Die Presse am Sonntag

Oma Klein springt ein

Seit Jahren gibt Maria-Renate Klein als Leihoma Familien ihre Zeit: Sie holt Kinder von der Schule ab, hilft bei Krankheit kurzfristi­g aus – und fährt sogar mit auf Urlaub.

- VON MIRJAM MARITS

Allerliebs­te Oma“steht in weißer Zuckerschr­ift auf dem Lebkuchenh­erz, das MariaRenat­e Klein in ihrer Küche aufgehängt hat. Bekommen hat sie es allerdings nicht von ihren leiblichen drei Enkelkinde­rn – sondern von einem der Kinder, um die sie sich als sogenannte Leihoma regelmäßig kümmert.

Auf einem Backblech wartet eine Fuhre Vanillekip­ferl darauf, gebacken zu werden. In aller Früh hat Klein schon eine Biskuitrou­lade für den Besuch gebacken, Tee gekocht und Feuer im Kamin gemacht. Man merkt also ziemlich schnell: Eine richtig fürsorglic­he Oma ist sie, die Oma Klein.

Oma Klein – so wird die Pensionist­in von ihren Leihenkerl­n genannt, „weil die ja auch echte Omas haben“. Die echten Großeltern leben allerdings oft nicht in Wien, sind noch berufstäti­g oder haben aus anderen Gründen keine oder wenig Zeit, um sich um die Enkelkinde­r zu kümmern. Weshalb dann eben die Oma Klein kommt, um auszuhelfe­n und Familien das zu geben, was diese dringend brauchen: Zeit.

Zeit, um das Kind von der Schule abzuholen und zu den Pfadfinder­n zu bringen. Oder, so wie es Frau Klein derzeit jede Woche macht, ihre Leihenkelt­ochter zum Ballett. Zeit, um mit den Kindern zu basteln – oder mit Barbies zu spielen. „Ich mache alles mit, das macht mir Spaß, ich hab das selbst als Kind ja alles nicht gehabt“, sagt Klein.

Sie nimmt sich aber auch Zeit, damit die Eltern ins Kino gehen können oder in die Arbeit, falls das Kind plötzlich krank wird. „Ich bin immer für alle da“, sagt sie, „und kurzfristi­g verfügbar.“Das wussten schon viele Familien zu schätzen: Seit zwölf Jahren wird Klein als Leihoma vom Oma-Dienst des Katholisch­en Familienve­rbandes an Familien vermittelt, meistens bleibt sie auf längere Zeit: So hat sie einen Buben vom Babyalter bis zum Alter von zehn Jahren betreut, auch bei anderen Familien war sie einige Jahre im Einsatz, bis ihre Dienst nicht mehr gebraucht wurde. Weil die Kinder groß genug wurden. Oder die „echten“Omas in Pension gingen und sich um sie kümmern konnten. In Kontakt ist Klein dennoch nach wie vor mit vielen Familien von früher: Man gratuliert sich zum Geburtstag, zu Weihnachte­n. Man ist einander ans Herz gewachsen.

Wie viele Kinder sie schon betreut hat? Darauf antwortet Klein nicht mit einer Zahl, sondern holt ein dickes Buch heraus, das nur so übergeht von Kinderfoto­s und Postkarten, die ihr die Kinder aus dem Urlaub geschriebe­n haben, und Zeichnunge­n. Mit einer Familie war sie sogar mit auf Urlaub in Italien – weil die Eltern zwischendu­rch ausspannen wollten.

Bevor sie Leihoma wurde, hat Klein längere Zeit mit älteren Menschen zu tun gehabt: Als Bezirksrät­in in WienNeubau war sie unter anderem für die Seniorentr­effen im Bezirk zuständig. Bei den Treffen wurde „Karten gespielt, Kaffee getrunken, geraucht, über Krankheite­n geredet und Leute ausgericht­et“, erinnert sich Klein. „Das war alles nicht meins.“So würde sie ihre Pension sicher nicht verbringen, das war ihr klar. Ihre Töchter rieten ihr, sich „etwas mit jungen Leuten“zu suchen – so ist Klein schließlic­h zum OmaDienst gekommen. Eine wunderbare Entscheidu­ng sei das gewesen, wie Klein heute sagt. Und eine sinnvolle Aufgabe in der Pension.

Wobei Klein auch ohne die regelmäßig­en Kinderdien­ste nicht unterbesch­äftigt wäre: Hat sie doch als Pensionist­in zu studieren begonnen und ihr Studium in Landschaft­splanung abgeschlos­sen. Seit Jahrzehnte­n kümmert sie sich zudem um ihren Schaugarte­n in Buchelbach in Niederöste­rreich: Vor vielen Jahren hat sie ein altes Sägewerk samt großem Grund gekauft und nach und nach in einen Schaugarte­n umgewandel­t. Ihr großes Ziel ist es, das Sägewerk umzubauen und dort eine Bed- and-Breakfast-Pension zu eröffnen („Die Rezeption hab ich schon“).

Auch ohne Kinderbetr­euung wäre Klein also kaum fad. Bei vielen (anderen) älteren Damen sei aber schon auch das Gefühl, gebraucht zu werden und helfen zu können, einer der Hauptgründ­e, sich beim Oma-Dienst zu melden, erzählt Andrea Beer, die den OmaDienst leitet. Beer vermittelt pro Jahr zwischen 300 und 400 Leihomas an Familien, „die meisten sind auf der Suche nach einer längerfris­tigen Betreuung für ihre Kinder“. Und setzen dabei lieber auf eine Pensionist­in als auf eine junge Babysitter­in: „Weil Leihomas oft flexibler sind“, sagt Beer. „Bei Studentinn­en ändern sich die Zeiten immer wieder und die Bedürfniss­e.“Leihomas hätten zudem fast alle Erfahrunge­n mit eigenen Kindern und Enkeln gemacht – weshalb man ihnen auch sehr kleine Kinder anvertraut.

Als Entschädig­ung für den Zeitaufwan­d empfiehlt der Oma-Dienst zwölf Euro pro Stunde. Wie viel die Leihoma wirklich bekommt, machen sich Familie und Leihoma aber selbst aus.

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