Das Christkind sitzt auf Nadeln
Immer mehr Geschenke kommen aus dem Internet – aber kommen sie auch rechtzeitig an? Viele Paketzusteller sind mit dem starken Weihnachtsgeschäft heillos überfordert.
Geschenke. Unter dem Christbaum sind sie alle jedes Jahr gleich. Aber wie sie dahinkommen, ändert sich gerade gewaltig. Auch 2017 bringt nicht das Christkind oder der Weihnachtsmann die meisten Geschenke, sondern der Briefträger oder Paketzusteller. All den schönen Kampagnen der Wirtschaftskammer für den stationären Handel zum Trotz, kaufen die Österreicher auch im Advent immer lieber bequem von zu Hause aus im Internet ein. In einer aktuellen Umfrage outeten sich acht von zehn Befragten als Onlineshopper zur Weihnachtszeit. Nicht wenige von ihnen sitzen heute wie auf Nadeln zu Hause und fragen sich: „Wo sind die Geschenke? Schaffen es die Packerln rechtzeitig unter den Baum?“
Denn der Boom der Onlinehändler stellt die Branche der Paketzusteller vor eine ernsthafte Belastungsprobe: „Wir platzen“, beschreibt ein Sprecher der Österreichischen Post, die Tage vor Weihnachten gegenüber der „Presse am Sonntag“. Während der heimische Marktführer an einem durchschnittlichen Tag knapp 300.000 Pakete ausliefern muss, sind es in der Weihnachtszeit annähernd doppelt so viele. Sogar an zwei Adventsonntagen mussten die Paketzusteller ausrücken, um den Speckgürtel im Süden von Wien gut zu versorgen. Weihnachten sei eine Belastung, Probleme gebe es aber keine, beteuert der Sprecher. Viele Beschwerden. Die Kunden sehen das mitunter anders. Egal, ob Hermes, DPD, UPS oder die Post – bei ihnen allen häufen sich die Beschwerden. Wobei der Engpass offenbar tatsächlich in den seltensten Fällen in Österreich, sondern vielmehr beim Nachbarn im Norden zu verorten ist. Deutsche Internethändler dominieren das Onlinege- schäft auch in Österreich. Doch gerade bei Paketen, die aus Deutschland kommen sollen, melden mehr und mehr Kunden Verspätungen und sogar komplette Lieferausfälle. Die Händler sind frustriert: „Die Ware ist im Lager, wir können sie noch heute zu unserem Zusteller bringen“, sagt ein deutscher Sportartikelhändler auf eine konkrete Anfrage, „aber das bringt nichts. Dort stehen noch unsere Pakete von der letzten Woche herum.“Es ist der Albtraum aller Onlinehändler. Aber wie kam es dazu?
Nun, wenn man ehrlich ist, kann niemand behaupten, er wäre nicht gewarnt worden. Anfang November warnten deutsche Paketdienstleister davor, dass das Land, in dem an Spitzentagen 15 Millionen Pakete zugestellt werden, auf ein Weihnachtschaos zusteuere. Zwar haben die Unternehmen auch heuer wieder kleine Armeen an Saisonarbeitern eingestellt und fahren eine Extraschicht nach der anderen – aber auch das reicht nicht mehr.
Einzelne Zusteller mussten daher die Notbremse ziehen und erstmals Pakete ablehnen. Hermes, die Pakettochter des Versandhändlers Otto, hat den Onlinehändlern für die Weihnachtszeit etwa „regionale Mengenobergrenzen“vorgeschrieben. Amazon und Co. bekommen also nur noch ein bestimmtes Kontingent an Paketen zugesichert, das mit Sicherheit vor Weihnachten ausgeliefert werden kann. Nun kooperieren die meisten großen Internethändler ohnedies mit mehreren Zustellern. Dennoch ist es gut möglich, dass auch ein paar Pakete, die unter einem österreichischen Christbaum liegen sollten, von den Zustellern abgelehnt wurden.
Auch die Österreichische Post habe heuer erstmals einen Großauftrag in der Weihnachtszeit ablehnen müssen, räumt der Sprecher ein. Der Kunde sei aber auch „sehr kurzfristig“gekommen und habe im Nachhinein mit einer Lieferung im Jänner gut leben können, ergänzt er. Es waren im Übrigen keine Weihnachtsgeschenke. Die Onlinehändler versuchten, das Chaos mit fi- xen Bestellfristen im Zaum zu halten – mit gemischtem Erfolg.
Wirklich kritisch ist die Lage allerdings für die Zusteller. Sie können die einst beste Zeit des Jahres kaum noch verdauen. Die Devise „Je mehr, desto besser“gilt längst nicht mehr. Zu teuer sind die Extraschichten, zu schwer planbar die Kurzzeitkräfte. In Deutschland will die Branche die Kunden öfter zu Abholstationen bitten. In Österreich steht das Ende der Lieferung zur Haustür (noch) nicht zur Debatte. Gewinneinbruch. Die USA sind einen Schritt weiter. Dort hat der Marktführer UPS seine Preise für Paketzustellungen in der Weihnachtszeit zuletzt angehoben. Gab es früher Rabatte, wenn mehr gekauft wird, so werden heute höhere Gebühren fällig. Die Entscheidung hat einen Grund: UPS hat einige miserable Weihnachtssaisonen hinter sich. 2013 war das Unternehmen mit der Paketflut komplett überfordert, unzählige Geschenke kamen nach Weihnachten an. Für UPS setzte es einen Gewinneinbruch. Danach investierten UPS und der Rivale FedEx viel Geld, um ihre Liefernetzwerke aufzurüsten. Dennoch lief es im Jahr darauf kaum besser. UPS hatte diesmal nicht zu wenig, sondern zu viele Kurzzeitarbeiter eingestellt. Die Pakete kamen rechtzeitig, aber der hohe Aufwand für das Weihnachtsgeschäft belastete die Zahlen neuerlich.
Die Zusteller bleiben über kurz oder lang also das Nadelöhr des virtuellen Weihnachtsfests. Darum: Wer diese Zeitung in den Händen hält und immer noch auf Geschenke wartet, der hat noch eine Chance: Schnell hinaus in die echte Welt und ein paar Ersatzpackerln kaufen! Sollen die bestellten Geschenke ruhig in fünf Tagen ankommen. Zurückschicken kann man sie dann immer noch.