Teilen im Garten
Fauna. Es geht nicht nur um die Weihnachtstage – der Garten kann das ganze Jahr über ein mit der Kreatur geteilter Lebensraum sein, dann wird einem immer wieder rund ums Jahr ganz weihnachtlich ums Herz.
Viel gäbe ich darum, einmal noch in einem ganz bestimmten Buch blättern zu dürfen. Irgendwo auf der Welt existiert es noch. Vielleicht sogar in seiner ursprünglichen Form. Möglicherweise liegt es vergessen in einer muffigen Dachbodenkiste unter anderen Kinderbüchern und hat seit Jahrzehnten kein Licht gesehen. Oder es verstaubt in einer unbeachteten Bücherreihe einer selten betretenen Bibliothek.
Wahrscheinlich aber wurde es längst vom Zeitenfluss in die Abermilliarden seiner Bestandteile zerlegt, in die Kohlenstoffe, Wasserstoffe, Sauerstoffe seiner Cellulose, in die Teilchen seiner synthetischen Pigmente, und all diese Atome schwirren längst voneinander losgelöst durch die Zeiten. Als sie jedoch noch an Ort und Stelle saßen, bildeten sie ein Kinderbuch, das, wenn ich mich richtig erinnere, unter dem Titel „Der kleine Tannenbaum“eine Weihnachtsgeschichte erzählte. Sie handelte vom Bäumchen, das im verschneiten Wald steht und so gern ein Weihnachtsbaum wäre. Die Geschichte geht gut aus. Leute mit Kindern oder humanistischer Grundausstattung mögen jetzt an Hans Christian Andersens Schauermärchen gleichen Namens denken. Doch meine Geschichte geht im Gegensatz zu der schwermütigen des Dänen gut aus. Sein Weihnachtsbaum bezahlt die Eitelkeit mit dem Leben. Meiner nicht.
„Vorbei, vorbei“, denkt der arme Andersen-Baum, als er nach dem Fest zerhackt und verbrannt wird: „Hätte ich mich doch gefreut, als ich es noch konnte!“Und „bei jedem Knalle, der ein tiefer Seufzer war, dachte der Baum an einen Sommerabend im Walde oder an eine Winternacht da draußen, wenn die Sterne funkelten“. Meiner hingegen wird von Holzfällern als zu mickrig für den großen Auftritt der Heiligen Nacht erachtet. Er reckt und streckt sich zwar, um größer und schöner zu wirken, als er eigentlich ist. Doch die Männer bemerken ihn gar nicht, sie fällen die stattlicheren Tannen rund um ihn und führen sie mit dem Schlitten heim.
Diesen konnte man, da es sich aufregenderweise um ein Aufklappbilderbuch handelte, ein wenig hin- und herschieben. Auch die Tiere des Waldes konnten sich mittels papierener Schiebevorrichtungen hinter Baum- stämmen verstecken oder dahinter hervorlugen. Selbst das Bauernhaus konnte man betreten, um den im Backrohr versteckten Braten zu betrachten.
Was dann geschehen ist, verschwimmt ein wenig in den Nebeln der Erinnerung, doch irgendjemand, ich glaube, es waren die Kinder des Bauern, der die Christbäume geschlägert hat, kommt am Weihnachtsnachmittag in den Wald gestapft. Denn man gedenkt an diesem heiligen Datum auch der Tiere des Waldes und behängt das Bäumchen. Nüsse für die Eichhörnchen und Vögel. Karotten für die Hasen. Äpfel für die Rehe. Dank dieser Gaben wird die Weihnachtsnacht für den Baum und die Waldbewohner zu einer feierlich-fröhlichen Angelegenheit. Sie versammeln sich um die nun glücklich im Mittelpunkt stehende Tanne, halten Festmahl – und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie noch heute.
Ein einleuchtender Weihnachtsspruch, passend zum Überfluss unserer Tage, lautet: Wenn man zu dick ist, sind weniger die Tage zwischen Weihnacht und Neujahr dafür verantwortlich, als diejenigen zwischen Neujahr und Weihnacht. Als groß gewordene Kinder, die wir unsere Gärtchen samt darin wohnender Fauna pflegen, gilt Ähnliches. Wir schmücken zwar im Winter den Garten mit Meisenknödeln und Futterhäuschen, doch wichtiger ist das Teilen mit den Tieren übers Jahr.
Brennnesseln, Weiden, Faulbäume für die Raupen der Falter. Disteln, Son-