Auf der Jagd nach dem hellblauen Phantom
Die englische Meisterschaft scheint aufgrund der Dominanz von Manchester City schon frühzeitig entschieden. Trainer-Star Pep Guardiola muss bereits Fragen nach dem »Quadruple«, also möglichen vier Saisontiteln, beantworten.
Es gibt Fußballtrainer, die stellen sich öffentlich immer vor ihre Spieler, selbst gegen vermutlich besseres Wissen. „Habe ich nicht gesehen“, lautet etwa die Standardantwort von Arsenal-Trainer Arsene Wenger, selbst bei den krassesten Fouls seiner Schützlinge. Andere wiederum stellen vermeintliche Versager öffentlich an den Pranger. Manchester-United-Boss Jose´ Mourinho tut dies regelmäßig: „Wer nicht glücklich ist, kann gehen“, drohte er zuletzt Verteidiger Luke Shaw und Mittelfeldspieler Henrikh Mkhitaryan vor Beginn der Jänner-Transferperiode an.
Eine dritte Dimension hingegen scheint mittlerweile Manchester CityManager Pep Guardiola erreicht zu haben. Nachdem sein Team derzeit alle Vergleiche sprengt und selbst den einfallsreichsten Verbalakrobaten schön langsam die Superlative ausgehen, ist Guardiola nunmehr vom Loben und Preisen zum Danksagen übergegangen: „Danke an den Klub, dass sie mir diese wunderbaren Spieler gegeben haben und ich mit ihnen arbeiten darf“, sagte er am vergangenen Samstag nach der 4:1-Demontage von Tottenham Hotspur.
Die Londoner hatten vor wenigen Wochen noch als Titelkonkurrenten gegolten. Mittlerweile müssen sie – wie alle anderen Premier-League-Klubs auch – einem hellblauen Phantom nacheilen. Ein Unterfangen, das von Woche zu Woche aussichtsloser wird. Die Citizens haben 16 Meisterschaftsspiele in Folge gewonnen, in bisher 18 Begegnungen der laufenden Saison halten sie bei 17 Siegen und einem Unentschieden. Von möglichen 54 Punkten haben sie bisher 52 geholt, damit scheinen sie locker auf Kurs, in den verbleibenden 20 Partien den bisherigen Rekord von Chelsea mit 95 Punkten in der Saison 2004/05 unter Mourinho zu zertrümmern.
Dazu kommt noch eine majestätische Tordifferenz von 56:12, ein Plus von 44, womit eine weitere historische Marke fallen könnte: In der Meisterschaft 2009/10 erzielte Chelsea unter Carlo Ancelotti 103 Tore und schaffte mit einem Plus von 71 eine Tordifferenz für die Ewigkeit. Dachte man. Aber dieser Tage wird die Geschichte des englischen Fußballs neu geschrieben. „Ohne Zweifel ist Manchester City eine der besten Mannschaften aller Zeiten“, meint etwa Stürmerlegende Alan Shearer. Als erster Verfolger liegt Manchester United bereits elf Punkte zurück. „Ist die Meisterschaft entschieden?“, wurde Mourinho nach der Heimniederlage im Manchester-Derby Anfang Dezember gefragt: „Wahrscheinlich ist es vorbei“, räumte er missmutig ein.
Tatsächlich ist die Dominanz total, und sind die Leistungen der Hellblauen phänomenal. Gegen alle mutmaßlichen Titelkonkurrenten hat Manchester City bereits gewonnen, zum Teil in demütigender Weise wie etwa beim 5:1 gegen Liverpool. Englischer Meister wird man aber sprichwörtlich an kalten, regengepeitschten Nächten in Schlachten gegen Tabellennachzügler, wo es weniger um Spielen als um Kratzen, Beißen und Hauen geht. Auch diese Begegnungen hat Manchester City im zweiten Jahr unter Guardiola zu gewinnen gelernt. Englands Barcelona. Lieber aber hört man den Vergleich mit dem BarcelonaTeam des katalanischen Meistermachers. Zwar warnt er unablässig vor Selbstzufriedenheit und Nachlässigkeit: „Noch haben wir gar nichts gewonnen. Es ist lächerlich, schon vor Weihnachten davon zu sprechen, dass die Meisterschaft entschieden ist.“Zugleich schwärmt aber auch er: „Wir ha- seinem Treffer gegen Bournemouth am vergangenen Sonntag wurde der 25-Jährige zum ersten Spieler in der Geschichte der Reds, der vor Weihnachten 20 Tore erzielt hat. Wie De Bruyne wurde auch Salah einst von Mourinho bei Chelsea ausgemustert und für vergleichsweise ein Trinkgeld abgegeben. Das geschah auch mit Romelu Lukaku. Ihn verkaufte der Portugiese 2014 um 28 Millionen Pfund von Chelsea an Everton. Als United-Trainer holte er ihn im Sommer um 100 Millionen Pfund nach Old Trafford. Nach starkem Beginn spielt er mittlerweile so mittelmäßig wie der Rest der Mannschaft. Die verwöhnten Fans können sich bis heute nicht mit Mourinhos Negativtaktik („Den Bus parken“) anfreunden. Abstiegsthriller. Den Titel praktisch verloren gegeben hat bereits der amtierende Meister Chelsea, derzeit mit 38 Punkten schon 14 Punkte hinter Manchester City Dritter. Niemals eingreifen konnte Arsenal (5./33 Punkte), und schnell verglüht ist Tottenham (7./31 Punkte). Spannender als der Titel- verläuft der Abstiegskampf. Watford auf Platz zehn mit 22 Punkten trennen vom Tabellenletzten und 20. Swansea nur zehn Punkte. Aus der Abstiegszone hat sich zuletzt West Ham United mit Marko Arnautovic´ herausgekämpft. Peitschenknaller David Moyes scheint aus dem Österreicher einiges herauslocken zu können: „Er kann für uns ein ganz wichtiger Spieler werden.“
Mag die Dominanz von Manchester City die Saison prägen, um den Titel „Überraschungsmannschaft“buhlen zwei Provinzmannschaften: Aufsteiger Huddersfield aus Yorkshire erfreut die Liga mit erfrischender Respektlosigkeit (der größte Triumph bisher war ein Heimsieg über Manchester United). Burnley aus dem Nordosten des Landes liegt in der zweiten Saison in der obersten Klasse sogar an sechster Stelle, nur einen Punkt hinter Arsenal. Mit 63 Millionen Pfund hat die Mannschaft soviel gekostet wie Manchester City im Sommer allein für Arsenal-Stürmer Alexis Sanchez´ bot. Meister werden sie nun wohl auch ohne ihn.