Die Presse am Sonntag

Auf der Jagd nach dem hellblauen Phantom

Die englische Meistersch­aft scheint aufgrund der Dominanz von Manchester City schon frühzeitig entschiede­n. Trainer-Star Pep Guardiola muss bereits Fragen nach dem »Quadruple«, also möglichen vier Saisontite­ln, beantworte­n.

- VON GABRIEL RATH (LONDON)

Es gibt Fußballtra­iner, die stellen sich öffentlich immer vor ihre Spieler, selbst gegen vermutlich besseres Wissen. „Habe ich nicht gesehen“, lautet etwa die Standardan­twort von Arsenal-Trainer Arsene Wenger, selbst bei den krassesten Fouls seiner Schützling­e. Andere wiederum stellen vermeintli­che Versager öffentlich an den Pranger. Manchester-United-Boss Jose´ Mourinho tut dies regelmäßig: „Wer nicht glücklich ist, kann gehen“, drohte er zuletzt Verteidige­r Luke Shaw und Mittelfeld­spieler Henrikh Mkhitaryan vor Beginn der Jänner-Transferpe­riode an.

Eine dritte Dimension hingegen scheint mittlerwei­le Manchester CityManage­r Pep Guardiola erreicht zu haben. Nachdem sein Team derzeit alle Vergleiche sprengt und selbst den einfallsre­ichsten Verbalakro­baten schön langsam die Superlativ­e ausgehen, ist Guardiola nunmehr vom Loben und Preisen zum Danksagen übergegang­en: „Danke an den Klub, dass sie mir diese wunderbare­n Spieler gegeben haben und ich mit ihnen arbeiten darf“, sagte er am vergangene­n Samstag nach der 4:1-Demontage von Tottenham Hotspur.

Die Londoner hatten vor wenigen Wochen noch als Titelkonku­rrenten gegolten. Mittlerwei­le müssen sie – wie alle anderen Premier-League-Klubs auch – einem hellblauen Phantom nacheilen. Ein Unterfange­n, das von Woche zu Woche aussichtsl­oser wird. Die Citizens haben 16 Meistersch­aftsspiele in Folge gewonnen, in bisher 18 Begegnunge­n der laufenden Saison halten sie bei 17 Siegen und einem Unentschie­den. Von möglichen 54 Punkten haben sie bisher 52 geholt, damit scheinen sie locker auf Kurs, in den verbleiben­den 20 Partien den bisherigen Rekord von Chelsea mit 95 Punkten in der Saison 2004/05 unter Mourinho zu zertrümmer­n.

Dazu kommt noch eine majestätis­che Tordiffere­nz von 56:12, ein Plus von 44, womit eine weitere historisch­e Marke fallen könnte: In der Meistersch­aft 2009/10 erzielte Chelsea unter Carlo Ancelotti 103 Tore und schaffte mit einem Plus von 71 eine Tordiffere­nz für die Ewigkeit. Dachte man. Aber dieser Tage wird die Geschichte des englischen Fußballs neu geschriebe­n. „Ohne Zweifel ist Manchester City eine der besten Mannschaft­en aller Zeiten“, meint etwa Stürmerleg­ende Alan Shearer. Als erster Verfolger liegt Manchester United bereits elf Punkte zurück. „Ist die Meistersch­aft entschiede­n?“, wurde Mourinho nach der Heimnieder­lage im Manchester-Derby Anfang Dezember gefragt: „Wahrschein­lich ist es vorbei“, räumte er missmutig ein.

Tatsächlic­h ist die Dominanz total, und sind die Leistungen der Hellblauen phänomenal. Gegen alle mutmaßlich­en Titelkonku­rrenten hat Manchester City bereits gewonnen, zum Teil in demütigend­er Weise wie etwa beim 5:1 gegen Liverpool. Englischer Meister wird man aber sprichwört­lich an kalten, regengepei­tschten Nächten in Schlachten gegen Tabellenna­chzügler, wo es weniger um Spielen als um Kratzen, Beißen und Hauen geht. Auch diese Begegnunge­n hat Manchester City im zweiten Jahr unter Guardiola zu gewinnen gelernt. Englands Barcelona. Lieber aber hört man den Vergleich mit dem BarcelonaT­eam des katalanisc­hen Meistermac­hers. Zwar warnt er unablässig vor Selbstzufr­iedenheit und Nachlässig­keit: „Noch haben wir gar nichts gewonnen. Es ist lächerlich, schon vor Weihnachte­n davon zu sprechen, dass die Meistersch­aft entschiede­n ist.“Zugleich schwärmt aber auch er: „Wir ha- seinem Treffer gegen Bournemout­h am vergangene­n Sonntag wurde der 25-Jährige zum ersten Spieler in der Geschichte der Reds, der vor Weihnachte­n 20 Tore erzielt hat. Wie De Bruyne wurde auch Salah einst von Mourinho bei Chelsea ausgemuste­rt und für vergleichs­weise ein Trinkgeld abgegeben. Das geschah auch mit Romelu Lukaku. Ihn verkaufte der Portugiese 2014 um 28 Millionen Pfund von Chelsea an Everton. Als United-Trainer holte er ihn im Sommer um 100 Millionen Pfund nach Old Trafford. Nach starkem Beginn spielt er mittlerwei­le so mittelmäßi­g wie der Rest der Mannschaft. Die verwöhnten Fans können sich bis heute nicht mit Mourinhos Negativtak­tik („Den Bus parken“) anfreunden. Abstiegsth­riller. Den Titel praktisch verloren gegeben hat bereits der amtierende Meister Chelsea, derzeit mit 38 Punkten schon 14 Punkte hinter Manchester City Dritter. Niemals eingreifen konnte Arsenal (5./33 Punkte), und schnell verglüht ist Tottenham (7./31 Punkte). Spannender als der Titel- verläuft der Abstiegska­mpf. Watford auf Platz zehn mit 22 Punkten trennen vom Tabellenle­tzten und 20. Swansea nur zehn Punkte. Aus der Abstiegszo­ne hat sich zuletzt West Ham United mit Marko Arnautovic´ herausgekä­mpft. Peitschenk­naller David Moyes scheint aus dem Österreich­er einiges herauslock­en zu können: „Er kann für uns ein ganz wichtiger Spieler werden.“

Mag die Dominanz von Manchester City die Saison prägen, um den Titel „Überraschu­ngsmannsch­aft“buhlen zwei Provinzman­nschaften: Aufsteiger Huddersfie­ld aus Yorkshire erfreut die Liga mit erfrischen­der Respektlos­igkeit (der größte Triumph bisher war ein Heimsieg über Manchester United). Burnley aus dem Nordosten des Landes liegt in der zweiten Saison in der obersten Klasse sogar an sechster Stelle, nur einen Punkt hinter Arsenal. Mit 63 Millionen Pfund hat die Mannschaft soviel gekostet wie Manchester City im Sommer allein für Arsenal-Stürmer Alexis Sanchez´ bot. Meister werden sie nun wohl auch ohne ihn.

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4 AFP Manchester City und Torhüter Claudio Bravo sind in England nicht aufzuhalte­n.

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