anderen Separatist­en aufzuheben. Ohrfeige für Rajoy. Seine Vertrauten in Barcelona stellen sich allerdings schon auf einen Plan B ein, sollte Puigdemont tatsächlic­h Regionalpr­äsident werden. Hinter vorgehalte­ner Hand sagen sie, dass ihr Chef notfalls bereit sei, von Brüssel aus zu regieren. Denn eine Amnestie ist höchst unwahrsche­inlich.

Am Freitag wurde bekannt, dass die Staatsanwa­ltschaft gegen weitere Separatist­en wegen „Rebellion“und „Aufruhr“im Zusammenha­ng mit dem verbotenen Unabhängig­keitsrefer­endum am 1. Oktober ermittelt. Als sich Rajoy gestern im gewohnt trocken-bürokratis­chen Ton an die Presse wandte, erteilte er Puigdemont­s Einladung eine klare Absage. Er setze weiterhin auf Dialog, versichert­e er. Dieser müsse aber „im Rahmen des Gesetzes“stattfinde­n, lehnte er Verhandlun­gen über eine Abspaltung ab.

Rajoys Gelassenhe­it täuscht. Dem Premier drohen politisch turbulente Zeiten, mit heftiger Kritik aus den eigenen Reihen und der Opposition. Denn nicht nur hat seine Strategie der „geduldigen Härte“in Katalonien keine Wirkung gezeigt, sondern nach der von ihm einberufen­en Wahl in Katalonien ergibt sich auch genau dasselbe politische Bild wie vor der Krise. Weder die Madrider Notstandsg­esetze noch die internatio­nale Isolierung oder drohende wirtschaft­liche Misere wegen des Abzugs von Firmen und Investoren setzten den Separatist­en zu: Mit rund 48 Prozent der Stimmen und einer Sitzmehrhe­it bleiben die Sezessioni­sten ungefähr genauso stark wie vor dem Unabhängig­keitsabent­euer im Oktober. Nicht einmal bei den Abspaltung­sgegnern, laut Wahlergebn­is immerhin 50,7 Prozent der Katalanen, punkteten Rajoys Konservati­ve. Im Gegenteil: Die seit jeher in Katalonien schwächeln­de Volksparte­i verlor diesmal sogar sieben ihrer elf Sitze. Überzeugen­dste „AntiUnabhä­ngigkeitsk­ämpferin“ist offenbar die charismati­sche Ines´ Arrimadas der national-liberalen Ciutadans. Die Partei ist jetzt zwar stimmenstä­rkste Kraft im Regionalpa­rlament, eine regierungs­fähige Mehrheit mit anderen pro- spanischen Parteien geht sich allerdings nicht aus. „Das ist ein bitterer Sieg“, sagt eine Abgeordnet­e.

Sicher ist nach all den Wirren dieser Wahl: Polarisier­ung, politische Instabilit­ät und Unsicherhe­it bleiben Katalonien erhalten. Ob die Angst vieler Beobachter gerechtfer­tigt ist, dass die Wahl der Unabhängig­keitsbeweg­ung neuen Aufwind gegeben hat, werden die nächsten Monate zeigen. Aber viel-

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